Protest in ZürichMittellose sollen in Luxus-Lofts ziehen
Leere Wohnungen finden in Zürich normalerweise innert Stunden einen Abnehmer. Bei einer Luxus-Überbauung ist jedoch jede fünfte Wohnung verwaist. Aktivisten wollen das ändern.
Zürich ist die Stadt der Banken, der Partyszene – und der Wohnungsnot. Keine Schweizer Stadt kennt eine derart tiefe Leerwohnungsziffer. Wird ein Mietobjekt öffentlich ausgeschrieben, stehen die Interessenten nicht selten vom dritten Stock bis auf die Strasse Schlange.
Nicht so in unmittelbarer Nähe des Letzigrunds, der Heimstätte der beiden Fussballklubs: In der Überbauung City4 stehen von 119 Wohnungen derzeit 24 leer, also fast 20 Prozent. Wie man der Homepage entnehmen kann, haben insbesondere die flächenmässig grosszügigen Ein- und Zweieinhalbzimmerwohnungen noch keinen Abnehmer gefunden. Preis: Rund 2700 bis 3000 Franken pro Monat.
Zuviel für die Künstler-Gruppe «Pink Pudel» – aber Grund genug für eine Protest-Aktion der radikalen Art. Ihr Vorsteher, der ehemalige Banker Roland Wagner, hat sich in eine der Luxuslofts eingemietet. Nicht ohne Hintergedanken: Unter dem Vorwand, in den leerstehenden Wohnungen ein PR-Fotoshooting durchführen zu wollen, hat sich Wagner von der Verwaltung einen Passepartout-Schlüssel geben lassen. Doch statt dem Foto-Drucker ratterte die Schlüssel-Kopiermaschine eines Bekannten. Wagner hat gemäss eigener Aussage nun Zugang zu sämtlichen 24 leerstehenden Wohnungen. Und – geht es nach ihm – schon bald 24 neue Nachbarn.
Armen-Casting inkl. Party
Am Samstag veranstaltet «Pink Pudel» ein öffentliches Casting im City4. Einzige Bedingung, um als zukünftige «Mieter» in Frage zu kommen: Die Interessenten müssen «arm» sein. «Wir werden eine Vorprüfung vornehmen, um Missbrauch zu verhindern», sagt Wagner. Eine rauschende Party soll am Abend die Veranstaltung abrunden.
Swisscanto, die Anlagestiftung der Kantonalbanken und Besitzerin der Immobilie, zeigt sich auf Anfrage völlig überrascht ob der Pläne. «Wir wussten nichts von diesen Schlüssel-Kopien», sagt Sprecher Roman Kappeler. Es handle sich um eine strafbare Handlung und man werde nicht tatenlos zusehen: «Wir werden verhindern, dass sich jemand Zugang zu den leeren Wohnungen verschafft.» In welcher Form dies geschehe, sei noch in Abklärung.
«Freier Markt reguliert»
«Pink Pudel» hat es aber auch auf die Stadt Zürich abgesehen: «Solche Mietpreise können sich nur Gutbetuchte leisten. Die Stadt muss aktiver gegen diese schädliche Entwicklung vorgehen», so Wagner. Der Stadtrat weist die Kritik zurück: «Die soziale Durchmischung ist ein Kernanliegen der Stadt, aber im obersten Preissegment haben wir keine Handhabe, etwas zu unternehmen. Das wird vom freien Markt reguliert», sagt die Informationsbeauftragte Christina Stücheli. Im tiefen und mittleren Segment habe man ein grosses Angebot an städtischen Mietobjekten und fördere den genossenschaftlichen Wohnungsbau.
Die Swisscanto ihrerseits findet die Preise ihrer Wohnungen marktgerecht: «Wir investieren hauptsächlich Gelder von Pensionskassen. Immobilien sind dabei ein wichtiges Anlageinstrument und müssen eine gewisse Rendite abwerfen», so Kappeler. Dass rund ein Fünftel der City4-Wohnungen noch freisteht, sei nicht weiter beunruhigend: «Sie konnten erst ab 1. März 2012 bezogen werden. Wir sind im Fahrplan.»