Victoria CupAufregender als ein WM-Final, aber...
Der Victoria Cup könnte die wichtigste, aufregendste Trophäe des Welteishockeys sein. Aber niemand weiss, ob die Ausgabe 2009 die letzte ist. Ein sportlicher Diamant im Packpapier der Sportpolitik und der Geldknappheit.
Eine Besonderheit des Eishockeys ist es, dass eine einzige Liga die Welt regiert: Die nordamerikanische NHL, die mit 30 Teams rund zweieinhalb Milliarden Dollar umsetzt. Mehr als der Rest der gesamten Hockeywelt. Das ist so, wie wenn die 30 wichtigsten Fussballklubs der Welt ihre eigene Meisterschaft spielen und sich dabei weder um WM, EM noch Champions League kümmern würden und nicht Mitglied der Fifa wären.
Endlich spielt die NHL in Europa
So ist die 1917 gegründete NHL im besten Sinne des Wortes ein Mythos: Die wenigsten europäischen Fans haben je ein NHL-Spiel live gesehen, um die Stars ranken sich Legenden. Direktbegegnungen zwischen NHL-Profis und dem Rest die Welt sind die Highlights der Hockeygeschichte. 54 Jahre dauerte es, bis 1972 zum ersten Mal überhaupt eine NHL-Auswahl gegen europäische Amateure (das Sojwetische Nationalteam) antrat, erst seit 1977 spielen NHL-Profis bei der WM und sogar erst 1998 hat die NHL zum ersten Mal den Spielbetrieb unterbrochen, um den NHL-Stars die Olympiateilnahme zu ermöglichen. Schliesslich und endlich spielte 2008 zum ersten Mal ein NHL-Team gegen eine europäische Klubmannschaft um eine offizielle Trophäe: Die New York Rangers gewannen vor einem Jahr in Bern gegen Magnitogorsk den ersten Victoria Cup.
Die Trophäe ist zum hundertjährigen Jubiläum des Internationalen Hockeyverbandes (IIHF) kreiert worden. Die Idee hinter diesem Pokal: Der Stanley Cup-Sieger (also die beste NHL-Mannschaft) spielt gegen den Sieger der Champions Hockey League (also das beste europäische Team). Es wäre die faszinierendste Partie im internationalen Hockeybusiness, aufregender als ein WM-Final.
Droht das gleiche Schicksal wie der Champions League?
Aber gerade der Victoria Cup offenbart die Schwäche der IIHF. Präsident Dr. René Fasel sitzt zwar im IOC und ist als Präsident der Olympischen Wintersportverbände einer der mächtigsten Funktionäre der Welt. Aber den eigenen Laden, die IIHF, hat er nicht mehr im Griff seit der Deutsche Horst Lichtner den Schweden Jan-Ake Edvinsson 2006 als Generalsekretär abgelöst hat. Immerhin: Fasel dämmert, dass er Lichtner feuern muss, will aber den günstigen Zeitpunkt abwarten. Der kommt nach Vancouver 2010.
Weil es Lichtner unterlassen hat, die dreijährigen Sponsoringverträge für die Champions Hockey League (CHL) mit einer Bankgarantie abzusichern, ist die CHL nach nur einer Austragung schon wieder abgeblasen worden. Die ZSC Lions sind bis auf weiteres der einzige CHL-Champion. Immerhin dürfen sie am Dienstag im Hallenstadion gegen die Chicago Blackhawks um den Victoria Cup spielen. Organisator dieses Gipfeltreffens ist die IIHF, die Ausführung ist, wie bei der CHL, der Agentur Ovation Sports AG aus dem luzernischen Kriens überlassen worden.
Keinen einzigen Rappen Preisgeld
Die finanzielle Not ist bei der IIHF so gross, dass der Victoria Cup auf das wirtschaftliche Niveau eines Fussball-Grümpelturniers abgesunken ist. Bei jedem Dorfturnier gibt es Reisegutscheine oder Fussbälle oder Bratwürste für den Sieger. Beim Victoria Cup hingegen, wie IIHF-Marketingchef Szymon Szemberg ungern bestätigt, nichts. Keinen einzigen Rappen Preisgeld.
Selbst wenn die ZSC Lions die höchste Klubtrophäe der Welt gewinnen, verdienen sie nichts und ZSC-Manager Peter Zahner sagt nicht ohne Ironie: «Wenigstens kostet uns der Victoria Cup nichts.» Und Szemberg bedauert, dass das Budget im Vergleich zur ersten Austragung von 2008 in Bern nochmals zurückgefahren werden musste. Es stehe noch weniger Geld zur Verfügung. «Aber die Zuschauer werden davon nichts merken.» Ganz nebenbei: Es sind noch nicht einmal alle Rechnungen für die Victoria Cup-Veranstaltung 2008 in Bern bezahlt.
Die Ohnmacht der Bürokraten
Die Ohnmacht der IIHF-Bürokraten um Lichtner und Szemberg zeigt sich auch daran, dass sie keinen Einfluss darauf haben, welches NHL-Team um den Victoria Cup antritt. Das entscheidet die NHL. Und die hütet sich, den Stanley Cup-Sieger zu entsenden und mit einer Niederlage den Mythos als beste Liga der Welt zu gefährden.
Weil es die IIHF unterlassen hat, das Projekt mit längerfristigen Verträgen zu sichern, weiss niemand, ob 2010 zum dritten Mal um den Victoria Cups gespielt wird, Marketinggeneral Szemberg sagt, was inzwischen bei der IIHF die Standardantwort auf fast alle Fragen geworden ist: «Wir wissen es nicht» - «Wir hoffen es» - «Wir verhandeln».