«Den Tätern ist die Kontrolle entglitten»

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Vierfachmord in Rupperswil«Den Tätern ist die Kontrolle entglitten»

Der Vierfachmord von Rupperswil ist noch immer ungelöst. Ein erfahrener Kriminalkommissär glaubt nicht an erfahrene Täter.

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Die Aargauer Staatsanwaltschaft und die Polizei gaben am 13. Mai 2016 eine Pressekonferenz.
Sie gaben bekannt, dass sie den Täter gefasst haben: Einen 33-jährigen Schweizer. Der Student hatte ein sexuelles Motiv: Er wollte sich am jüngeren Sohn von Carla S. vergehen.
Er bedrohte die Familie und zwang die Mutter, für ihn Geld abzuheben. Dann verging er sich am jüngeren Sohn. Am Ende schnitt er den vier Opfern die Kehlen durch: Die Polizei fand bei einer Hausdurchsuchung am Donnerstag, 12. Mai 2016 einen Rucksack mit Fesselungsmaterialien sowie eine alte Armeepistole. Der Mann hatte seine nächste Tat bereits geplant.
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Die Aargauer Staatsanwaltschaft und die Polizei gaben am 13. Mai 2016 eine Pressekonferenz.

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Acht Tage nach dem Vierfachmord in Rupperswil gibt es noch keine Verhaftung – der oder die Täter sind noch auf freiem Fuss. Laut dem Aargauer Oberstaatsanwalt Philipp Umbricht sind zwei Tatabläufe möglich: Die vier Opfer wurden umgebracht, und das Haus wurde angezündet, nachdem die Frau zum zweiten Mal vom Geldabheben zurückkam. Oder drei der vier Opfer waren schon tot, als die Frau – das vierte Opfer – das zweite Mal Geld abhob.

Markus Melzl war 39 Jahre im Dienst der Basler Staatsanwaltschaft. Er gibt im Interview mit der «Basler Zeitung» seine Einschätzung zum Fall ab: Es spreche vieles dafür, dass den Erpressern die Kontrolle entglitten sei. «Irgendetwas Unplanmässiges muss vorgefallen sein.» Ein Zwischenfall müsse sie aus dem Konzept gebracht haben «und im Sinne der Chaostheorie brach alles zusammen». Er glaube an jüngere, unerfahrene Kriminelle.

Täter überrascht?

Eine vorstellbare Variante könne laut Melzl sein, dass beispielsweise die Täter den jüngeren Sohn als Geisel zurückbehalten haben, während die Mutter das Geld holte. In der Zwischenzeit könnte der ältere Sohn mit seiner Freundin heimgekommen sein und damit die Geiselnehmer überrascht haben.

Die Mutter Carla S. wurde gefilmt, wie sie kurz vor ihrem Tod bei zwei Banken Geld abhob – die Vermutung liegt nahe, dass sie dies unter Zwang tat. Laut Markus Melzl werden Opfer in solchen Fällen oft von den Tätern begleitet, wie er der «Basler Zeitung» sagt. «Vielleicht beobachtete sie einer der Täter von einer Strassenecke aus, wie sie bei den Bankautomaten Geld bezog. Oder man folgte ihr mit dem Auto.» Vorstellbar sei auch, dass die Täterschaft im Fahrzeug der Frau mitfuhr.

Wortkarge Mutter

Die Polizei werte deshalb immer sämtliche Radaranlagen aus, da gestresste Opfer oder Täter häufig zu schnell unterwegs seien. Melzl: «Ein Radarfoto wäre natürlich ein Volltreffer: Es würde Angaben über Fahrzeug, Fahrzeugnummer und vor allem Insassen liefern.»

Spekulationen gibt es auch über den Tatzeitpunkt. Die Morde geschahen am Montagmorgen, möglich ist laut Nachbarn auch, dass die Täter seit Sonntagabend im Haus der Opfer waren. Eine Freundin der Mutter holte das Hündchen der Familie ab und soll sich laut einer Nachbarin über das wortkarge Verhalten der Mutter gewundert haben.

Wie sie dem «Blick» sagt, soll Carla anders als sonst die Tür nur einen Spalt geöffnet haben, sei ungeschminkt und äusserst wortkarg gewesen. «Sie soll nur schnell den Hund übergeben und die Tür gleich wieder zugemacht haben», sagt die Nachbarin.

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