Ohne Hartley keine Titelverteidigung

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«Time-out»Ohne Hartley keine Titelverteidigung

Bei den ZSC Lions schmerzt der Abgang von Meistertrainer Bob Hartley. Den Titel zu verteidigen wird deshalb kaum möglich sein.

Klaus Zaugg
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Klaus Zaugg
Ohne Trainer Bob Hartley wird es schwer mit der Titelverteidigung. (Bild: Keystone)

Ohne Trainer Bob Hartley wird es schwer mit der Titelverteidigung. (Bild: Keystone)

Der Trainer hat immer einen hohen Anteil am Erfolg seiner Mannschaft. Aber Bob Hartleys Anteil am Titel der ZSC Lions ist ungewöhnlich hoch. Er war in Zürich alles: Schlauer Bandengeneral, Ausbildner, Motivator und das Charisma eines NHL-Generals und Stanley Cup-Siegers gab es obendrein. Hartley trieb eine Mannschaft vom 7. Platz aus zum Meistertitel, die ein gewöhnlicher Coach nicht einmal ins Halbfinale gebracht hätte. Ohne ihn gemahnen die ZSC Lions nun an einen Formel-1-Boliden ohne Motor.

In den Hockey-Geschichtsbüchern finden wir viele ruhmbekränzte Namen, die für unersetzlich gehalten worden sind. Aber noch jeder Spieler, Trainer und Manager ist ersetzt worden. Das stimmt. Aber die Frage lautet: Wie gut ist jeweils einer der Unersetzlichen ersetzt worden?

Wenn wir uns genauer mit den Titanen des Trainer-Geschäftes befassen, dann sehen wir, dass es einige gibt, die unersetzlich waren. Okay, es gab die Smarten, die spürten, dass ihre Mannschaft den Zenit überschritten hatte und gingen. Ihre Nachfolger hatten keine Chance. Aber es gibt eben auch ein paar Trainer, die konnten nie ersetzt werden: Der SC Bern hat nie mehr einen Trainer wie Bill Gilligan (drei Titel in vier Jahren) gefunden und die Edmonton Oilers keinen Coach mehr wie Glen Sather. Die New York Rangers suchen vergeblich nach dem nächsten Mike Keenan und unsere Nationalmannschaft wird noch Jahre auf den neuen Ralph Krueger warten müssen. Und jetzt schon ist abzusehen: Der HCD wird keinen zweiten Arno Del Curto finden.

Wer soll Hartley ersetzen?

Naheliegend wäre es, nach einem «neuen» Hartley zu fahnden. Aber grosse, starke, charismatische Persönlichkeiten sind unverwechselbar und einmalig. Sie können nicht kopiert werden. Die SVP hat schliesslich bis heute auch keinen neuen Ruedi Minger, keinen neuen Adolf Ogi und keinen neuen Christoph Blocher gefunden. Auch die gegenteilige Philosophie – nämlich einen komplett anderen Trainertyp zu verpflichten – ist keine Garantie für den Erfolg.

ZSC-Manager Peter Zahner und sein Sportchef Edgar Salis stehen vor einer kurzfristig unlösbaren Aufgabe. Sie können Hartley nicht ersetzen und es wird deshalb unmöglich sein, nächste Saison den Titel zu verteidigen. Den Wert des Kanadiers sehen wir auch daran, dass er und sein Assistent Jacques Cloutier direkt aus der NLA auf einen Chefposten in der NHL berufen worden sind – das hat es so in der ganzen Geschichte noch nicht gegeben.

Wer wird der neue Trainer sein? Es gibt mehrere Lösungsansätze. Auf der Hand liegt das Engagement eines kanadischen Bandengenerals. Die vier letzten Meistertrainer, die Aufstiegstrainer und Liga-Erhalter sowie der Triumphator in der Champions League haben alle durchwegs kanadische Wurzeln: Kent Ruhnke, Andy Murray, Neil Nicholson, Larry Huras, Harold Kreis, Sean Simpson und Hartley. Hingegen sind alle europäischen Trainer (Dr. Wohl, Lahtinen, Del Curto, Zach, Suhonen, Weber, Rautakallio, Tamminen oder Gustafsson) im Hallenstadion gescheitert. Der logische Nachfolger wäre also ... Ralph Krueger.

Lösung aus dem Partnerteam wäre möglich

Es gibt auch den pragmatischen Lösungsansatz: Warum nicht Matti Alatalo vom Farmteam GCK Lions? Er kennt den Fuchsbau ZSC Lions bereits aus langjähriger Erfahrung – er war schon zwischen 1995 und 2002 als Assistent der ZSC Lions und Cheftrainer der GCK Lions in Zürich. Zudem ist ja auch der SCB mit einer überraschenden Beförderung eines Finnen zum Cheftrainer (Antti Törmänen) letzte Saison recht gut gefahren. Alatalos Berufung an die ZSC-Bande hätte darüber hinaus für ZSC-Sportchef Edgar Salis den Vorteil, dass die ganze Mühsal der sommerlichen Trainersuche auf Simon Schenk, den Sportchef der GCK-Lions, abgewälzt werden könnte.

Oder den Kloten Flyers helfen? Anders Eldebrink als ZSC-Trainer? Die Flyers haben mit Eldebrink und Felix Hollenstein eine viel zu teure Doppelbesetzung an der Bande. Und warum nicht mittelfristig nach Del Curto (1993/94 gefeuert) und Christian Weber (2005/06 gefeuert) wieder einmal ein neues Experiment mit einem Schweizer Trainer? Wenn Michel Zeiter nächste Saison als Cheftrainer bei Visp erfolgreich sein sollte, so wäre die Verpflichtung des einstigen Königs der Löwen, assistiert von Mathias Seger, für übernächste Saison ein Personalentscheid, der beste Unterhaltung und Medienpräsenz garantieren würde.

Trotz Abgang zwei Schweizer Gewinner

Immerhin gibt es bereits zwei Sieger beim ganzen Hartley-Deal: Der Kanadier hat unser Hockey schätzen gelernt und so wird es Sven Bärtschi (19) im nächsten Herbst leichter fallen, sich im Trainingscamp der Flames einen NHL-Stammplatz zu erkämpfen. Der Erstrundendraft bekommt mit Hartley den bestmöglichen Coach für den definitiven Einstieg in die NHL. Die NHL-Schnupperlehre hat der ehemalige Junior des SC Langenthal bereits erfolgreich absolviert. (5 Spiele/3 Tore).

Der zweite Sieger ist ZSC-Finanzchef Fritz Eichenberger. Weil Hartley einen bis Ende nächster Saison laufenden Vertrag hat, kassieren die ZSC Lions eine hohe Abfindung. Innerhalb der NHL wird die Übernahme eines Trainers aus einem laufenden Vertrag in der Regel mit einem Draftrecht abgegolten. Weil das mit einem Schweizer Klub nicht möglich ist, muss Geld überwiesen werden. Calgary wird den ZSC Lions rund eine halbe Million Dollar überweisen.

Tja, wer hätte das gedacht: Nach den Kloten Flyers bescheren uns nun also auch die ZSC Lions ein bisschen Sommertheater. Allerdings nicht ein Drama. Sondern eher ein Lustspiel.

p.s.: Was wird der Chronist sagen, wenn Hartleys Nachfolger im nächsten Frühjahr doch den Titel verteidigt? Ganz einfach: Er wird an den aus Köln stammenden deutschen Kult-Kanzler Konrad Adenauer erinnern. Der sagte einmal: «Wat kümmert mich ming Jeschwätz von jestern?» (hochdeutsch: «Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?»)

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