VerurteiltTrudi O. (92) - die wohl älteste Diebin der Schweiz
Kaum zu glauben: Eine 92-jährige Stadtzürcherin wurde vor Gericht schuldig gesprochen, weil sie in einer Coop-Filiale zwei Ragusa-Schokoladenriegel gestohlen hatte.

Langfinger am Werk: Die 92-jährige Trudi O. hat in einer Coop-Filiale zwei Schokoladenriegel der Marke Ragusa gestohlen.
Es ist die wohl älteste je verurteilte Person in Zürich: Trudi O. (Name geändert) ist 92 Jahre alt und wurde zum ersten Mal in ihrem Leben verurteilt. Laut einem kürzlich eröffneten Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl hat die erstaunlich gediegen gekleidete Dame im letzten Januar in der Coop-Filiale an der Bahnhofbrücke im Kreis 1 zwei Riegel Schokolade der Marke Ragusa zu je vier Franken gestohlen.
Zudem hat sie laut Anklage ein bereits schriftlich erlassenes Hausverbot missachtet. Gemäss dem nun rechtskräftig gewordenen Entscheid wurde die an bester Lage im Kreis 1 wohnhafte Rentnerin wegen Diebstahl sowie Hausfriedensbruch zu einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu 40 Franken, also 400 Franken, sowie zu einer Busse von 300 Franken verurteilt.
Unschuld beteuert
«Ich werde diese Coop-Filiale nie wieder betreten», wetterte die rüstige, 1922 geborene Seniorin am Dienstag auf Anfrage bei einer Tasse Kaffee. Sie habe lediglich zwei Riegel Ragusa kaufen wollen und sei versehentlich auf eine nicht besetzte Kasse gestossen, erinnerte sich Trudi O. Als sie zu einer anderen Kasse habe wechseln wollen, hätten sie Angestellte der Filiale einfach als Diebin bezeichnet, beteuerte sie ihre Unschuld. «Auf jeden Fall werde ich die Busse nicht bezahlen», führte sie sichtlich empört aus. Auf die Frage, weshalb sie bereits vor dem eingeklagten Diebstahl ein Hausverbot erhalten habe, gab sie allerdings keine Antwort.
Laut Coop schon früher Fleisch gestohlen
Eine Nachfrage bei der betreffenden Filiale ergab, dass die Frau schon Ende 2013 erstmals als Diebin aufgefallen sei. «Wir hätten zuerst nie gedacht, dass die gepflegt gekleidete Dame etwas stehlen würde», erklärte ein Filialleiter, der die Beschuldigte erstmals als Langfinger erwischt hatte. So habe die Frau plötzlich teure Filetstücke in ihre Handtasche gesteckt und an der Kasse vorbeigeschmuggelt. Er habe sie kurz darauf angesprochen und die Beute sichergestellt. Sie habe erklärt, dass sie das Fleisch in ihrer Tasche vergessen habe. Man habe damals aufgrund des hohen Alters der Beschuldigten auf eine Anzeige wegen Diebstahls verzichtet, erklärte der Coop-Mitarbeiter.
Allerdings habe man sie nach einem weiteren Vorfall mit einem schriftlichen Hausverbot belegt. Jedoch ohne Wirkung, da sie im Frühjahr 2014 trotz Hausverbot erneut auftauchte und die Ragusa-Riegel einsteckte. Diesmal erstattete die geschädigte Lebensmittelkette Strafanzeige.
Freiheitsstrafe droht
Fest steht: Die betagte Rentnerin hat die Frist zur Einsprache gegen den Strafbefehl verpasst. Der Entscheid gilt damit als rechtskräftig, was bedeutet, dass der hochbetagten Zürcherin sogar ein Aufenthalt im Gefängnis drohen könnte. Bei Nichtbezahlung der Busse kündigt der Strafbefehl nämlich eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen an. Ein wahrlich bewegter Lebensabend einer Zürcher Seniorin, die es sehr spät im Leben mit der Strafjustiz zu tun bekam.