Aktion gegen HomöopathieSkeptiker-Verein «vergiftet» sich mit Kügeli
Wissenschaftsverfechter halten Homöopathie für Humbug und schlucken zum Beweis gleich fläschchenweise Globuli. Eine Homöopathin widerspricht.
Was passiert, wenn man homöopathische Globuli gleich fläschchenweise schluckt? Eine Homöopathin erklärt es. (Video: Ruben Assenberg)
Eisenhut, Tollkirsche, Arsen, Quecksilber. Mit diesen Stoffen wollten sich Mitglieder des Vereins Skeptiker Schweiz am Mittwochmorgen in Zürich vergiften. Eine Versammlung von Lebensmüden?
Mitnichten. Die leidenschaftlichen Wissenschaftsverfechter schluckten nicht etwa die giftigen Substanzen selber, sondern homöopathische Arzneimittel, die darauf beruhen – und das fläschchenweise. Die Pointe: In den eingenommenen Kügelchen findet sich kein einziges Molekül der Ausgangssubstanzen mehr. Die «Massenvergiftung» ist also gar keine.
Süsse Kügeli ohne Wirkung
«Mit dieser Aktion wollen wir die Menschen dazu bringen, sich kritisch mit Homöopathie auseinanderzusetzen», erklärt Vereinspräsident Marko Kovic. Grundlage dafür soll eine rationale Betrachtung wissenschaftlicher Fakten sein. «Die homöopathischen Globuli enthalten nach wissenschaftlicher Erkenntnis keine Wirkstoffe», sagt Kovic. Darüber müssten die Leute aufgeklärt werden.
«Homöopathie – nichts dran, nichts drin!», riefen die rund 15 versammelten Skeptiker, als sie sich um genau 10.23 Uhr ein ganzes Döschen voller Kügelchen in den Mund schütteten. «Schmeckt sehr süss», sagte einer der Anwesenden. «Die müsste man in einer Tasse Tee auflösen», meinte ein anderer. Eine wahrnehmbare Wirkung ausser einer gewissen Heiterkeit angesichts der «Selbstvergiftung» zeigte sich nicht. Auch vier Stunden später wies Vereinspräsident Kovic keine Symptome auf.
Homöopathie als Heilmethode beliebt
«Es gibt Studien, die der Homöopathie eine Wirksamkeit zuzuschreiben scheinen», sagt er. Diese beruhten aber nicht auf der Standardmethode zur Wirksamkeitsprüfung von Heilmitteln, sondern seien schlichte Befragungen nach der Zufriedenheit der behandelten Patienten. Dass diese hoch sei, wolle er gar nicht in Abrede stellen, sagt Kovic. Das kann Bettina Ariza-Hügin bestätigen: Sie ist Homöopathin und Apothekerin und berät jeden Tag Kunden im Umgang mit homöopathischen Arzneimitteln. «Es gibt sehr viele Menschen, die äusserst positive Erfahrungen damit gemacht haben.» Ein Beispiel sei ihr 99-jähriger Vater, der schon seit Jahren mit homöopathischen Mitteln behandelt werde.
Dass die einmalige Einnahme auch grosser Mengen an Globuli keine Vergiftungserscheinungen hervorrufe, sei klar, sagt Ariza. Das sei in der Homöopathie gar nicht möglich. «Zudem zeigt sich erst bei täglicher Einnahme über einen längeren Zeitraum eine Wirkung.» Dabei würden die Symptome bei einem Kranken erst leicht verstärkt. Damit werde der Körper zu einer Gegenreaktion angeregt und leite den Heilprozess ein, erklärt die Homöopathin. «Der Körper heilt sich also selber, nicht das Arzneimittel.»
«Nicht alles, was wirkt, ist wissenschaftlich erklärbar»
Die Aktion des Skeptiker-Vereins verurteilt Ariza nicht. «Wenn damit Diskussionen angeregt werden, bringt uns das alle weiter.» Nur aufgrund der nicht vorhandenen Wirkstoffe in den Globuli aber die Wirksamkeit der Homöopathie als Ganzes abzulehnen, sei ein Fehlschluss. «Wir können noch nicht alles wissenschaftlich nachweisen», so Ariza. Die Geschichte der wissenschaftlichen Erkenntnis zeige, dass die genaue Erklärung gewisser Phänomene erst viel später erfolge.
«Skeptisch zu sein, ist einfach», sagt die gelernte Apothekerin. Sie könne aber Skepsis nur annehmen, wenn sie aus einer intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik hervorgehe. Zumindest dahingehend, so scheint es, sind sich die Homöopathin und der Wissenschaftsverfechter einig.
Klassische Homöopathie
Ein Arzt mit Fähigkeitsausweis Homöopathie erstellt nach einer Anamnese und klinischen Untersuchungen sowohl eine konventionelle wie auch eine homöopathische Diagnose. Davon ausgehend wählt der Arzt ein entsprechendes Arzneimittel. Homöopathische Arzneimittel werden aus pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Ausgangssubstanzen und teilweise aus Krankheitserregern hergestellt und in der Form von Globuli oder Tropfen eingenommen.
Deren Wirksamkeit ist jedoch umstritten. Gegner halten die verwendeten Arzneimittel wegen nicht nachweisbaren Wirkstoffen für wirkungslos. Befürworter stellen sich auf den Standpunkt, dass die Wirkung homöopathischer Arzneimittel empirisch belegt sei und deren Funktionsweise noch nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden erklärbar sei. Seit Anfang 2012 können homöopathische Leistungen wieder in der Grundversicherung abgerechnet werden. Dies hat das Bundesamt für Gesundheit aufrund verschiedener Studien und Kostenanalysen entschieden.
Quelle: Schweizerische Ärztezeitung, 3. Oktober 2012