Die SCL Tigers stehen vor einem Millionen-Defizit

Aktualisiert

Es fehlt an GeldDie SCL Tigers stehen vor einem Millionen-Defizit

In Langnau wird die Bühne für das nächste grosse Hockey-Finanztheater aufgebaut. Für die neue Saison fehlen bereits 700 000 Franken und im Frühjahr 2013 droht ein Millionen-Defizit.

von
Klaus Zaugg
Langaus Arnaud Jacquemet am 25. August in einem Testspiel gegen den EHC Wolfsburg.

Langaus Arnaud Jacquemet am 25. August in einem Testspiel gegen den EHC Wolfsburg.

Nie mehr seit dem 3. März 1943 ist ein Treffen im Emmental so sorgfältig geheim gehalten worden. Damals trafen sich General Henri Guisan und der Deutsche Geheimdienst-Offizier Walter Schellenberg im Bären zu Biglen. Letzte Woche wagten sich die Beteiligten nicht einmal mehr in eine Beiz und schon gar nicht in die Geschäftsstelle der SCL Tigers. Heinz Schlatter steuert seinen Offroader am 17. August auf den Firmenparkplatz der Fischer AG in Langnau und verschwindet durch den Hintereingang ins Gebäude. Das Unternehmen gehört Martin Lenz, dem Verwaltungsrat der SCL Tigers. Am Tisch bei den Verhandlungen: Martin Lenz, Tiger-Präsident Peter Jakob, Tiger Geschäftsführer Ruedi Zesiger und Heinz Schlatter. Es gilt die höchste Geheimhaltungsstufe.

Warum diese Geheimniskrämerei? Warum treffen sich die SCL-Generäle heimlich ausgerechnet mit ihrem Ex-Manager Heinz Schlatter? Ganz einfach: Weil sie am Ende ihres Lateins sind. Das wunderbare, neu renovierte Stadion in das die Gemeinde Langnau und Präsident Peter Jakob je rund 14 Millionen investiert haben, erweist sich immer mehr als eine Nummer zu gross. Bereits vor dem Saisonstart fehlen 700 000 Franken Werbeeinnahmen und im Frühjahr 2013 droht dadurch ein Betriebsdefizit von mehr als einer Million. Gelingt es nicht, eine Lösung zu finden, sind die jetzt noch schuldenfreien und wirtschaftlich kerngesunden SCL Tigers bereits in zwei Jahren wirtschaftlich am Ende.

Zu wenig Werbegelder

Geschäftsführer Ruedi Zesiger bestätigt auf Anfrage von 20 Minuten Online: «Ich nenne keine Summen. Aber es ist richtig, dass uns zurzeit bei den Werbeeinahmen mehrere hunderttausend Franken fehlen.» Der Grund ist nicht Misswirtschaft. Ruedi Zesiger erklärt 20 Minuten Online: «Viele unserer Sponsoren sind Investoren geworden.» Will heissen: Unternehmen, die jahrelang durch Werbung das Tagesgeschäft der SCL Tigers mitfinanzierten, haben nun in den neuen Hockeytempel investiert und kein Geld mehr für Werbung und fürs Tagesgeschäft. Rund 700 000 Franken Werbeeinnahmen sind so verloren gegangen. Neue Werber haben die Langnauer bisher nicht gefunden. Denn diese neuen Kunden müssen sie ausserhalb des vertrauten Beziehungsnetzes, ausserhalb des Gotthelflandes auf der nationalen Bühne finden. Aber dafür fehlt das Beziehungsnetz.

Was nun noch dazu kommt: Wollen die Langnauer mit dem neuen Hockey-Tempel Geld verdienen, muss es nach der Eröffnung am 20. Oktober mit dem Spiel gegen Servette auch dann rocken und rollen, wenn nicht Hockey gespielt wird. Aus einem Provinzklub ist jetzt ein Konzern der Unterhaltungsindustrie geworden. Die Langnauer brauchen Spezialisten wie die SCB-Marketing-Ikonen Marc Lüthi und Erwin Gross, um das Business während des ganzen Jahres im Gang zu halten. Aber die Emmentaler haben ihren Marc Lüthi noch nicht gefunden. Und die Verwaltungsräte, die bisher das Hockey-Betriebs-Defizit jeweils diskret tilgten und deren Namen mir soeben entfallen sind, haben unmissverständlich erklärt, dass sie nicht mehr länger den Götti machen können.

