«Time-out» mit Klaus ZauggDrama für Espoo wegen Dummheit um Sulander?
Das Penalty-Drama fand nicht statt. Weil die ZSC Lions zu gut waren und auch das Rückspiel gewannen. Aber es war ein Drama für Espoo Blues. Sie verloren das Spiel, das sie zum wichtigsten ihrer Klubgeschichte erklärt hatten.
Die hochstehende Partie, die vielleicht beste, die je von einem Schweizer Klubteam gespielt worden ist, bescherte dem finnischen Playofffinalisten eine bittere Niederlage. Eine Niederlage, die für die finnische Hockeykultur irgendwie typisch ist. Mit jener Melancholie des Scheiterns, die wir aus den Filmen des Kultregisseurs Aki Kaurismäki kennen.
Es war - wieder einmal - die Niederlage in einem alles entscheidenden Spiel. Und eine zentrale Rolle spielte ausgerechnet Ari Sulander. Der Torhüter der ZSC Lions. Ein Finne.
Heiss beliebter Sulander
Nach der Partie standen mehr finnische Reporter als helvetische Medienvertreter in der Kabine der ZSC Lions. Sie umringten Sulander. Der Goalie der ZSC Lions ist nach wie vor einer der beliebtesten Spieler in Finnland. Er hat vor zehneinhalb Jahren genau hier in Espoo mit Jokerit Helsinki sein letztes Spiel mit einem finnischen Klubteam bestritten. Es war ein Sieg in der Playoffserie um Platz drei. Dann wechselte er nach Zürich.
Dass Sulander in Zürich und nicht mehr in Finnland spielt, ist ein ganz besonderes Drama für die finnische Liga.
Sulander dank Dummheit zum ZSC?
Hier in Finnland sind viele davon überzeugt, dass ihn eine bodenlose Dummheit nach Zürich «vertrieben» hat: Ein Wortbruch des Managements von Jokerit Helsinki. Man hatte Sulander die Rolle als Nummer 1 versprochen und zugesichert, keinen zweiten gleichwertigen Goalie zu verpflichten. Dann wurde mit Markus Ketterer eine zweite Nummer eins geholt und so gelang es dem damaligen ZSC-Manager Simon Schenk, Sulander im Sommer 1998 nach Zürich zu holen. Hannu Kauhala, der Chefredaktor der finnischen Eishockey-Bibel «Kiekkolehti» ist sicher, dass Jokerit Sulander nur wegen dieses Wortbruches verloren hat.
Die Finnen haben eine ganz besondere Kultur des Erduldens von bitteren Eishockey-Niederlagen. Bereits nach wenigen Minuten zeichnet sich ab, dass Espoo dieses hochstehende Spiel verlieren wird. Der Blues ist im Spiel der Blauen. Die ersten beiden Strafen führen bereits zu einem 0:2-Rückstand. Die ZSC Lions sind zu kräftig, zu clever, zu diszipliniert. Nur nach dem 1:2-Anschlusstreffer im Mitteldrittel kehrt für ein paar Minuten die Dynamik und die Wucht ins Spiel der Finnen zurück. Das reichte nicht. Das wichtigste Spiel der Klubgeschichte geht verloren. Espoo war noch nie Meister und der Einzug ins CHL-Finale hätte dem Unternehmen mehr landesweite Anerkennung eingebracht als eine gewonnene Meisterschaft. Dieses 1:4 gegen die ZSC Lions ist ein Drama für Espoo.
Keine Pfiffe - viel Applaus
Und trotzdem harrt das Publikum bis zur bitteren Neige aus. Es gibt nie Pfiffe, aber viel Applaus für die tapferen Verlierer. Und viel Beifall für den Schweizer Meister. Die grossartige Leistung der ZSC Lions wird anerkannt. Diese Reise nach Espoo ist auch eine Reise ins Herz einer grossen Eishockeykultur. So viel Respekt wie hier wird in der Schweiz dem Eishockey (und dem Gegner) nur in lichten Momenten entgegengebracht.
Und manch einer wird auf dem Nachhauseweg gedacht haben: Das passiert halt nur uns Finnen: Espoo verpasst mit einem Österreicher im Tor das Finale. Gegen ein Schweizer Team mit Ari Sulander im Kasten, einem der besten finnischen Goalies aller Zeiten.
So etwas hätte sich nicht einmal Aki Kaurismäki ausdenken können.