Zürcher Justiz«Wir wollten geheim halten, wo Carlos ist»
Jugendstraftäter Carlos ist derzeit in Holland. Die Zürcher Justiz wollte dies geheim halten. Sie trat heute vor die Medien – und wies die Kritik am neuen Sondersetting zurück.
Man hat den Zürcher Justizdirektor Martin Graf schon besser gelaunt gesehen. Er und der Leitende Oberjugendanwalt Marcel Riesen-Kupper mussten sich am Donnerstagnachmittag wegen der neusten Enthüllungen im Fall Carlos rechtfertigen. Am Morgen war bekannt geworden, dass der verurteilte Jugendliche Carlos derzeit in Holland untergebracht ist – in einem luxuriösen Wellness-Hotel.
«Es reicht!», kommentierte die NZZ. Graf sei als Justizdirektor nicht «mehr tragbar», zumal er noch vor nicht einmal einer Woche sagte, man werde jetzt auf Luxuslösungen verzichten. Der Zürcher SVP-Präsident Alfred Heer sprach gegenüber 20 Minuten von einem «Schlag ins Gesicht».
Rücktritt für Graf kein Thema
Von einem Rücktritt wollte Graf an einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz nichts wissen. Er gab sich grosse Mühe, die neusten Vorwürfe zu entkräften: Carlos habe in Holland in einem Zimmer für umgerechnet rund 150 Franken pro Nacht gewohnt, er werde von zwei Mitarbeitern der Therapieeinrichtung Riesen-Oggenfuss begleitet und habe bis jetzt zwar Besuch von der Familie Beqiri, bei der er bisher Thaibox-Unterricht nahm, erhalten, aber noch keine einzige Thaibox-Stunde besucht. Keinen Rappen sei an die Beqiris geflossen.
Dass Carlos Aufenthaltsort bekannt geworden ist, war ihm merkbar unangenehm. Riesen-Kupper gab zu: «Wir haben gehofft, dass der Standort geheim bleibt.» Klar ist: Carlos ist bereits nicht mehr im Hotel. Ob die heutigen Medienberichte der Grund für seine Verlegung seien, wollte Riesen-Kupper nicht sagen. Auch nicht, wo er jetzt ist. Der 18-Jährige dürfte allerdings noch einige Zeit in Holland bleiben. Das sieht das Konzept fürs neue Sondersetting vor.
Zürich will Fall Carlos behalten
Mehrere Mitglieder der Familie Beqiri haben Carlos bereits in Holland besucht – und sollen das auch weiterhin tun können. Es sei wichtig, dass Carlos in einer ersten Phase des neuen Sondersettings Bezugspersonen um sich habe, erklärte Riesen-Kupper.
Dass Carlos nach Holland geht, haben Graf und Riesen-Kupper gewusst. Die Verantwortung für den ganzen Skandal weisen sie aber von sich. Graf sagt, die Oberjugendanwaltschaft sei fallführend. Oberjugendanwalt Riesen-Kupper ergänzte: «Der Jugendanwalt ist es.» Trotz allem wolle man den Fall bei der Zürcher Justiz behalten. Den Fall Carlos an einen anderen Kanton abzugeben, komme nicht in Frage. «Das ist zurzeit kein Thema», so Graf.
Hier können Sie die Pressekonferenz im Live-Ticker nachlesen: