22'000 Franken im Monat für Gewalttäter (17)

Aktualisiert

Teure Sonderbehandlung22'000 Franken im Monat für Gewalttäter (17)

Ein Zürcher Messerstecher erhält Thaibox-Stunden und Privatunterricht, leben darf er mit einer Betreuerin in einer 4-Zimmer-Wohnung. Monatliche Kosten: 22'000 Franken.

von
lüs

Schon im Alter von neun Jahren beging er die erste Straftat. Mittlerweile füllen die Missetaten des heute 17-jährigen Carlos ganze Ordner. Verurteilt wurde der Sohn eines Schweizers und einer Brasilianerin unter anderem wegen Raubs, Gewaltdelikten, Drohung, Waffenbesitzes und Drogenkonsums. Das schwerste Delikt war eine Messerattacke, die sein Opfer nur mit Glück überlebte. Der andere habe ihn provoziert, zugestochen habe er, weil sein Opfer keine Angst vor dem Messer gezeigt habe, begründet Carlos seine Tat in der Sendung «Reporter», die am Sonntag ein Porträt des Zürcher Jugendanwalts Hansueli Gürber zeigte und darin über den Fall Carlos berichtete.

Wohnung, Privatlehrer, Thaibox-Unterricht

Der gefährliche junge Gewalttäter lebt heute nicht etwa hinter Gittern. Er wohnt in einer Vierzimmer-Wohnung, die er sich mit einer Betreuerin teilt, die sich rund um die Uhr um ihn kümmert. Seine Zeit verbringt Carlos vor allem mit Thaibox-Training bei einem zehnfachen Weltmeister. Er träumt davon, Profikickboxer zu werden – und wird darin von der Jugendanwaltschaft unterstützt. Er glaube nicht, dass Carlos durch den Thaibox-Unterricht noch gefährlicher werde, so Jugendanwalt Gürber. «Er verändert sich zum Positiven.»

Die Betreuung von Carlos, die von einem Team von zehn Personen wahrgenommen wird, kostet viel: Es sind monatlich 22'000 Franken. Doch das ist offenbar noch wenig im Vergleich zu früher: «Er hat auch schon doppelt so viel gekostet», so Gürber. Zudem sei dies «gut investiertes Geld». Denn Carlos sei auf einem guten Weg und nicht mehr straffällig geworden. Auch eine Lehre möchte ihm die Jugendanwaltschaft ermöglichen. Doch dagegen sträubt sich Carlos: Eine Ausbildung sei mit seinem Thaibox-Training nicht unter den Hut zu bringen, findet er. «Sonst könnte ich ja nur am Morgen oder am Abend trainieren.»

«Wir sind zu Recht mild»

Jugendanwalt Gürber ist zufrieden mit der Entwicklung von Carlos. Doch seine Vorzugsbehandlung schlägt hohe Wellen. Das sei «Sozialwahn», titelte der «Blick» am Dienstag. Den Vorwurf, er betreibe Kuscheljustiz, nimmt Gürber allerdings gelassen. «Wir sind zu Recht mild», sagt er im «Reporter»-Film. Repression sei zwar auch nötig, doch danach müsse noch etwas anderes kommen. «Wenn wir Jugendliche nur bestrafen, haben wir schliesslich einfach Verbrecher.»

Betreuung kostet sogar 29'000 im Monat

Marcel Riesen-Kupper, Oberjugendanwalt des Kantons Zürich, korrigiert im Interview mit 20 Minuten die Kosten für den Fall Carlos von 22'000 auf 29'000 Franken im Monat. Riesen-Kupper relativiert aber: Die Betreuung des Jugendlichen sei nicht teurer als Alternativen.

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