«Da ist bei mir etwas im Kopf geplatzt»

Aktualisiert

Doppelmord von Pfäffikon«Da ist bei mir etwas im Kopf geplatzt»

Auf offener Strasse erschoss Shani S. seine Ehefrau Sadete und die Sozialamtschefin Daniela H. Vor dem Bezirksgericht spricht der angeklagte Kosovare von finanziellen Problemen und der Trennung von seiner Frau.

Der 60-jährige Shani S.* steht heute vor dem Bezirksgericht Pfäffikon. Seine kaltblütige Hinrichtung zweier Frauen hatte im August 2011 schweizweit für Schlagzeilen gesorgt. Der Kosovare schoss damals am helllichten Tag zuerst auf seine Frau Sadete S.* und tötete sie mit drei Schüssen in den Kopf. Anschliessend lauerte er der Leiterin des Sozialamts auf und streckte auch sie nieder.

Am heutigen Montag sitzt der Angeklagte nun still auf seinem Stuhl, wirkt eingeschüchtert und zurückhaltend. Er trägt einen grauen Anzug und ein blaues Hemd. Seine grauen Haare sind frisch geschnitten, der Bart gestutzt. Er blickt durch seine Brille die vorsitzende Richterin Yvonne Mauz an.

Bei der Befragung sagt er der Richterin: «Es geht mir gut, aber ich habe Angst und ich schäme mich.» Die Probleme mit seiner Frau hätten gemäss seinen Aussagen 2008 begonnen. Seine Frau habe sich von ihm entfernt, weil er keinen Geschlechtsverkehr mehr haben konnte. Es gab auch finanzielle Probleme, wie Shani S. sagt.

Streit mit der Sozialhilfe

Mit der Sozialhilfe hatte er sich um Geld gestritten. Er bakam keines mehr, weil er zurück in den Kosovo gegangen war. Nicht einmal mehr seine Wohnung konnte er bezahlen. «Wegen 1'400 Franken kam es soweit», sagt Shani S. dem Gericht.

Am Morgen des Tattages hatte er Kontakt mit seinem Anwalt wegen der Trennung mit seiner Frau. Als der Anwalt ihm sagte, das die Rechtsschutzversicherung für die Trennung nichts bezahlen werde, sei ihm etwas «im Kopf geplatzt.» Was danach geschah, will Shani S. nicht mehr wissen. «Meine Kopf funktionierte nach einem eigenen Schema, ohne dass ich weiss, was ich getan habe.

Immer wieder Gewalt gegen Frau und Kinder

Die Richterin will wissen, ob er seine Kinder geschlagen habe, wenn sie nicht folgten. Darauf sagte er: «Nicht sofort. Ich habe ihnen zuerst die Regeln aufgezeigt. Nachdem die Probleme immer grösser wurden, habe ich die Beherrschung verloren. Dann ist es dazu gekommen, dass ich die Kinder geschlagen habe.» Er habe aber nur selten zugeschlagen. Die Kinder sagten laut der Richterin aber aus, dass sie täglich geschlagen wurden.

Am 15. Juni 2011 sei es zu einem folgenschweren Streit zwischen Shani S. und seiner Frau gekommen, bei dem Sadete ihm gesagt haben soll, er sei wie ein Irrer geworden. Da habe er eine Schere genommen und sie damit ungewollt verletzt. «Ich wollte, dass sie mich in Ruhe lässt, ihr Angst einjagen», sagte Shani S. vor dem Gericht. Wieso er seine Frau mit der Schere geschnitten habe, wollte die Richterin Yvonne Mauz wissen. «Ich weiss es nicht, ich konnte mich nicht beruhigen.»

Im Kosovo machte man sich lustig über ihn

Shani S. wirkt sehr verbittert. Er scheint immer noch wütend auf seine Kinder und seine ganze damalige Situation zu sein. Er redet nur sehr leise, Fragen rund um seine Schuld weicht er aber eher aus. Seine Frau habe ihm immer wieder gesagt, dass er kein Mann mehr sei (weil er keinen Sex mehr haben konnte, Anm. d . Red.). Der IV-Rentner war in den letzten Jahren meist zu Hause, betete oder ging in die Moschee. Als sich die Befragung um seine Gesundheit dreht - er hat Zucker, Probleme mit Herz und Prostata und leidet unter Migräne - fängt er fast an zu weinen.

In seiner Heimat, im Kosovo machte man sich über ihn lustig, weil seine Frau ihn verlassen wollte. Er weinte häufig und suchte wegen seinen sexuellen Problemen mehrere Ärzte auf. Als er zurück in die Schweiz kehrt bringt er eine Pistole mit. Wieso er diese mitgebracht hätte, will die Richterin wisen. «Ich wollte damit niemanden töten, sonder nur meinen Schwager beeindrucken», gibt Shani S. zu Protokoll.

Bereits zu Beginn des Prozesses gibt es immer wieder Unterbrechungen. Erst wird über den Ausschluss einer Boulevard-Zeitung diskutiert, weil diese unautorisierte Bilder des Angeklagten veröffentlichte. Nachdem dies abgelehnt wurde, forderte die Verteidigung, die Verhandlung erneut zu unterbrechen. Sie will, dass das psychiatrische Gutachten vom Gericht abgelehnt wird. Darüber wird aber erst am Mittwoch entschieden.

Sterben musste, wer zuerst aus dem Gemeindehaus kam

Zu den Hintergründen der Tat: Der Attacke auf Sadete ging ein kurzer Streit zwischen dem Angeklagten und dem Opfer voraus. Gemäss Anklageschrift folgte Shani S. seiner Frau, als sie Mittagspause machte und auf dem Nachhauseweg war. Er hielt sie am Arm zurück und fragte, ob sie sich wirklich von ihm trennen wolle. Die Frau antwortete, er solle verschwinden. Er sei kein Mann für sie, sie habe einen anderen. Daraufhin zog er eine Pistole aus der Hosentasche und drückte aus nächster Nähe ab. Sadete S. erlag noch vor Ort ihren schweren Verletzungen.

Nach den Schüssen ging Shani S. in Richtung Gemeindehaus und wartete auf zwei Personen, gegen die er einen Groll hegte: Die für ihn zuständige Sachbearbeiterin des Sozialamtes und die Sozialamtschefin, Daniela H. Sterben sollte laut Anklageschrift, wer zuerst das Gemeindehaus verliess. Als Daniela H. herauskam, sprach Shani S. sie laut Anklageschrift an und schoss ihr dann gezielt in den Kopf. Daniela H. starb wenige Stunden später im Spital.

Der heute 60-Jährige wurde noch am Tattag verhaftet und ist im vorzeitigen Strafvollzug. Staatsanwalt Roland Geisseler klagt ihn wegen mehrfachen Mordes an und fordert eine lebenslange Freiheitsstrafe. 20 Minuten berichtet laufend vom Prozess.

*Namen der Redaktion bekannt.

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