Tigers brauchen einen wie Heinz Schlatter

Eigentlich ist klar, wer die SCL Tigers vermarkten und retten könnte: Heinz Schlatter. Der Sportvermarkter mit eigener Firma und erfolgreicher Verkaufsleiter in der Firma von SCL-Verwaltungsrat Karl Brügger, hat bereits zwei Jahre lang die Tiger gemanagt. Als er Ende August 2009 zusammen mit Präsident Hans Grunder mit Karacho unterging, hatte er mehr verändert und geleistet als die meisten seiner Vorgänger. Aber beim Aufbrechen verkrusteter Strukturen hatte er sich den Zorn der Dorfkönige zugezogen. Die SCL Tigers waren noch nicht bereit für einen wie Schlatter. Aber jetzt brauchen die SCL Tigers dringend einen wie Heinz Schlatter. Deshalb wird er zu Geheimgesprächen nach Langnau eingeladen.

Das Thema beim Geheimtreffen im Büro der Fischer AG: Heinz Schlatter übernimmt ab sofort im Mandat die Vermarktung der SCL Tigers und des neuen Stadions. Er wird erneut «Mister Langnau.» Im Gespräch werden alle Animositäten und Missverständnisse aus früheren Zeiten ausgeräumt. Alles scheint klar. Aber Präsident Peter Jakob will erst noch im Umfeld ein bisschen sondieren und wissen, wie die Rückkehr Schlatters wohl aufgenommen wird.

Schlatter ist motiviert

Heinz Schlatter ist Feuer und Flamme für die neue Aufgabe. Er beginnt bereits am grossen Rad zu drehen. Ein internationaler Milliardenkonzern ist an einem Engagement im Emmental interessiert. Aber am letzten Dienstag hat Heinz Schlatter von Präsident Peter Jakob eine Absage bekommen: Eine Zusammenarbeit sei nun doch nicht möglich. Weil zu heikel. Die «Dorfkönige» vom Hirschen-Stammtisch haben den Präsidenten verunsichert. Auf Anfrage von 20 Minuten Online bestätigt Schlatter: «Ja, es stimmt, dass ich mit den Langnauern Gespräche geführt habe. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.»

Was nun? Allen ist klar, dass es an der Vermarktungsfront lichterloh brennt. Deshalb werden jetzt die Posten in einer Verzweiflungsaktion neu besetzt: Geschäftsführer Ruedi Zesiger soll sich künftig primär um die Vermarktung kümmern. Deshalb suchen die Langnauer zu seiner Entlastung im sportlichen Tagesgeschäft einen Sportchef. Ruedi Zesiger redet zu diesem Thema um den Brei herum wie ein Vater, der von seinem Bub gefragt wird, woher die kleinen Kinderlein kommen. Vom Storch fabuliert er zwar nicht und gibt gegenüber 20 Minuten Online immerhin zu: «Unser Unternehmen entwickelt sich und wir müssen uns dieser Entwicklung auch personell anpassen. Es ist denkbar, dass ich neue Aufgaben übernehme.»

Ein Kampf der Kulturen

Es ist bloss eine Notlösung. Eine Feuerwehrübung. Die neue Saison ist aufgegleist, das sportliche Tagesgeschäft läuft und es ist möglich, Ruedi Zesiger von der Sportfront abzuziehen und ab sofort der Verkaufsfront einzusetzen. Das Problem: Der überaus tüchtige Sportmanager und Organisator ist kein Verkäufer. Ihm fehlen das Charisma und die «grosse Schnauze» Schlatters, die es im Verkaufsgeschäft des 21. Jahrhunderts nun mal braucht.

Die Langnauer sind in ihrem neuen Stadion in Teufels Küche geraten: Verunsichert durch die Angst vor dem grossen Defizit verzichten sie bereits auf einen vierten Ausländer. Das kann dem starken, auf dem Transfermarkt gut ergänzten Team die Playoffs kosten. Die SCL Tigers haben mit der neuen Arena die Struktur geschaffen, um im Hockeygeschäft einen grossen Schritt vorwärts zu machen. Aber nun fehlen das Personal und das Knowhow, um diesen Schritt erfolgreich zu managen. Die Dorfkönige möchten lieber alles so halten wie bisher. Aber das geht nicht mehr. Es ist auch ein Kampf der Kulturen. Die konservativen Bewahrer gegen die Modernisierer. Der Zeugen Gotthelfs gegen die «Schlatterianer». Die SCL Tigers stehen vor der grössten Herausforderung seit dem Wiederaufstieg von 1998. Die Bühne für das nächste grosse Hockey-Finanztheater steht in Langnau. Wie zuletzt in Kloten dürfte es schliesslich auch im Emmental ein Happy-End geben. Irgendwie.

Deine Meinung zählt