LausannePolizei prügelt angeblichen Drogen-Dealer spitalreif
Ein Mann ist in Lausanne von Polizisten angehalten und verprügelt worden. Der Grund: Sie hielten ihn für einen Drogen-Dealer.
Es ist Freitag, der 28. Oktober: Gegen 21.20 Uhr beschliesst Claudio noch eine Runde joggen zu gehen. Er streift sich die Kapuze über den Kopf, legt die Kopfhörer an und rennt los. Seine Freundin beschliesst, zu Hause auf ihn zu warten. Es ist sein Geburtstag. Was Claudio noch nicht weiss: Dieser Abend wird nicht schön enden.
«Ich ging zum Riponne und dann zum Place du Tunnel. Ich war auf der Höhe des chinesischen Restaurants Chez Xu. Plötzlich packte mich jemand am Hals und drückte mich gegen eine Hausfassade», erzählte er «Le Matin». Er habe sich zwar verteidigt, jedoch nicht viel anrichten können. Er sei von fünf Personen mit Tritten und Schlägen bearbeitet worden. Zum Schluss habe man ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht und ihm Handschellen angelegt: «Mir wurde klar, dass es die Polizei war.»
Keine Papiere dabei
Claudio wurde zum nächsten Posten gebracht: Dort habe man nach seinen Papieren gefragt, doch diese habe er nicht bei sich gehabt. Während der Befragung habe er die Polizisten darum gebeten, einen Arzt aufsuchen oder eine nahestehende Person – seine Freundin – kontaktieren zu dürfen. «Ich wollte nur noch weg von ihnen. Es war ein Albtraum.»
Bevor er den Polizeiposten verlassen habe, habe er sich erkundigt, wo er sich beschweren könne. Einer der Polizisten habe ihm seine Kontaktdaten auf ein Stück Papier geschrieben und gesagt: «Schlafen Sie eine Nacht darüber.» Zudem habe sich keiner der Polizisten je bei ihm entschuldigt.
«Mehrheit der Dealer ist schwarz»
Später habe er sich mit seiner Freundin auf den Weg ins Spital CHUV gemacht. Auf dem Weg dorthin hätten sie noch einmal beim Polizeiposten angehalten und versucht, eine Erklärung zu erhalten. «Sie sagten, ich sei zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen», sagte Claudio zu «Le Matin». Auch habe ein Beamter zu seiner Freundin gesagt: «Die Mehrheit der Dealer ist schwarz.»
Claudio weiter: «Wir gaben ihnen zu verstehen, dass wir gern Beschwerde einreichen würden. Sie gaben uns die Adresse der Staatsanwaltschaft in Lausanne.»
Gegensätzliche Versionen
Von Seiten der Behörde bestätigt man, dass es in dieser Nacht eine Anti-Drogen-Aktion gab. Jedoch unterscheidet sich die Version der Polizei von derjenigen von Claudio: «Die Beamten berichteten, dass etwa ein Dutzend Menschen in Richtung Riponne geflüchtet seien», sagte Sébastien Jost, Sprecher der Stadtpolizei Lausanne, zu «Le Matin». Zwei Beamte hätten den joggenden Mann anhalten wollen, doch dieser sei weitergelaufen. Ein Beamter habe versucht, den Mann aufzuhalten, doch er habe sich gewehrt.
Weiter erklärt der Polizeisprecher: «Der Mann weist einige Ähnlichkeiten mit den gesuchten Personen auf, darunter die Hautfarbe.» Und: «Einer unserer Männer wurde am Arm verletzt und kann nicht arbeiten. Es wurde ein Verfahren gegen den Mann eröffnet wegen Gewalt an Beamten.»
Angeschlagen und benommen
Claudio ist noch angeschlagen von den Schlägen und benommen von den Schmerzmitteln und den Antibiotika, die er einnehmen muss, um eine Infektion der offenen Wunden zu vermeiden. Der 31-jährige Elektriker kann seit dem Vorfall nicht mehr arbeiten. Er bewegt sich mit Krücken fort. Seine Beine sind voller Wunden, das linke Schienbein ist bis zum Knochen durchbohrt.
Konfrontiert mit der Aussage der Polizei, versteht Claudio die Welt nicht mehr: «Warum sollte ich mich einer Identitätsprüfung verweigern? Ich habe mir selber nichts vorzuwerfen», sagt er verärgert. Er werde noch diese Woche Beschwerde einreichen.