PräzedenzfallSchwuler Nigerianer darf bleiben
Weil er trotz abgelehntem Asylgesuch in Zürich blieb, sollte ein Nigerianer ins Gefängnis. Das Bezirksgericht hob nun die Strafe auf, da er wegen seiner Homosexualität in seiner Heimat verfolgt wird.
Laut Anklage sollte ein abgewiesener Asylbewerber aus Nigeria wegen rechtswidrigen Aufenthaltes im Kanton Zürich für 90 Tage ins Gefängnis. Das Gericht sah es anders und sprach den schwulen Westafrikaner frei. Wegen seiner sexuellen Ausrichtung, die in seiner Heimat verfolgt werde.
Das am Donnerstag gefällte Urteil stellt einen grossen Erfolg für die Schwulenorganisation Pink Cross dar. Auch Verteidigerin Katja Amann zeigte sich über den Freispruch erfreut. In ihrem Plädoyer führte sie aus, dass bis vor kurzem Homosexuelle keine Chancen auf Asyl hatten. Alleine zwischen den Jahren 2007 und 2009 seien 71 auf Homosexualität gestützte Asylgesuche allesamt abgewiesen worden.
Zuerst verhaftet und verurteilt
Für die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl handelte es sich beim Beschuldigten dagegen um einen notorischen Gesetzesbrecher. Der Nigerianer wurde im vergangenen Oktober von der Polizei für zwei Tage verhaftet und im letzten April per Strafbefehl wegen rechtswidrigen Aufenthaltes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 90 Tagen verurteilt. Zudem wurde eine einschlägige Vorstrafe von 90 Tagessätzen zu 30 Franken widerrufen.
Der zuständige Staatsanwalt lastete dem Westafrikaner an, dass er sich zwischen April 2009 und Januar 2012 regelmässig in der Region Zürich aufgehalten habe. Obschon er bereits im März 2004 vom Migrationsamt angewiesen worden sei, die Schweiz unverzüglich zu verlassen.
Vor tödlichen Konsequenzen geflohen
Verteidigerin Ammann legte Einsprache gegen den Strafbefehl ein und forderte am Donnerstag am Bezirksgericht Zürich einen vollen Freispruch. Sie führte aus, dass ihr Klient wegen seiner Homosexualität aus seiner Heimat über Benin in die Schweiz geflohen sei. Als er eines Tages mit einem Partner beim Sex erwischt worden sei, habe er sich vor Repressalien und sogar tödlichen Konsequenzen gefürchtet. Es sei heute noch so, dass Schwule in Nigeria mit langjährigen Gefängnisstrafen oder sogar mit Steinigung bis zum Tode zu rechnen hätten.
Die Rechtsanwältin legte zudem ins Recht, dass der Beschuldigte im letzten Frühling vom Bundesamt für Migration doch noch als Flüchtling anerkannt worden ist. Gestützt auf die erstmals geltend gemachte Homosexualität.
Homosexualität als Flucht- und Rechtfertigungsgrund
Das Bezirksgericht folgte bei der rechtlichen Würdigung der Verteidigung und sprach den Mittdreissiger in einem Piloturteil frei. Der Beschuldigte habe sich zwar illegal in der Schweiz aufgehalten, aber gerechtfertigt, führte die zuständige Einzelrichterin Claudia Bühler aus. Damit erwuchs die Homosexualität des Beschuldigten nicht nur zum entlastenden Flucht-, sondern auch zum juristischen Rechtfertigungsgrund.
Allerdings stellte der erstmalige Entscheid keinen Freispruch erster Klasse dar. So muss der Beschuldigte trotz dem Freispruch sämtlicher Verfahrenskosten von rund 2000 Franken zahlen und erhält keine Entschädigung. Ebenso wenig eine Genugtuung für die Haft. So habe der Beschuldigte mit seinem grundsätzlich rechtswidrigen Verhalten das Strafverfahren verursacht, stellte Richterin Bühler klar.