Hat ZSC-Trainer Bob Hartley resigniert?

Aktualisiert

«Time-out»Hat ZSC-Trainer Bob Hartley resigniert?

Die 2:5-Pleite der ZSC Lions gegen Biel zeigt uns: Das Talent der Zürcher und die Leidenschaft der Bieler ergäbe eine unbesiegbare Mannschaft.

Klaus Zaugg
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Klaus Zaugg
ZSC-Trainer Bob Hartley macht eine schwierige Zeit durch. (Bild: Keystone)

ZSC-Trainer Bob Hartley macht eine schwierige Zeit durch. (Bild: Keystone)

Die Zürcher haben gegen die Bieler hockeytechnisch alles richtig gemacht. Sie waren keineswegs überheblich oder gar arrogant. Sie arbeiteten fleissig. Der Coach hielt sich ans Lehrbuch, ersetzte am Schluss den Torhüter rechtzeitig (3:36 Minuten vor dem Ende) durch einen sechsten Feldspieler und nahm natürlich auch noch sein Time-Out. Genützt hat alles nichts. Warum?

Bob Hartley, der sonst so temperamentvolle, charismatische ZSC-Coach, wirkt nach diesem 2:5 zum ersten Mal nicht nur ratlos. Zum ersten Mal habe ich bei ihm die Melancholie der Resignation gespürt. Seine Analyse tönte so, als reife tief in seiner Hockeyseele die Einsicht, dass auch er diesen Kampf in Zürich am Ende nicht gewinnen kann. «Wir hätten wohl auch dann keine Treffer erzielt, wenn das Gehäuse gross wie ein Scheunentor gewesen wäre. Wir haben Chancen, aber wir nützen diese Chancen nicht. Da können wir noch so viele Video-Sitzungen machen – die Spieler müssen die Tore letztlich selber erzielen.» So und ähnlich reden Coaches, die am Ende ihres Lateins sind.

Die fehlende Leidenschaft

Diese gute, intensive Partie gegen Biel offenbarte auf eine faszinierende Art und Weise das Problem der Zürcher: Die Spieler sind Musterprofis. Sie kämpfen. Hin und wieder gemahnen sie in lichten Momenten sogar an die guten alten ZSC-Zeiten im alten Hallenstadion. Wie etwa beim wundersamen Spiel in Genf, als mit drei Feldspielern gegen fünf Genfer der Ausgleich erzielt und der Sieg erzwungen werden konnte.

Aber letztlich laufen die Zürcher auch diese Saison vergeblich ihrem Ruhm hinterher. Noch in keinem Spiel war von der ersten bis zur letzten Sekunde die Leidenschaft zu spüren, die Biel in dieser Saison permanent antreibt. Spieler wie Thibaut Monnet, Domenico Pittis, Severin Blindenbacher, Matthias Seger, Andri Stoffel, Patrick Geering oder Blaine Down haben den Höhepunkt ihrer Karriere längst hinter sich: Den Triumph in der Champions Hockey League (Winter 2009) und für die meisten auch noch der märchenhafte Sieg über die Chicago Black Hawks (Herbst 2009). Was auch die Hockeyzukunft bei den ZSC Lions noch bringen mag – niemals mehr werden sie etwas Ähnliches erleben.

Teufelskerl Berra

Die Bieler wollten am Dienstag im Hallenstadion mehr. Sie taten für den Sieg mehr. Weil die meisten Spieler ihre Zukunft oder den Karriere-Höhepukt noch vor sich haben. Nicht für alle, aber für einen grossen Teil der Spieler wäre die Qualifikation für die Playoffs der absolute Höhepunkt ihrer Karriere. Diese Meisterschaft ist für die Bieler – ähnlich wie die letzte Saison für die SCL Tigers - ein aufregendes Abenteuer und für ein gutes Gelingen tun die Bieler alles. Als es am Dienstag im Hallenstadion um die letzten Zentimeter im Laufduell ging, um den letzten Check, um den letzten Biss im Zweikampf, mobilisierten sie mehr Reserven als die Zürcher. Und letztlich haben die Bieler das unfassbare Glück, den besten Torhüter der Liga in ihren Reihen zu haben.

