Arno Del Curto«Es ist alles mein Fehler»
HCD-Trainer Arno Del Curto sagt im Interview mit 20 Minuten Online, warum der Meister gegen die ZSC Lions in Rücklage geraten ist und wer dafür die Verantwortung trägt.

Arno Del Curto lässt seinen HC Davos immer voll gehen. Ein Fehler? In dieser Saison scheint es zumindest nicht aufzugehen.
Als wir uns vor den Playoffs unterhalten haben, sagten Sie, es wäre ganz normal gewesen, wenn Ihre Mannschaft schon vor Wochen während der Qualifikation zusammengebrochen wäre, und Sie hätten den Spielern nicht einmal einen Vorwurf machen können. Ist es nun zu diesem Zusammenbruch gekommen?
Arno Del Curto: Ja. Und es ist alles mein Fehler.
Ihr Fehler?
Ja, mein Fehler. Ich übernehme die Verantwortung und übe keine Kritik an meinen Spielern. Ich ziehe den Hut vor meiner Mannschaft. Es ist unglaublich, was meine Spieler in den letzten Monaten geleistet haben.
Aber welchen Fehler haben Sie denn gemacht?
Wir haben bis zum Schluss um den Qualifikationssieg gespielt. Ich habe dabei in den wichtigen Phasen die Schlüsselspieler zu sehr forciert. Weil wir so viel Verletzungspech hatten, haben wir 13 Spieler eingesetzt, deren Name ich vor der Saison noch gar nicht kannte oder die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bei uns waren. Aber in den entscheidenden Phasen, im Powerplay und im Boxplay sind trotzdem immer die gleichen Spieler belastet worden. Sonst hätten wir uns nicht in der Spitzengruppe der Tabelle halten können. Es ist einfach unglaublich, was meine Spieler geleistet haben. Inzwischen weiss ich: Wir hätten ein paar Spiele einfach aus der Hand geben und Kräfte sparen sollen. Stattdessen haben wir immer dagegen gehalten und alles getan, um zu gewinnen. Das hätte ich nicht zulassen dürfen.
Es wäre fatal, wenn Sie auf einmal zugelassen hätten, dass Spiele einfach aus der Hand gegeben werden.
Ja, dann hätte es wieder geheissen, wir verfälschen die Meisterschaft.
Nein, nicht deswegen. Das wäre halb so schlimm. Aber ein Arno Del Curto, der auf einmal zulässt, dass nicht mehr Vollgas gespielt wird, wird zu einem ganz gewöhnlichen Trainer. Es wäre der Anfang vom Ende Ihrer Karriere.
Ja, jeder ist halt so, wie er ist - und ich bin wie ich bin. Und doch war es ein Fehler, dass ich verlangt habe, in der Qualifikation immer voll zu gehen. Jetzt sind wir in den Playoffs nicht mehr frisch. Aber alles, was zählt, sind die Playoffs. Vielleicht muss ich daraus die Konsequenzen ziehen.
Das werden Sie nicht tun.
Warum nicht?
Weil Sie Arno Del Curto sind. Es ist undenkbar, dass Sie auf einmal nicht mehr Vollgas spielen lassen.
Vielleicht haben Sie recht. Es war so ein Gedanke. Aber ich habe ja auch nicht immer alles umgesetzt, was ich angekündigt habe. Die hohe Belastung hat schliesslich auch etwas Gutes: Wir haben gelernt zu beissen.
Sie haben kürzlich eine Liste der Verletzungen in dieser Saison zusammengestellt: Vier Fussgelenkverletzungen, drei Knochenbrüche, fünf Gehirnerschütterungen, zwei geplatzte Schleimbeutel, zwei Schulterverletzungen, vier Seitenbandrisse und ein Kreuzbandriss. Könnte das auch eine Folge der sehr hohen Belastung in Spiel und Training sein?
Nein, das glaube ich nicht. Es ist ganz einfach Pech. Drei Spieler verletzten sich beispielsweise, weil sie von Schüssen von Mitspielern getroffen worden sind, so wie zuletzt Reto von Arx. Zwei Verletzungen resultieren aus Stürzen auf dem offenen Eis ohne gegnerische Einwirkung wie der Beinbruch von Mathias Joggi. Er ist mit dem Schlittschuh in einer Rille hängen geblieben.
Kehrt Reto von Arx in der Serie gegen die ZSC Lions aufs Eis zurück?
Bei jedem anderen Spieler würde ich sagen: Nein! Er ist am letzten Freitag operiert worden (ein Splitterbruch im Mittelfinger – die Red.). Aber ich schliesse nicht aus, dass er am Dienstag spielen will. Ich denke, er kann einfach nicht tatenlos zusehen, wie wir gegen die ZSC Lions 0:2 zurückliegen.
Sie glauben also immer noch an eine Chance?
Wir geben nie auf.
Einen wichtigen Punkt müssen wir noch besprechen: Die Leistung von Torhüter Leonardo Genoni.
Ja, aber Sie hören von mir keinen Vorwurf. Niemand in unserer Mannschaft – ich betone: niemand! - denkt auch nur ganz tief im Innersten daran, Leonardo Genoni zu kritisieren. Er hat so unglaublich viel für uns geleistet.
Aber er spielte in diesem Viertelfinale nicht in Höchstform. Er trägt zumindest an der Niederlage im ersten Spiel Mitschuld.
Nein, ich bin schuld.
Warum denn das? Sie standen nicht im Tor.
Ich hätte während der Qualifikation öfter unseren jungen Ersatzgoalie (Remo Giovannini – die Red.) einsetzen und Leonardo eine Ruhepause gönnen sollen. Dann wäre er jetzt frischer. Aber wir wollten den Qualifikationssieg und deshalb habe ich immer und immer wieder mit Leonardo im Tor gespielt.
Auch andere Trainer setzen ganz auf die Nummer eins und gewähren der Nummer zwei gar keine oder nur ganz wenige Einsätze. Da brauchen Sie sich doch keine Vorwürfe zu machen.
Ja, ich weiss. In dieser Beziehung sind wir in der Schweiz noch zu wenig professionell. In jeder wichtigen Liga der Welt wird die Belastung auf mindestens zwei oft gleichwertige Goalies verteilt. Nur noch in unserer Liga wird aus Kostengründen bloss ein starker erfahrener Goalie unter Vertrag genommen. Aber es zeigt sich immer mehr, dass es bei einer Saison mit 50 Qualifikationsspielen zwei Torhüter braucht.