Bier getrunken – Vorladung wegen Landfriedensbruch

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TanzdemoBier getrunken – Vorladung wegen Landfriedensbruch

Ein 35-jähriger Mann wurde nach der Tanzdemo in Winterthur wegen Landfriedensbruch vorgeladen, obwohl er nicht gewalttätig gewesen sei. Anwälte kritisieren das Vorgehen.

von
wed

93 Verhaftungen, 11 Verletzte und mehrere Tausend Franken Sachschaden – die Tanzdemo Standortfucktor sorgte am 21. September für wüste Szenen in der Stadt Winterthur. Rund 400 Demonstranten versammelten sich beim Hauptbahnhof und wollten tanzend durch die Stadt ziehen, um sich für Freiräume einzusetzen. Ein 35-jähriger Mann war ebenfalls beim Hauptbahnhof. Nach einem Fussballspiel des FC Winterthur trank er mit seinen Kollegen noch ein Bier am Rande der Demo. Um 22 Uhr verliess er den Anlass wieder, ohne von der Polizei kontrolliert zu werden. Von den Ausschreitungen und den Verhaftungen erfuhr er erst im Nachhinein.

Anfang Dezember dann die grosse Überraschung: Der Mann erhielt eine Vorladung von der Kantonspolizei Zürich wegen Landfriedensbruch. «Der Polizist zeigte mir mehrere Fotos und Videos, auf denen ich am Rande der Veranstaltung friedlich ein Bier trinke», sagte er dem «Landboten». Man habe ihn auf den Bildern markiert und darüber sei der Name des Geschäfts, in dem er arbeite, gestanden – ein Laden in der Altstadt. Offenbar habe ihn ein Beamter erkannt.

«Tatbestand ist ein Gummiparagraf»

Obwohl er sich nicht gewalttätig gezeigt und auch niemanden bedrohte habe, wurde das Dossier an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Bei einer Verurteilung wegen Landfriedensbruch würden ihm gar bis zu drei Jahren Haft drohen. Rechtsanwalt Stephan Bernard spricht gegenüber dem «Landboten» von einem Gummiparagrafen. Der Tatbestand des Landfriedensbruchs sei hochproblematisch und bedrohe die Demonstrationsfreiheit: «Er ist so offen formuliert, dass es ihn in einem rechtsstaatlichen Strafrecht in einer Form nicht geben dürfte.» Auch Jurist Marcel Bosonnet bestätigt, dass die Polizei und Gerichte den Tatbestand immer ausgedehnter anwenden.

Ob der Beschuldigte tatsächlich verurteilt wird, ist derzeit noch offen. Er selber rechnet mit einer Busse von einigen Hundert Franken. Die Anwälte Bernard und Bosonnet sind sich aber einig, dass der Fall einer Beurteilung durch ein höheres Gericht nicht standhalten würde.

Hat die Polizei auch Sie nach der Tanzdemo vorgeladen, obwohl Sie gar nichts gemacht haben? Schreiben Sie uns auf feedback@20minuten.ch

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