Cisalpino steckt fast drei Stunden in Tunnel fest

Aktualisiert

ZürichCisalpino steckt fast drei Stunden in Tunnel fest

Schon wieder sorgt der Cisalpino, besser bekannt als Pannenzug, gewaltig für Ärger. Am Sonntag blieb der Zug kurz nach dem Zürcher HB in einem Tunnel stecken - drei Stunden lang.

Martin Messmer
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Martin Messmer
Der Cisalpino verliess Zürich HB in Richtung Mailand pünktlich um 19.09 Uhr. Nach Zürich Enge jedoch blieb er lange in einem Tunnel stecken. Schliesslich wurde der Zug wieder in den HB rangiert, wo die Passagiere kurz vor 22 Uhr wieder austeigen konnte.
Ein SBB-Mitarbeiter hantiert am defekten Cisalpino im HB Zürich.
Der Zug im Tunnel: Kaum Infos, kein Wasser, heiss, überfüllt, flackerndes Licht. Doch die Passagiere blieben ruhig.
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Der Cisalpino verliess Zürich HB in Richtung Mailand pünktlich um 19.09 Uhr. Nach Zürich Enge jedoch blieb er lange in einem Tunnel stecken. Schliesslich wurde der Zug wieder in den HB rangiert, wo die Passagiere kurz vor 22 Uhr wieder austeigen konnte.

mme

Ungemütlicher Abend für Hunderte Passagiere, die am Sonntag um 19.09 Uhr den Cisalpino der Trenitalia von Zürich nach Zug und Mailand bestiegen: Kurz nach Zürich Enge machte der Zug im Tunnel eine abrupte Vollbremsung. Und blieb stehen. Und stehen. Und stehen. Nach geraumer Zeit kam eine Durchsage per Lautsprecher: «Der Zug hat einen Defekt. In rund sieben Minuten werden wir zurück in den HB Zürich abgeschleppt.» Daraus wurde leider nichts: Es sollte fast zweieinhalb Stunden dauern, bis die Passagiere kurz vor 22 Uhr in Zürich wieder aussteigen konnten. Darunter auch dutzende Soldaten der Schweizer Armee, die in den WK hätten einrücken müssen.

Im Zug wars zunächst richtig heiss, weil die Klimaanlage nicht lief. Lampen flackerten. Wasser oder andere Getränke im Restaurant des Zuges gabs schon früh keines mehr, weil dieses schnell ausverkauft war, wie eine Zugbegleiterin gegenüber einem Fahrgast sagte.

«Dieser Zug ist praktisch immer verspätet»

Marco S. (Name der Redaktion bekannt) erlebt solchen Unbill im Cisalpino nicht zum ersten Mal. Er benutzt den Zug jedes Wochenende; er arbeitet unter der Woche in Mailand und besucht am Weekend jeweils seine Freundin in Zürich. «Praktisch jedes Mal, wenn in den Cisalpino benutze, hat dieser Zug dreiviertel Stunden Verspätung.» Am Sonntag kam er nicht mehr nach Mailand, sondern übernachtete wieder in Zürich bei seiner Freundin. Was ihn am meisten nervte: «Es wurde fast gar nicht informiert. Das ist eine extrem schlechte Infopolitik der SBB.» Auch eine andere Passagierin ärgerte sich darüber: «Vor allem wurde man falsch informiert, aus sieben oder acht Minuten wurden fast eineinhalb Stunden.» Immerhin etwas Positives konnte sie der Situation abgewinnen: «Etwas Gutes hatte das trotzdem - man kommt mit neuen Mitmenschen ins Gespräch.» Den Fahrgästen verteilten die SBB Gutscheine im Wert von 25 Franken.

Die SBB reagierten gestern so auf den Vorfall: «Wir bedauern die Unannehmlichkeiten sehr, welche die Triebfahrzeugstörung gestern Abend im Zimmerbergtunnel für mehrere hundert Passagiere zur Folge hatte. Alle Betroffenen haben Rail-Checks erhalten. Was nicht geklappt hat, ist die Versorgung der Passagiere im Eurocity mit Tranksame. Das ist ein Fehler, den wir sehr bedauern und für den wir um Entschuldigung bitten», schrieb SBB-Sprecher Reto Schärli auf Anfrage von 20 Minuten. Es habe so lange gedauert, bis der Cisalpino abgeschleppt wurde, weil zuerst ein Interregio abgeschleppt werden musste, der den Zugang zum Tunnel blockiert habe. «Die Reisenden konnten dann auf den planmässigen Interregio mit Ziel Chiasso umsteigen. Für die rund 40 Reisenden mit Ziel Mailand stand dort ein Zug von Trenitalia für die Weiterreise bereit», so Schärli.

Harsche Kritik von Pro Bahn

Pro Bahn, die Interessenvertretung von ÖV-Kunden, reagierte gestern ebenfalls: Sie lobte zwar das Zugpersonal, das sich vorbildlich verhalten habe. Aber: «Dass die SBB zweieinhalb Stunden brauchen, um Passagiere aus einem Zug zu befreien, grenzt an Unfähigkeit.» Bereits vor etwas mehr als einem Monat habe sich im Zürichbergtunnel das gleiche Trauerspiel ereignet.

Cisalpino noch bis Ende 2015 im Einsatz

Und wie gehts weiter mit dem Cisalpino? Noch sind bei der Trenitalia 5 Cisalpini des Tipps ETR470 im Einsatz, die SBB besitzen noch deren vier. Die SBB setzt ihre ETR470 laut Schärli noch bis Ende 2014 ein, Trenitalia bis voraussichtlich Ende 2015. Damit die Züge einigermassen funktionieren, investiere Trenitalia 6 Mio. Fr. pro Zug in eine grosse Revision, die SBB wendeten rund 10 Mio. in ein Sanierungsprogramm auf. Dank diesen Investitionen würden die Züge «meist stabil» verkehren. «Dennoch freuen sich alle auf das neue Rollmaterial, die bestellten ETR610, welche ab Dezember 2014 auf der Nord-Süd-Strecke verkehren werden», sagt Schärli.

Bleibt zu hoffen, dass die Weichen für diese Pannenzüge Ende 2015 wirklich und endgültig in Richtung Schrottplatz gestellt werden.

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