Kevin Schläpfers Meisterstück könnte ihm die Playoffs bescheren: Er hat als Sportchef im Sommer 2009 Reto Berra (25) geholt und als Trainer nun dazu gebracht, das beste Hockey zu spielen. Er holte den ehemaligen ZSC-Junior mit dem Versprechen, ihn zur Nummer eins zu machen. Und dieses Versprechen hat Schläpfer letzte Saison durch alle Böden hindurch eingehalten. «Reto hat eine schwierige Zeit durchgemacht. Aber ich habe ihm gesagt: Mach dir keine Sorgen, du bist und bleibst unsere Nummer eins. Komme, was wolle. Ich war mir immer sicher, dass Reto dieses Vertrauen rechtfertigen wird und dass aus ihm ein grosser Torhüter wird.»

Auch bei der Verpflichtung der Nummer zwei galt für Schläpfer: «Reto Berra first»: Mit Marco Streit (36) hat er im Sommer 2010 einen erfahrenen, verlässlichen und immer noch NLA-tauglichen Ersatzgoalie geholt, der seine Karriere hinter sich hat und bereit ist, die Nummer 1 bedingungslos zu unterstützen. Also kein Konkurrenzkampf mit der Nummer eins. Sondern absolute Loyalität. Im Gegenzug hat Schläpfer Streit zugesichert, dass er nach Abschluss seiner Laufbahn in Biel einen Job als Goalietrainer erhalten wird. Streits Transfer hat sich bereits bezahlt gemacht: Als Berra im letzten Frühjahr wegen eines Todesfalls in der Familie nicht spielen konnte, rettete Streit die Bieler in den Playouts. «Ich habe Marco gesagt, dass wir ihm das nie vergessen werden, dass er aber bei Reto Berras Rückkehr wieder die Nummer zwei sein werde. Er hat das vorbehaltlos akzeptiert.»

Die ZSC Lions waren gegen die Bieler besser, als es das klare 2:5 vermuten liesse. Berra musste einmal mehr eine ganz, ganz grosse Leistung abrufen. Zweimal stoppte er gar alleine auf ihn zustürmende Stürmer (Thibaut Monnet/10. und Blaine Blaine Down/38. Min.). Der coole Blocker ist zurzeit der beste Goalie der Liga, und wenn er Biel in die Playoffs bringt und diese Leistungen nächste Saison bestätigen kann – dann ist er reif für die NHL. «Dann hat er bei uns nichts mehr verloren», sagt Sportchef Kevin Schläpfer. «Dann werden wir alles tun, damit sein Traum NHL in Erfüllung gehen kann und wir werden stolz sein, wenn wir sagen dürfen, dass es einer von uns geschafft hat.»

Fusion ergäbe ein Top-Team

Träume, die in Erfüllung gehen können. Das ist der Sauerstoff, der das Feuer der Leidenschaft bei den Bielern am Brennen hält. Dieses 5:2 in Zürich war ein grosser Sieg. Denn diese ZSC Lions sind immer noch eine grosse Mannschaft. Sie haben viel Talent. Sie sind als Team intakt, sie sind gut gecoacht und sie haben genug Talent, um eine Meisterschaft zu gewinnen. Wenn es gelingen würde, das Talent der Zürcher mit der Leidenschaft der Bieler zu befeuern, dann hätten wir den Titelfavoriten Nummer eins.

Es wäre also verhängnisvoll, diese ZSC Lions in den Playoffs zu unterschätzen. Wenn die Zürcher die Playoffs erreichen (was mit ziemlicher Sicherheit der Fall sein wird), dann beginnt noch einmal alles von vorne und es ist nicht auszuschliessen, dass es dann Bob Hartley wenigstens für eine kurze Zeitspanne gelingt, doch noch die Emotionen zu wecken, die es für eine Überraschung braucht. Aber dann darf der Stanley-Cup-Sieger von 2001 nicht resignieren. Eine der grossen Fragen vor den Playoffs ist deshalb: Hat Bob Hartley resigniert?

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