«Entscheid zu gehen fiel nach Meisternacht»

Aktualisiert

Bob Hartley«Entscheid zu gehen fiel nach Meisternacht»

Der Ex-ZSC-Trainer spricht zum ersten Mal über seinen Abgang bei den Lions und offenbart: Den Entscheid, Zürich zu verlassen, hat er bereits am Morgen nach dem Titelgewinn in Bern gefällt.

von
Klaus Zaugg
Meistertrainer Bob Hartley wechselt auf die Saison 2012/13 zu den Calgary Flames.

Meistertrainer Bob Hartley wechselt auf die Saison 2012/13 zu den Calgary Flames.

Wochenlang brodelte die Gerüchteküche: Bleibt Bob Hartley oder bleibt er nicht? Wann haben Sie sich entschieden, Zürich zu verlassen?

Bob Hartley (52): Am Morgen nach der Meisternacht entschied ich mich, zu gehen.

Als Sie in den Tagen nach der gewonnenen Meisterschaft Ihre letzten Interviews in Zürich gaben, da wussten Sie also schon, dass Sie nicht zurückkehren werden?

Ja

Wie kommt es, dass Sie sich so früh entschieden haben?

Calgarys General Manager Jay Feaster hat gleich nach unserem Titelgewinn in Bern Peter Zahner gefragt, ob er mit mir verhandeln dürfe und dann hat mich noch in der gleichen Nacht angerufen. Da war mir klar: Ich werde in die NHL zurückkehren.

Hatten Sie eine Ausstiegsklausel im Vertrag mit den ZSC Lions?

Nein. Ich habe in Zürich einen Zweijahresvertrag ohne Ausstiegsklausel unterschrieben

Und nun sind Sie trotzdem gegangen. Das ist nicht ganz der Stil eines Ehrenmannes.

Nun, es gibt noch etwas anzumerken: Ich habe bei der Vertragsunterschrift Peter Zahner und Edgar Salis gesagt: Ja, ich akzeptiere den Zweijahresvertrag ohne Ausstiegsklausel. Aber wenn Calgary, Montréal oder Quebec mir einen Headcoach-Job anbieten, dann werde ich bereits nach einem Jahr gehen. Das ist so akzeptiert und für gut befunden worden. Ich bin ja nicht Hellseher und konnte nicht ahnen, dass mir nach nur einem Jahr in Zürich gleich Calgary UND Montréal eine Offerte machen würden.

Ist es eigentlich Zufall, dass die ZSC Lions Ihren Wechsel zu Calgary am 31. Mai offiziell bestätigt haben?

Nein. Nachdem Peter Zahner und Edgar Salis wussten, dass ich mit Calgary und Montréal verhandle, haben Sie mich darum gebeten, meine Entscheidung bis spätestens am 31. Mai, 18.00 Uhr Lokalzeit Zürich zu fällen. Damit Zeit bleibt, um einen Nachfolger zu suchen. An diese Frist habe ich mich gehalten.

Haben Sie Peter Zahner und Edgar Salis einen Nachfolger empfohlen?

Nein. Das ist nicht meine Sache.

Haben Sie auch mit ZSC-Präsident Walter Frey über Ihren Abgang gesprochen?

Oh ja. Ich habe Herr Frey auf dem Laufenden gehalten und mehrmals mit ihm telefoniert. Ich habe grössten Respekt für diese aussergewöhnliche Persönlichkeit. Ich habe ihn nach Calgary eingeladen und wenn er kommt, wird er mein persönlicher Gast sein.

Warum Calgary? Warum nicht Montréal?

Am letzten Montag habe ich meine Entscheidung nach einem Essen mit dem Präsidenten und dem General Manager gefällt und dann sind die Einzelheiten unseres Dreijahresvertrages ausgearbeitet worden. Sagen wir es so: Es hat «Klick» gemacht. Ich spürte, dass sich Calgary für mich entschieden hat und deshalb entschied auch ich mich für Calgary. Es war nicht ein Entscheid gegen Montréal. Ich hatte auch sehr gute Gespräche mit den Verantwortlichen in Montréal.

Was hat den Ausschlag für Calgary gegeben? Das Herz oder der Verstand?

Eine Kombination von beidem.

Oder haben Sie sich für Calgary entschieden, weil Ihnen Montréal mit dem Medien-Hexenkessel doch ein zu heisses Pflaster ist?

Oh nein. Wenn das der Fall wäre, dann hätte ich Fabrikarbeiter bleiben können. Dort musste ich am Fliessband keine Interviews geben und selbst wenn ich durch meinen Fehler hundert Werkstücke zerstört hätte, es hätte es keine Pfiffe gegeben. Aber es gab am Fliessband halt auch keinen Applaus, wenn ich meine Arbeit richtig gemacht haben. Die Medien sind doch keine Gefahr. Wenn immer mir jemand ein Mikrofon entgegenstreckt oder mich nach meiner Meinung fragt, dann bekomme ich die Gelegenheit, zu den Fans zu sprechen und Werbung für das Eishockey, für meinen Klub und für meine Spieler zu machen.

Sie hatten also keine Angst vor dem Erwartungsdruck in Montréal?

Nein. Ich kenne keinen Druck, ich kenne nur Herausforderungen.

General Manager Jay Feaster ist Ihr Freund. Aber eigentlich sollte er ja Ihr Boss sein. Funktioniert eine Männerfreundschaft auf dieser Ebene?

Wir kennen uns seit Jahren. Jay Feaster weiss, wie ich denke und funktioniere und ich weiss wie er funktioniert und denkt. Wir müssen nicht erst monatelang gegenseitig unsere Arbeitsweise kennen lernen. Das ist ein grosser Vorteil. Er hat als General Manager in Tampa einen Stanley Cup gewonnen, ich habe den Stanley Cup als Coach mit Colorado geholt und nun ist es unser Ziel, gemeinsam den Stanley Cup zu gewinnen.

Sozusagen zwei Männer auf einer Mission.

Sie können es so nennen. Aber ich setzte mir immer das höchste Ziel, unabhängig davon, für wen ich arbeite. Wer Mittelmass akzeptiert, wird nie etwas Ausserordentliches leisten. Ich bin nicht in die NHL zurückgekehrt um einfach dabei zu sein. Ich bin in die NHL zurückgekehrt um den Stanley Cup zu gewinnen.

Sie werden in Ihrer Mannschaft einen Schweizer Stürmer haben. Sven Bärtschi. Bekommt er einen Stammplatz?

Das kann ich jetzt nicht sagen. Ich kenne ihn noch nicht. Aber alles, was ich bisher über ihn gehört habe, ist positiv. Er bringt alles mit für eine NHL-Karriere und er bekommt seine Chance.

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