Volk entscheidet über Zukunft der Laienrichter

Aktualisiert

Kanton ZürichVolk entscheidet über Zukunft der Laienrichter

An Zürcher Bezirksgerichten soll es mittelfristig keine Laienrichter mehr geben, findet der Kantonsrat. Die SVP ergreift jedoch das Referendum – somit hat das Volk das letzte Wort.

Noch gibt es an den Bezirksgerichten im Kanton Zürich Laienrichter - doch ihre Tage sind gezählt.

Noch gibt es an den Bezirksgerichten im Kanton Zürich Laienrichter - doch ihre Tage sind gezählt.

Der Kantonsrat hat am Montag mit 94 gegen 67 Stimmen eine entsprechende Parlamentarische Initiative zur Abschaffung der Laienrichter gutgeheissen. Eingereicht hatten den Vorstoss SP, CVP, GLP und Grüne. Mit einer Anpassung des Gerichts- und Behördenorganisationsgesetzes (GOG) sollen künftig nur noch Bezirksrichterinnen und Bezirksrichter gewählt werden, die ein juristisches Studium abgeschlossen haben.

In einer Übergangsklausel wird jedoch festgehalten, dass bisherige Laienrichterinnen und Laienrichter wiedergewählt werden können. Das heisst: Wer bereits als Laienrichter tätig ist, kann bei den nächsten Wahlen im Jahre 2020 nochmals antreten.

Die Schlussabstimmung zur Anpassung des GOG findet in etwa vier Wochen statt. Die SVP hat jedoch bereits das Behördenreferendum angekündigt. Damit wird das Volk an der Urne über die Abschaffung der Laienrichter entscheiden müssen.

Relikt aus der Zeit der Aufklärung

Laienrichter seien ein Relikt aus der politischen Aufklärung im 19. Jahrhundert, als die Gewaltentrennung noch kein Thema gewesen sei, sagte Céline Widmer (SP, Zürich). Heute bringe das Laienrichtertum keinen demokratischen Mehrwert mehr. Der Kanton Zürich setze als einziger grösserer Kanton noch Laienrichter am Einzelgericht ein.

Das Laienrichtertum habe sich an den Landgerichten bewährt, solange die Laienrichter zur Hauptsache in einem Kollegialgericht - meist einem Dreiergremium - eingesetzt worden seien, erklärte Davide Loss (SP, Adliswil). Heute würden jedoch nur noch 3,5 Prozent aller Verfahren durch das Kollegialgericht behandelt.

In allen übrigen Fälle würden die Verfahren von Einzelrichtern durchgeführt. Angesichts der immer komplizierteren Fälle seien Einzelrichter ohne juristische Ausbildung häufig überfordert. Eine juristische Ausbildung sei deshalb unerlässlich.

Wer sein Auto in den Service bringe, suche auch einen ausgebildeten Mechaniker auf und nicht einen Laien, der Freude am Umgang mit Motoren hat.

Verschiedene Votanten wiesen darauf hin, dass Bezirksrichter oftmals Anwälten oder Staatsanwälten gegenübersitzen, die Laienrichtern fachlich überlegen seien. Zudem müssten sich Laienrichter in rechtlichen Fragen häufig auf Gerichtsschreiber und Sekretärinnen berufen. Wer vor Gericht stehe, habe jedoch das Anrecht, von einem Richter oder einer Richterin ganzheitlich beurteilt zu werden.

Einfühlungsvermögen allein genügt nicht

Beat Bloch (CSP, Zürich) wies an Beispielen aus seiner eigenen Praxis als Richter am Bezirksgericht Horgen darauf hin, dass sich Einzelrichter häufig mit komplexen Fragen auseinandersetzen müssten. Mit gesundem Menschenverstand und Einfühlungsvermögen komme man da nicht weiter.

So komme es immer wieder vor, dass komplexe Verfahren an erfahrene Richter delegiert werden müssten, um grösseren Schaden bei der Rechtsprechung zu verhindern. Auch für Pikettdienste könnten Laienrichter nicht eingesetzt werden, obwohl sie als vollwertige Richter gewählt seien.

Für Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) sprechen verschiedene Gründe für die Professionalisierung. Entscheidend sei, dass die meisten Verfahren durch den Einzelrichter behandelt würden. Die Parteien hätten Anspruch auf Richterinnen und Richter, die in der Lage seien, eigenverantwortlich Urteile zu fällen.

Laienrichter haben sich bewährt

Gegen die Abschaffung von Laienrichtern sprachen sich SVP, EVP und EDU sowie einzelne GLP-Mitglieder aus. Bei der Revision des GOG vor 5 Jahren sei an den Laienrichtern festgehalten worden, erinnerte Claudio Schmid (SVP, Bülach). Seither habe sich nichts grundlegend geändert.

Laienrichter seien beim Volk beliebt und hätten sich bewährt, zeigte sich Schmid überzeugt. Qualitativ werde die Rechtsprechung nicht besser, wenn Juristen unter sich blieben. Die dritte Staatsgewalt dürfe nicht einer einzelnen Berufsgruppe vorbehalten sein.

Hans-Peter Amrein (SVP, Küsnacht) sprach gar von einer «Expertenkaste». Die Abschaffung der Laienrichter komme einer «schleichenden Entmachtung der Bürger» gleich.

Wenn es nur noch Richter mit einem juristischen Studium gebe, würden die Bezirksgerichte ins «bürgerfremde Abseits» gesellt, monierte Michael Welz (EDU, Embrach). Es sei nicht bewiesen, dass Laienrichter weniger gute Urteile fällen.

Auch Hans Egli (EDU, Steinmaur) vertrat die Meinung, dass nicht mehr Urteile von Laienrichtern ans Obergericht gezogen werden. Gerade in ländlichen Regionen geniesse die Rechtsprechung durch Laienrichter grosse Akzeptanz. Beleg dafür sei die kürzliche Wahl in Bülach, wo die Stimmberechtigten einen Laien einem Juristen vorgezogen hätten. (sda)

Deine Meinung zählt