Zürcher Gammelhäuser«Drogensüchtige liegen im Lift und im Treppenhaus»
Die Polizei ging vor einem Jahr mit einer Razzia gegen Mietwucher in drei Häusern im Kreis 4 vor. Heute berichten Anwohner von noch schlimmeren Zuständen.
Das sagen Anwohner ein Jahr nach der Razzia zu den Problemliegenschaften. (Video: jen/ced)
Kakerlaken, Uringeruch, alles ist dreckig und kaputt: Vor einem Jahr gerieten zwei Häuser an der Neufrankengasse und eines an der Magnusstrasse im Kreis 4 in die Schlagzeilen. Die Polizei ging mit einer Grossrazzia gegen mutmasslichen Mietwucher vor und verhaftete vier Personen.
Einer davon war Liegenschaftsbesitzer Peter S.. Gegen ihn läuft ein Verfahren wegen Mietwucher. Dieses sei bis heute hängig, sagt Muriel Tièche, Sprecherin der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich. «Über den Abschluss des Verfahrens können zurzeit keine Prognosen getroffen werden», sagt sie weiter.
Geräumt und gekündigt
Sherry Weidmann von der Real Estate Solutions GmbH verwaltet die Liegenschaften. In der Öffentlichkeit stellte er immer wieder klar: «Mit der Fertigstellung der Europaallee werden die Liegenschaften totalsaniert und damit aufgewertet.»
Doch heute sagt Weidmann: «Die Liegenschaften werden verbarrikadiert. Zu gegebener Zeit informieren wir über das weitere Vorgehen.» Man habe allen Mietern an der Neufrankengasse auf Ende Jahr gekündigt und die Magnusstrasse bereits im Juni geräumt.
Einige Anwohner berichten aber, dass sie bis heute keine schriftliche Kündigung von der Verwaltung erhalten hätten. Dementsprechend würden sie nicht wissen, ob sie tatsächlich Ende Jahr ausziehen müssten.
Sozialhilfebezüger finden keine neue Wohnung
Die meisten Mieter, die sich ein neues Zuhause suchen müssen, sind Sozialhilfebezüger. Vor Ort berichten viele Bewohner, dass es für sie fast unmöglich sei, ein neues Zuhause in Zürich zu finden: «Ich habe bereits 80 Bewerbungen geschrieben und noch nichts gefunden», sagt Rafigun Rahman. Auch andere haben Mühe mit der Wohnungssuche: «Es ist schwierig, etwas in Zürich zu finden, vor allem, wenn man Ausländer ist», sagt ein Bewohner, der anonym bleiben möchte.
Michael Rüegg, Kommunikationsleiter des Sozialdepartements der Stadt Zürich, bestätigt, dass es schwierig sei, in der Stadt eine Wohnung zu finden. Als Folge davon sei es immer wieder vorgekommen, dass neue Sozialhilfebezüger in die Problemliegenschaften zugezogen seien.
«Noch schlimmer als vor einem Jahr»
Seit einem Jahr habe sich auch die Situation im Haus geändert. Rüegg sagt: «Die grosse Reinigungsaktion hat vorübergehend zu einer verbesserten Situation geführt.» Auch Verwalter Weidmann findet, dass die Zustände seit der Razzia besser geworden seien: «Es ist viel aufgeräumter.»
Ein Augenschein vor Ort zeigt aber ein anderes Bild. Wenn man die Liegenschaften betritt, stinkt es nach Urin. Die Treppenhäuser sind heruntergekommen, voll von Zigarettenstummeln, ausgerissene Türen stehen im Gang, der Lift funktioniert nicht –und die Wände sind versprayt.
Viele Bewohner sagen gar, dass die Zustände sich verschlimmert hätten. Dazu kommt noch, dass die Mieten, die schon damals als Wucher bezeichnet wurden, laut einigen Anwohnern seit dem letzten Jahr um rund 100 Franken gestiegen sind.
«Es ist ein Platzspitz in vier Wänden»
Aber auch das Problem mit den Drogendealern habe sich seit der Razzia verschärft – dies, weil die Eingangstür nicht mehr abgeschlossen werde. «Drogensüchtige liegen im Treppenhaus, im Lift und in den Gängen», so ein Bewohner.
Laut Verwalter Weidmann sind die Liegenschaften «halt immer noch ein Platzspitz in vier Wänden». Die Drogendealer und Prostituierten bringe man nicht ohne Weiteres raus. «Das wird bis zum letzten Tag so bleiben.»