Kein Krieg - aber Giftpfeil Richtung Schweiz

Aktualisiert

Hass-DuellKein Krieg - aber Giftpfeil Richtung Schweiz

Nachdem bei der WM-Qualifikation im November zwischen Algerien und Ägypten die Fetzen flogen, befürchtete man angesichts hunderter eingeflogener Fans für den Halbfinal am Afrika-Cup Böses. Doch die fast einzigen Aggressionen richteten sich gegen die eigentlich unbeteiligte Schweiz.

von
Silvano Speranza
Benguela

Von Krieg war weit und breit keine Rede. Tatsächlich hatte die algerische Regierung wie angekündigt mit fünf Flugzeugen um die tausend Fans direkt nach Benguela eingeflogen. Noch am Flughafen nahm man ihnen die Pässe ab. Dann wurden sie, immer unter den Augen bewaffneter Polizeieinheiten, mit Bussen direkt zum Stadion gefahren. Ein Augenschein beim Nordkurven–Eingang zeigte eine wilde Horde weiss/grün eingekleideter, zumeist jüngerer Fussballfans, viele sichtlich erregt ob des verrückten Trips der sie so kurzfristig in tropische Gefilde gebracht hat, und bereit auf der Tribüne ihr Team lautstark und bedingungslos zu unterstützen.

«Wir werden uns nie prügeln mit unseren Brüdern!»

Die Frage, ob man gedenke, sich nach dem Spiel mit den vielleicht 200 ägyptischen Fans zu prügeln, wird einhellig verneint: «Wir werden sie schlagen, so Gott will. Aber wir sind Brüder, Moslems. Kennst Du den Islam? Wir werden uns nie prügeln mit unseren Brüdern! Dies ist ein Krieg der Medien», und ab gehts durch die Metalldetektoren, vorbei an viel Polizei, zum Ticket–Einlesegerät.

Das Spiel selbst war dann eine klare Angelegenheit. Die «Pharaonen» waren über die gesamte Spielzeit das kompaktere, das bessere Team. Die junge algerische Mannschaft war mit zunehmender Spieldauer von der Routine und Spielstärke der Ägypter überfordert. Sie fanden kein Mittel, sich in der ägyptischen Platzhälfte festzusetzen und schliesslich kamen ihre Angriffsbemühungen jeweils spätestens bei Goalie El Hadary zu einem Ende. Die 1:0 Pausenführung Ägyptens war durchaus verdient.

Ein bisschen Krieg war jetzt allenfalls auf dem Platz

In Halbzeit zwei verschärfte sich die Gangart. Einzelne algerische Spieler liessen sich zu rüden Attacken auf gegnerische Beine hinreissen und der übernervöse Torhüter Chaouchi war drauf und dran den Schiedsrichter mit einem Kopfstoss zidanschen Zuschnitts niederzustrecken. Ein bisschen Krieg war jetzt allenfalls auf dem Platz. Chaouchi sah später folgerichtig doch noch die rote Karte. Ausser ihm wurden noch zwei weitere Algerier des Feldes verwiesen, was den verbliebenen acht Spielern zuletzt eine 0:4-Kanterniederlage bescherte.

Bundesliga-Star wünscht Schweiz schlechten Schiedsrichter

Nach dem Schlusspfiff holten beide Fangruppierungen mehrere hundert Laufmeter Landesfahnen ein und leerten nach kurzer Zeit die Ränge. Auf der Pressetribüne schrien sich derweil algerische und ägyptische Journalisten gegenseitig Unflätigkeiten an den Kopf. Der algerische Verteidiger Yahia vom deutschen Bundesligisten Bochum, hatte sich auch unter der Dusche nicht beruhigen können. In seiner Enttäuschung und Wut fand er nicht den geringsten analytischen Zugang zum Spielgeschehen. Er sprach von einer katastrophalen Schiedsrichterleistung, verurteilte sogleich das gesamte afrikanische Schiedsrichterwesen, wünschte der Schweiz einen afrikanischen Schiedsrichter an der WM und beschuldigte ausserdem die Verantwortlichen des Afrika–Cup, alles zu tun, um Ägypten den Turniersieg zu ermöglichen.

Der dritte Titel in Folge dürfte den «Pharaonen», sofern es eine «Fussballlogik» gibt, auch von den ghanaischen «Black Stars», im sonntäglichen Final kaum zu nehmen sein. Mit einem Team, welches ohne sechs Stammkräfte ins Turnier gestartet war, hat Ghana bereits alle Erwartungen übertroffen. Ghana ist als einziger afrikanischer WM–Teilnehmer im Endspiel des Afrika-Cups dabei.

Im Hinblick auf die Weltmeisterschaft ist es hingegen äusserst schade, dass sich mit Ägypten ausgerechnet die zur Zeit beste Mannschaft des Kontinentes nicht qualifizieren konnte.

Hinter der Nordkurve stehen die Busse bereit, welche die bitter enttäuschten aber gefassten algerischen Schlachtenbummler umgehend zum Flughafen zurück spedieren werden.

Heute Freitag morgen um sieben Uhr werden die Maschinen am kühlen, algerischen Mittelmeer erwartet. Nicht jeder Krieg lässt sich herbeireden.

Der Kolumnist

Silvano Speranza ist freischaffender Journalist. Er bereist Afrika regelmässig seit über 20 Jahren und hat diverse kulturelle Austausch-Projekte mit afrikanischen Kulturschaffenden mit ins Leben gerufen. Dies ist Speranzas siebter Afrika Cup. Für 20 Minuten Online schreibt er regelmässig eine Kolumne aus Angola.

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