Zürcher verschmähen Gratis-Gemüse

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ZürichZürcher verschmähen Gratis-Gemüse

Die Stadt Zürich rief dazu auf, das Gemüse, das in diesem Jahr in den Blumenrabatten gezogen wurde, zu ernten. Doch die meisten Passanten rümpften am Erntetag nur die Nase.

von
som

Randen, Federkohl und Mangold gabs am Donnerstag in Zürich haufenweise gratis. Allerdings musste man es zuerst in den öffentlichen Rabatten ernten, wo die Stadt Zürich dieses Jahr Gemüse statt Blumen pflanzte. Da immer wieder Anfragen kamen, ob man dieses mitnehmen dürfe, erlaubte es Grün Stadt Zürich am 2. Oktober - man rechnete damit, dass die Beete schnell leergeräumt sein würden.

Irrtum: Beim Augenschein vor Ort stürzte sich weder am Stadelhofenplatz noch am Bürkliplatz oder beim Hauptbahnhof am Donnerstagmorgen jemand auf das Gemüse. Viele rümpften nur die Nase. «Mitten in der Stadt bepinkeln es doch die Hunde und dann noch die ganzen Abgase», hiess es. Nicht einmal die Randen nahmen die Passanten beim Utoquai mit, die die Gärtner schon ausgegraben und extra für die Bevölkerung bereitgelegt hatten. «Wir haben das Gemüse über den Sommer so gut gepflegt, und das ohne Spritzmittel», so Gärtner Samet Rexhepi. Nun müsse er es wohl wegwerfen.

Leute gehen wohl lieber in den Supermarkt

Lukas Handschin, Sprecher von Grün Stadt Zürich, kann über das mangelnde Interesse nur mutmassen: «Die Leute sind es sich nicht gewohnt, dass man die Pflanzen in der Stadt essen kann.» Die Sorten in den Beeten würden wohl viele auch nicht kennen: «Palm- oder Federkohl sind im Supermarkt eher selten im Angebot.» Zudem gebe es in der Stadt bereits viele Plätze, wo Interessierte gärtnern könnten: «Der Rest kauft das Gemüse wohl lieber gebürstet und vakuumverpackt ein, anstatt sich zu bücken und in der Erde zu buddeln.» Das Argument, dass dieses in der Innenstadt mit Abgasen und Hunde-Urin verschmutzt sei, lässt Handschin nicht gelten: «Im Laden weiss man ja auch nicht, durch wie viele Hände das Gemüse gegangen ist und wie es behandelt wurde.»

Nächstes Jahr werden die Stadtzürcher Beeten übrigens nicht mehr essbar sein. Laut Handschin hat das aber nichts mit dem geringen Erfolg des Erntetages zu tun: «Das Gemüse war ja ursprünglich nur als Zierde gedacht. Dass man es ernten darf, haben wir spontan letzte Woche entschieden.»

Gemüse auf dem Sechseläutenplatz

Gemüse in der Zürcher Innenstadt wurde bereits im zweiten Weltkrieg angebaut; so etwa auf Sportplätzen, vor der Tonhalle und sogar auf dem Sechseläutenplatz. Allerdings hätte es damals kaum jemand weggeworfen. Denn mit dem Gemüse wollte man keine öffentlichen Beeten verzieren, sondern verhindern, dass die Bevölkerung unter Hunger leiden musste.

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