Wegwerfgesellschaft Schweiz«Was im Müll landet, ist teils originalverpackt»
Schweizer sind die drittfleissigsten Müllproduzenten weltweit. Dabei landen Produkte im Abfall, die noch tadellos funktionieren, wie ein Besuch in einer Recyclingfirma zeigt.
«Es tut einem weh, wenn man das sieht.» (Video: Murat Temel)
Pro Kopf gesehen ist die Schweiz der drittgrösste Abfallproduzent der Welt. Ein Besuch bei der Firma Maag Recycling in Winterthur bestätigt: Der Müll türmt sich regelrecht zu Bergen auf. Vom Joghurtbecher bis zum Topcomputer nimmt Maag alles entgegen. Dabei landen auch Produkte im Abfall, die an sich noch voll funktionstauglich sind.
«60 Prozent der abgegebenen Computer und Fernseher sind intakt und unbeschädigt. Zum Teil landen Geräte bei uns, die sogar noch originalverpackt sind», sagt Recyclist Stefan Bender. Pro Tag beseitigt Maag Recycling durchschnittlich drei grosse Container voller Elektroschrott. Bender findet das bedenklich: «Es tut einem weh, wenn man das sieht.»
«Die Leute haben immer dieselben Ausreden»
Damit ist er nicht allein. Eine aktuelle Umfrage des Schweizerischen Konsumentenforums (KF) zu den grössten Sorgen der Bevölkerung zeigt, dass viele Schweizer ihr Konsumverhalten kritisch hinterfragen. 47 Prozent gaben an, sie störe die immer kürzere Lebensdauer von Produkten sehr. Ein Problem, das auch Bender kennt: «Viele Produkte sind billig, haben eine kurze Garantiedauer und verhältnismässig hohe Reparaturkosten.»
Finanziell lohne sich ein Neukauf deshalb meist mehr und Produkte, die teils nicht einmal ein Jahr alt seien, landeten auf dem Müll. «Anfänglich habe ich die Leute noch gefragt, weshalb sie praktisch neuwertige Produkte wegwerfen. Mittlerweile habe ich das aufgegeben», sagt Bender.
Denn als Antwort habe er immer dieselben Ausreden erhalten: Das Büro sei geräumt worden oder beim Gadget handle es sich nicht mehr um das neuste Modell. «Häufig merke ich auch, dass es den Leuten einfach egal ist», so der Recyclist. «Damit sich etwas ändert, müsste ein Umdenken stattfinden.» Er spricht Alternativen wie Brockenhäuser und Second-Hand-Geschäfte an.
Girod fordert «Abfallwende»
Laut Nationalrat Bastien Girod (Grüne) fehlen dafür aber oft die Anreize, denn die Entsorgung sei meist einfacher und lukrativer als die Wiederverwertung. Das Problem könne man nur lösen, wenn die Unternehmen in die Pflicht genommen würden. «Billigprodukte werden massenweise in China produziert und später in der Schweiz verbrannt. Wir müssen wieder mehr zur Qualität finden», sagt Girod.
Nach seinen Erfahrungen sei die Bevölkerung grundsätzlich motiviert, mitzuhelfen. Nun müsse dringend auf politischer Ebene etwas geschehen. Girod: «Die Schweiz braucht nicht nur eine Energiewende, sondern auch eine Abfallwende.»
Unternehmen präsentiert Lösung
Einen ersten Schritt in diese Richtung hat Heinz Martin getan. Er ist Inhaber von smiples.ch, einem Unternehmen, das sich der Wiederverwertung verschrieben hat. «Wir nehmen ausrangierte Elektroprodukte von Grosskonzernen entgegen und verarbeiten oder reparieren diese», sagt er. Die Geräte werden dann zum Beispiel über Ricardo an jene weiterverkauft, die sich keine neuwertigen Produkte leisten können.

Neue Kampagne lanciert
Neue Kampagne lanciert
Swiss Recycling lanciert unter dem Slogan «Alle machen mit!» eine neue Sensibilisierungskampagne für die Separatsammlung und das Recycling. Die Organisation will die Schweizer Bevölkerung darauf aufmerksam machen, wie die Wiederverwertung von Wertstoffen Ressourcen schont, Energie spart, CO2 reduziert und dadurch wertvolle Sekundär-Rohstoffe schafft.
Weitere Informationen unter: www.alle-machen-mit.ch