Time-OutDie dümmste Liga der Welt
In Kanada gehen die Lichter aus: Die NHL Saison beginnt nicht wie geplant am 11. Oktober. Die Kanadier lassen sich ihren Nationalsport durch zwei Amerikaner ruinieren.

In Kanada wird vorerst kein NHL-Hockey mehr gespielt.
Geldgier, Ignoranz, Arroganz und schiere Dummheit verzögern zum dritten Mal nach 1994 und 2004 den NHL-Start. 2004/05 ist sogar die ganze Saison ausgefallen – nach wie vor die einzige «verlorene Saison» in der gesamten Geschichte des nordamerikanischen Profisportes.
In der NHL laufen viele Kaiser ohne Kleider herum – nur wird in dieser hierarchiebewussten Gesellschaft kaum offen darauf hingewiesen. Das selbstsichere Auftreten der verschiedensten Exponenten, die schiere Grösse und Macht der NHL mit 3,3 Milliarden Dollar Umsatz pro Saison und 800 Spielern mit einem Durchschnittslohn von etwas mehr als zwei Millionen Dollar beeindrucken. Wer wichtige Positionen in einem so grossen Geschäft innehat, muss smart sein.
Die Kaiser ohne Kleider sitzen ganz oben: NHL-General Gary Bettman (60) und Spielergewerkschafts-Boss Don Fehr (64). Beide sind Amerikaner, beide haben keine Beziehung zu Eishockey: Bettman kommt aus dem Basketball, Fehr arbeitete vorher im Baseball-Business. Die Kanadier (immer noch sind gut 50 Prozent der NHL-Profi Kanadier) haben ihren Nationalsport also zwei Funktionären überlassen, die erstens keine Beziehung zur Hockeykultur haben, zweitens von «feindlichen» Sportarten kommen (Baseball, Basketball, Football und Hockey stehen in Nordamerika in erbitterter Konkurrenz) und die sich drittens um die Basis (die Fans) foutieren. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wären zwei Kanadier mit starker Verwurzelung in der Hockeykultur in den gleichen Positionen dazu in der Lage, einen Kompromiss auszuhandeln. Was die Situation erschwert: Für Gary Bettman und Don Fehr geht es nicht nur um die Sache. Sondern auch ums Ego. Wer nachgibt, ist ein Verlierer und muss sein Büro räumen.
Streit um schmerzlichen «haircut»
Die Ausgangslage ist einfach: Es geht um die Verteilung des Geldes. Heute gehen 57 Prozent der Gesamteinnahmen von 3,3 Milliarden Dollar an die Spieler. Die Teambesitzer wollen diesen Anteil unter 50 Prozent drücken und gleich noch einem «haircut», eine generelle Salärkürzung von 20 Prozent durchsetzen. Durch diese Einsparungen sollen die wirtschaftlich schwächeren NHL-Unternehmen (18 von 30 schreiben rote Zahlen) entlastet werden.
Die Spieler sind zwar bereit, auf Lohn zu verzichten, wehren sich aber, dass die Entlastung der wirtschaftlich schwächeren Teams ausschliesslich über die Löhne erfolgen soll. Sie verlangen, dass diese Entlastung auch durch Ausgleichszahlungen zwischen den reichen und armen NHL-Unternehmen zu erfolgen hat. Die erfolgreichen NHL-Organisationen (wie beispielsweise New York oder Toronto) machen pro Saison mehr als 50 Millionen Dollar Gewinn.
Milliardäre gegen Millionäre
Die NHL-Stars hatten schon immer viel Pech bei der Besetzung der Chefposten ihrer Gewerkschaft. Jahrzehntelang merkten sie nicht, dass sie von Alan Eagleson betrogen wurden (er landete dann tatsächlich im Gefängnis) und seither vertrauen sie Bossen, die sich überschätzen. Bob Goodenow wollte um jeden Preis eine Salärbegrenzung verhindern – und musste am Ende nach einer abgesagten Saison (2004/05) auf der ganzen Linie kapitulieren und sein Büro räumen. Sein Nachfolger Don Fehr überschätzt die Macht der Spieler erneut: Wenn Milliardäre (die von Gary Bettman vertretenen Teambesitzer) gegen Millionäre (die Spieler) streiten, dann gewinnen immer die Milliardäre.
Die Auseinandersetzung zwischen Teambesitzer und Spielergewerkschaft ist im Eishockey so erbittert, weil die NHL wirtschaftlich bei weitem nicht so erfolgreich ist wie Football, Baseball und Basketball. Die Spieler sind in diesen drei Sportarten schon deshalb viel mächtiger, weil für ihre Ligen milliardenschwere TV-Verträge auf dem Spiel stehen. Die NHL hat bis heute keine mit Football, Baseball oder Basetball vergleichbaren nationalen TV-Verträge in den USA. Stark vereinfacht gesagt lässt sich immer noch sagen, dass ein Football-Team fast so viel aus dem TV-Business kassiert wie die ganze NHL.
Wenn fast alle Teambesitzer Geld verdienen (wie im Football, Baseball und Basketball) hat keiner ein Interesse daran, die Saison ausfallen zu lassen. Wenn hingegen, wie in der NHL, 18 von 30 Unternehmen viel oder sehr viel Geld verlieren, ist es den Besitzern egal, wenn die Saison ausfällt. Die meisten sparen Geld.
Wann knicken Spieler ein?
Theoretisch ist nun jeden Tag eine Einigung zwischen der NHL und der Spielergewerkschaft (NHLPA) möglich. Es ist eigentlich nur die Frage, wie lange es dauert, bis die Spieler kapitulieren. Denn das Geld, das sie jetzt wegen des Arbeitskampfes nicht verdienen, können sie nie mehr zurückholen. Die Teambesitzer haben gesehen, dass der Ausfall einer ganzen Saison keinen Einfluss aufs Geschäft hatte: Die Fans kamen im Herbst 2005 wieder als wäre nie etwas passiert. Diese Erkenntnis führt zu einer noch härteren Haltung der Teambesitzer.
Die NHL zahlt letztlich den Preis für die grössenwahnsinnige Expansion von 6 auf 30 Teams in Märkte in den USA, die nun mal Eishockey nicht akzeptieren. Phoenix in der Wüste von Arizona steht nach dem Konkurs immer noch unter Zwangsverwaltung der NHL weil noch kein Käufer gefunden werden konnte. Dieser Wahn, zu werden wie Football, Basketball und Baseball führt inzwischen beim Ablauf des Gesamtarbeitsvertrages zu heftigen Auseinandersetzungen. Die Saison 2004/05 ist ganz ausgefallen und ein Totalausfall der Saison 2012/13 wird nicht mehr ganz ausgeschlossen.
Seit dem Frühjahr 2005 steht fest, das per 15. September 2012 ein neuer Vertrag zwischen der Liga und der Spielergewerkschaft ausgehandelt werden muss. Und es ist in sieben Jahren nicht gelungen, sich auf dieses Datum vorzubereiten und konstruktive Lösungsvorschläge auszuarbeiten. Wahrlich, die dümmste Liga der Welt.