Schlaflose KinderImmer mehr Kinder können nicht schlafen
Handys, iPads, Ritalin und zerrüttete Familienverhältnisse bringen die Schweizer Kinder um den Schlaf. Die Folgen sind alarmierend.

Anstatt dass Eltern ihren Kindern beruhigende Gutenachtgeschichten vorlesen, drücken sie ihnen nicht selten einen Ipad mit «Einschlaf-Apps» in die Hand.
Sie wälzen sich im Bett, erwachen immer wieder oder rufen ihre Eltern: Die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Schlafproblemen steigt rasant. Die Klinik für Schlafmedizin in Bad Zurzach verzeichnet vier Mal mehr minderjährige Patienten als noch vor zwei Jahren. In der Schlafsprechstunde des Kinderspitals Ostschweiz sind die Beratungen in den letzten fünf Jahren um 15 Prozent angestiegen. Der Berner Kinderneurologe Silvano Vella schätzt, dass etwa zehn Prozent der Schweizer Kinder unter Schlafstörungen leiden: «Noch vor zehn Jahren waren es halb so viele.» Schweizweit sind etwa 160000 Kinder und Jugendliche betroffen. Laut Experten geht der Anstieg neben der wachsenden Sensibilisierung auf verschiedene Faktoren zurück:
- Elektronische Geräte: Das LED-Licht der Computer, TV haltet Kinder wach. Ausserdem chatten Jugendliche oft bis spät in die Nacht mit ihren Smartphones – nicht selten heimlich unter der Bettdecke. Gamen Kinder vor dem schlafengehen, putscht sie das zusätzlich auf. Und anstatt dass Eltern ihren Kindern beruhigende Gutenachtgeschichten vorlesen, greifen sie nicht selten zu «Einschlaf-Apps» auf dem iPad.
- Essen: Viele Kinder essen üppig und unregelmässig, was das Einschlafen verzögert. Auch der Konsum von Energydrinks ist kontraproduktiv.
- Ritalin: Immer mehr Kinder bekommen Ritalin, das Einschlafprobleme auslösen kann.
- Instabile Familienverhältnisse: Vielen Kindern fehlt eine Bezugsperson, die sie rechtzeitig ins Bett bringt. Familiensorgen erschweren das Einschlafen zusätzlich.
- Schule: Die Schule beginnt zu früh, was den Biorhythmus von Jugendlichen durcheinander bringt und zu Schlafschwierigkeiten führt. Auch der wachsende schulische Druck beschäftigt Kinder bis spät in die Nacht.
- Vereine: Sportaktivitäten finden zunehmend abends statt. Viele Kinder brauchen länger, bis sie danach wieder zur Ruhe kommen.
Die Folgen sind gravierend: «Die betroffenen Kinder leiden häufiger unter Lernstörungen, Aggressivität und Übergewicht», so Kinderneurologe Silvano Vella.
(Mitarbeit: MMI)

Herr Hasselmann*, immer mehr Kinder können schlecht schlafen. Was sind die Folgen?
Oswald Hasselmann: Die Betroffenen leiden häufiger unter Konzentrationsstörungen, Unruhe und Gewichtszunahme. Gerade das Übergewicht ist ein Riesenproblem.
Wie kommt es dazu?
Wer zu wenig schläft, versucht mit Essen seine Müdigkeit zu kompensieren. Ein voller Bauch kann wiederum zu einem schlechtem Schlaf führen das ist ein Teufelskreis.
Was kann man gegen Schlafprobleme bei Kindern tun?
Eltern und Kinder sollten ihr Verhalten ändern. Es kann schon helfen, wenn Eltern ihren Kindern vor dem Einschlafen vorlesen statt ihnen einen Ipad in die Hand zu drücken. Für die Jugendlichen sollten der Unterricht zudem eine Stunde später beginnen. Es fällt ihnen aufgrund ihres Biorhythmus schwer, früh einzuschlafen. Dadurch sind sie am nächsten Morgen müde und weniger leistungsfähig. som
*Oswald Hasselmann ist Leiter der Schlafsprechstunde am Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen.