«Time-out» mit Klaus ZauggDie Krise der Lions - eine logische Sensation
Der Sieger der Champions Hockey League steht in den heimischen Playoffs gegen Fribourg-Gottéron vor dem vorzeitigen Saisonende. Nur auf den ersten Blick eine Sensation.
Die Nordamerikaner sagen, nichts sei im Eishockey so schwierig wie nach dem Gewinn einer Meisterschaft «nachzuladen». Obwohl nach einer Meisterfeier bis zum Beginn der neuen Saison drei bis vier und bis zum Start der nächsten Playoffs gut zehn Monate vergehen.
ZSC-Trainer Sean Simpson hatte nur etwas mehr als vier Wochen Zeit, um seine Mannschaft nach einem der grössten Triumphe im Schweizer Eishockey «nachzuladen».
Was heisst «nachladen»?
Dieser Ausdruck bezieht sich nicht auf spielerische oder taktische Massnahmen. Es geht darum, erneut die Emotionen zu entfachen, die Spieler wieder auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören und wieder jenen für grosse Erfolge notwendigen «Groove» in die Kabine, ins Training und ins Spiel zu bringen.
Mehr als einmal pro Saison bringt selbst der beste Trainer der Welt diesen meisterlichen «Groove» nicht in seine Mannschaft.
Aber sind denn die Spieler nicht dafür bezahlt, Höchstleistungen zu erbringen? Das ist richtig. Aber den ZSC Lions fehlt es nicht am Willen zur Leistung. Das drohende Ausscheiden ist nicht die Folge eines «Larifari-Betriebes». Es ist ganz einfach so, dass die Löwen nach der grossen Jagd nach dem europäischen Titel zu einer neuerlichen Trophäenjagd nicht mehr in der Lage sind. Eishockeyspiele sind so intensiv, dass sie auch in den Köpfen entschieden werden. Der psychologische Faktor ist im Eishockey noch viel wichtiger als im Fussball. Die ZSC Lions sind drauf und dran, den Titel im Kopf zu verlieren.
Auch im Fussball gibt es ein Beispiel für die Schwierigkeiten des «Nachladens»: Der FC Wil gewann 2004 den Schweizer Cup durch ein 3:2 im Finale gegen GC. Eine der grössten Sensationen im Schweizer Klubfussball. Am Ende der Saison stieg Wil aus der Super League ab.
Keine Folgen bei einem Ausscheiden
Sollten die ZSC Lions in der ersten Runde aus den Playoffs fliegen, dann wird nichts passieren. Es wäre das erste Mal, dass ein Titelverteidiger in der ersten Runde scheitert, ohne dass es Kritik hagelt und Polemik entfacht wird. Kein Reporter, der bei Sinnen ist, wird Trainer Sean Simpson kritisieren oder die Auswechslung der Ausländer oder die Ausmusterung eines Spielers fordern. Das ist auch richtig so.
Oder war es ein Fehler von Simpson, erst im dritten Spiel auf Torhüter Lukas Flüeler zu setzen? Hätte er früher die Offensive verstärken sollen? Nein. Diese taktische Massnahme ist im Grunde für das Endergebnis dieser Viertelfinalserie (fast) belanglos. Ob mit oder ohne Sulander - das «Nachladen» ist (fast) nicht möglich.
Fribourg schlug sich unter seinem Wert
Doppeltes Pech für die ZSC Lions ist es, dass sie ausgerechnet gegen Fribourg-Gottéron antreten müssen. Denn diese Mannschaft war in der Qualifikation weit unter ihrem Wert klassiert. Wenn alle wichtigen Spieler fit sind, gehört Gottéron zu den spielerisch vier besten Teams der Liga. Und dazu kommt, dass Gottéron einerseits eine der emotionalsten Mannschaften der Liga ist und andererseits mit hoher Disziplin und guter Defensivorganisation zu spielen versteht. Das ist der Mix, aus dem Playoffsensationen sind: Emotionen plus Disziplin plus Organisation, abgesichert von einem starken Torhüter.
Scheitern die ZSC Lions gegen Gottéron, dann wäre es eine logische Sensation. Schaffen die ZSC Lions doch noch die Halbfinals, dann wäre es eine Leistung, die nahe an den Gewinn der Champions Hockey League herankommt.
Und noch etwas: Der Sieg in der Champions Hockey League ist für die Ewigkeit. Der Gewinn der Meisterschaft ist hingegen gut für ein paar Wochen. Meister können die ZSC Lions noch oft werden. Sieger in der Champions Hockey League vielleicht nie mehr. So gesehen wäre es kein Unglück, wenn die Siege über die besten Teams aus Schweden, Tschechien, Finnland und Russland mit dem Verlust des Meistertitels bezahlt werden müssten.