ZSC Lions: Alles fast zu schön, um wahr zu sein

Aktualisiert

«Time-Out»ZSC Lions: Alles fast zu schön, um wahr zu sein

Nur die Tage der meisterlichen und internationalen Triumphe waren für die ZSC Lions noch schöner als der 1. November 2012. Wird nun auch der Titelkampf in New York entschieden?

von
Klaus Zaugg

Die Meisterfeiern 2000, 2001, 2008 und 2012, der Sieg in der Champions Hockey League und der Triumph über Chicago – das sind die Feiertage der ZSC Lions im 21. Jahrhundert. Nun kommt noch der 1. November 2012 dazu. Pokale wurden zwar an diesem Tag keine gewonnen. Aber es war doch einer der grossen Tage: Erst der Transfer von Dustin Brown und dann der Sieg (5:3) gegen die SCL Tigers, der die Segel des Selbstvertrauens nach zwei Pleiten (1:2 in Ambri, 1:5 in Davos) wieder bläht.

Dieser Sieg in einer der 50 Qualifikationspartien wird bald im Ozean der Statistik verloren gehen. Die Verpflichtung von Dustin Brown werden wir hingegen nicht so schnell vergessen. Er könnte dereinst als bester ZSC-Ausländer aller Zeiten in die Geschichte eingehen.

Ein kompletter Powerstürmer

Dustin Brown ist einer der komplettesten Powerstürmer der Welt. Der Amerikaner steht im Zenit seiner Karriere: Captain, Leitwolf, bester Playoff-Skorer und Playoff-Torschütze beim Stanely Cup-Sieger (Los Angeles). Er kann das Spiel auf allen drei Stürmerpositionen, rechts, links und in der Mitte, dominieren. Er ist stark am Bully und im Boxplay und arbeitet auch gerne in der Defensive. Zudem pflegt er hart einzusteigen. Letzte Saison notierten die NHL-Statistiker 293 Checks. Sozusagen ein rumpelfester Künstler. Mehr noch: Als Familienvater ist er kein Rock'n'Roller. Und weil er in Los Angeles schon zwei Jahre unter Trainer Marc Crawford gespielt hat, wird auch seine Integration ins Team kein Problem sein. Da die Zürcher zurzeit nur über drei Ausländer verfügen, muss keiner wegen des NHL-Stars auf die Tribüne. Es gibt nicht einmal Unfrieden im Team oder Mehrarbeit im Sekretariat: Dustin Brown kann das Auto und die Wohnung von Gilbert Brulé übernehmen, dessen Vertrag aufgelöst worden ist. Alles fast zu schön für die Zürcher, um wahr zu sein. Aber es ist wahr.

Hätte Trainer Marc Crawford den Spieler sozusagen «erschaffen» können, den er für sein Team noch braucht – er hätte Dustin Brown kreiert. Der neue Stürmer wird nach der Nationalmannschaftspause gegen die Zuger und Henrik Zetterberg zum ersten Mal antreten.

Crawford hilft beim Transfer persönlich mit

Kein Wunder, war der ZSC-Trainer nach dem Spiel in Langnau gesprächig und guter Laune wie noch nie seit Beginn der Saison. Dustin Brown werde der Mannschaft helfen, sagte Marc Crawford und betonte explizit, welch grossartige Persönlichkeit der Amerikaner sei. Ja, er habe beim Transfer nach Zürich mit ein paar Telefonanrufen geholfen. Und er charakterisierte Dustin Brown als eine perfekte Mischung aus Technik, Kraft, Schnelligkeit und Leaderqualitäten.

Mit Dustin Brown werden die ZSC Lions in jeder Beziehung auf Augenhöhe mit dem SC Bern und Servette stehen. Also mit der nominell besten bzw. mit der bestgecoachten Mannschaft der Liga. Wenn Andres Ambühl und Luca Cunti wieder gesund sind, werden die Zürcher in allen vier Verteidigerpaaren und allen vier Sturmreihen Ausländer oder Nationalspieler einsetzen können.

Einer, der den Unterschied ausmachen kann

Mit Dustin Brown kommt nun ein Spieler dazu, der in einzelnen Partien die Differenz machen kann. Einer für die grossen Partien. Einer für die Playoffs. Er hat bisher in der Qualifikation im Schnitt 0,60 Punkte pro Partie erzielt. In den Playoffs 0,84 – und letzte Saison buchte er beim Stanley Cup-Triumph in den Playoffs sogar exakt einen Punkt pro Partie. Der Titelkampf könnte in New York entschieden werden. Die ZSC Lions können den Titel auch ohne Dustin Brown verteidigen. Also auch dann, wenn in New York eine Einigung zwischen Liga und Gewerkschaft erzielt und die NHL-Saison doch noch gestartet wird. Aber wenn die NHL-Saison nicht beginnt und der NHL-Star bleibt, dann sind die ZSC Lions Titelfavorit.

Auch die Langnauer haben ihren Dustin Brown. Der Kanadier Tyler Ennis (23) spielt auch in der NHL. Er ist einfach noch in jeder Beziehung eine Nummer kleiner. Weniger kräftig, weniger torgefährlich, weniger bissig (letzte Saison lediglich 26 Checks) und als offensiver Schillerfalter leistet er auch fast keine Defensivarbeit. Er verdient ja bei Buffalo mit 2,5 Millionen Dollar auch eine Million weniger als Dustin Brown in Los Angeles. Aber sein Stil ist in lichten Momenten durchaus ähnlich und er hat von allen Spielern am meisten Anteil an am neuen Schwung der SCL Tigers. Gegen die Lakers ist er nach einer Verletzungspause ins Team zurückgekehrt, hat das Spiel beschleunigt und geprägt. Obwohl er beim 5:1 kein Tor erzielt hatte, war er einer der Väter des Sieges.

Erstes Tor für Tyler Ennis

Gegen die ZSC Lions buchte der Kanadier nach einem Sturmlauf über die Aussenbahn sein erstes Tor in der NLA (zum 2:2, das den Tigern vorübergehend die Hoffnung zurückbrachte) – auf jene Art und Weise, wie auch Dustin Brown zu skoren pflegt. Tyler Ennis steht nun nach vier Partien bei einem Tor und vier Assists.

Dass am Ende einer intensiven, hochstehenden und ausgeglichenen Partie (29:30 Torschüsse) eine bittere 3:5-Niederlage stand, die die Playoff-Hoffnungen der Emmentaler auf ein theoretisches Minimum reduziert, ist letztlich ganz einfach zu erklären. In der Regel gewinnt die Mannschaft mit dem besseren Torhüter. Lukas Flüeler spielte ordentlich und in der stärksten Phase der Langnauer im Mitteldrittel und zu Beginn des Schlussdrittels sogar sehr gut (Abwehrquote 89,60 %). Thomas Bäumle spielte in seinem zweiten Spiel für die SCL Tigers nicht sein bestes Hockey (82,76 % Abwehrquote). Bei drei Toren (0:1, 0:2, 3:4) war er nicht frei von aller Schuld. Langnaus Torhüter war nicht gut genug. Die SCL Tigers gewinnen gegen ein Team wie die ZSC Lions nur, wenn alle ihr bestes Hockey spielen und der Goalie mehr als 90 Prozent der Schüsse stoppt.

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