Einheitskanton«Mit dieser Fusion wollen sie doch nur den Rheinfall»
Der Gemeindepräsident von Neuhausen am Rheinfall will alle 26 Gemeinden im Kanton Schaffhausen fusionieren. Die Idee kommt bei den Bewohnern gar nicht gut an.
«Die Stadt Schaffhausen möchte mit einem Einheitskanton doch nur, dass der Rheinfall ihr gehört», sagt Erna Bassi (64), Geschäftsführerin des Bistros Time-Out. «Die Gemeinden sollen eigenständig bleiben und nicht fusionieren.» Das ist die Meinung vieler Bewohner von Neuhausen am Rheinfall, die am Dienstag unterwegs waren. «Die Traditionen sind von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich und würden somit verloren gehen», sagt etwa eine Anwohnerin.
Grund für diese Aufregung ist das Postulat «Stadt und Land – Hand in Hand», das der Gemeindepräsident Stephan Rawyler vor vier Jahren eingereicht hatte. Damit möchte er die 26 Gemeinden des Kantons Schaffhausen verschwinden lassen und einen gemeindefreien Einheitskanton bilden, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Für die Schweiz wäre das eine Premiere.
Gemeindestrukturen sind veraltet
Denn laut Rawyler ist das Gemeindesystem veraltet: «Unsere Gemeindestrukturen stammen noch aus dem 19. Jahrhundert. Ich kenne kein Unternehmen, das heute gleich strukturiert ist wie vor 150 Jahren.» Heutzutage sei es schwierig, Personen für kommunale Ämter zu finden. Im Übrigen können die kleinen Gemeinden häufig die an sie gestellten Ansprüche nicht erfüllen. «Die lokalen Behörden sind dann gezwungen, den Kanton um Rat anzufragen. Das kann es ja nicht sein.» Den Leuten seien gute Dienstleistungen wichtig. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie vom Kanton oder der Gemeinde erbracht werden.
Diese Ansicht vertreten die anderen Gemeindepräsidenten jedoch nicht, wie der Verband der Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten des Kantons Schaffhausen (VGGSH) in einer Stellungnahme mitteilt. Sie beschreiben eine Fusion zum gemeindefreien Einheitskanton als «unhygienisch.» Dadurch ginge die «Identifikation der Bevölkerung mit ihrem Gemeinwesen» verloren. Zudem seien die Erwartungen in den einzelnen Gemeinden sehr unterschiedlich.
Im Frühjahr 2016 kann das Volk voraussichtlich entscheiden, wenn der Kantonsrat die Vorlage beraten hat. Es steht auch zur Debatte, die 26 Gemeinden zu rund zehn Grosskommunen zu fusionieren.
«Vielleicht können dank Fusion Steuersätze gesenkt werden»
Politologe Andreas Ladner ist skeptisch ab dieser Grossfusion: «Es ist immer schwierig, wenn man Gemeinden zusammenführt, die nicht zusammenpassen.» Er kennt zwar das Schaffhauser-Projekt nicht im Detail, eine solche Fusion kann für die Bürger sicher auch Vorteile haben: «Es kann Geld gespart werden, wenn man etwa Verwaltungen schliesst.» Vielleicht könnten so vereinzelte Steuersätze gesenkt werden: «Zudem ist es für so eine Grossgemeinde einfacher zu planen.» Sie könne etwa gegen die Zersiedelung vorgehen, indem sie grössere Einfamilienhausquartiere erschliesse und die Industrie konzentriere. Trotzdem könne man nicht alles zentralisieren, so Ladner: «In den ehemaligen Dörfern braucht es weiterhin Schulen und Leute, die sich um die Einwohner kümmern.»