Ein Team, gebaut für Hockey-Dramen

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«Time-out»Ein Team, gebaut für Hockey-Dramen

Trainer Harry Rogenmoser hat das langweiligste Team der Liga zu einer Traumfabrik umgebaut. Wir dürfen uns auf Hockeydramen mit den Lakers freuen.

von
Klaus Zaugg

So hat sich Harry Rogenmoser vor der Saison den Montag, 22. Oktober, nicht einmal im Traum vorstellen können. Normal wäre, wenn er seine Spieler im Training am Tag vor der Partie gegen den SCB hätte aufmuntern müssen. Ihnen erklären, warum es selbst gegen ein Team wie den SCB immer eine Chance gibt. Und die Hoffnung verbreiten, dass die Playoffs immer noch möglich sind.

Doch es ist ganz anders. Er steht mit den Lakers auf Rang 5, einen Punkt vor dem grossen SCB. Letzte Saison holten die Lakers in 50 Partien 40 Punkte. Jetzt sind es nach nur 15 Spielen schon 23 Zähler. Ein Hockeywunder. Rogenmosers grösste Sorge ist, dass seine Spieler nicht zu übermütig werden. Er muss Bescheidenheit lehren. Er mahnt: «Wir haben noch gar nichts erreicht.»

Nicht nur der Geldsegen hilft

Wie ist es möglich, dass das Schlusslicht der letzten Saison jetzt in der oberen Tabellenhälfte steht? Es spielt eine Rolle, dass die Lakers auch dank der Hilfe des Milliardärs Hans-Ueli Rihs wieder ein stabiles Hockeyunternehmen geworden sind. Die Wende hat aber nicht ein Aufrüstungsprogramm gebracht. Bei hohem Umsatz auf dem Transfermarkt (drei neue Ausländer) ist die Mannschaft nominell zwar besser und ausgeglichener als vor einem Jahr. Aber diese Steigerung konnte nicht erwartet werden.

Die Lakers zelebrieren aus zwei Gründen das spektakulärste Hockey der Liga. Erstens: In lichten Momenten spielt keine andere Mannschaft MIT der Scheibe so kreativ, dynamisch und unberechenbar vorwärts. Adrian Wichser kann das Spiel offensiv dominieren wie zurzeit kaum ein anderer Schweizer Stürmer. Harry Rogenmoser hat nicht nur Adrian Wichsers Leidenschaft neu entfacht. Auch Michel Riesen und Duri Camichel haben ihre Spielfreude wieder gefunden und Schillerfalter Loïc Burkhalter ist ein verlässlicher Leistungsträger mit ausgeglichener Plus/Minus-Bilanz geworden. Mit einer so guten Balance in seinem Spiel wie vielleicht noch nie. Heute bestreitet er seine 800. NLA-Partie.

Ohne Puck zu schwach

Aber – und damit sind wir beim zweiten Grund - zum Spektakel gehört auch, dass die Lakers OHNE Puck zu den schwächsten Teams der Liga gehören. Deshalb gibt es diese extremen Leistungsschwankungen: 3:2 in Zürich, 3:1 in Bern, 4:1 gegen Lugano, 8:4 gegen Langnau oder 6:5 n.P. in Zug. Aber auch ein 2:9 in Davos, ein 1:8 in Genf und ein 1:7 in Fribourg.

Die Leidenschaft und die Spielfreude, welche die Lakers vorwärtstreiben und -tragen, lassen sich nicht so einfach auf Knopfdruck in defensive Disziplin verwandeln. Die Lakers haben bisher 57 Treffer kassiert, sieben mehr als Schlusslicht Ambri, und sie sind damit das defensiv schwächste Team der Liga. Obwohl David Aebischer alles andere als ein Lottergoalie ist und bisher 90,15 Prozent der Schüsse gehalten hat. Der Stanley-Cup-Sieger von 2001 spielt seine beste Saison auf Schweizer Eis.

Eishockey als Spiel, nicht als Arbeit

Mit dem Spiel OHNE Puck und der Defensivorganisation der SCL Tigers würden die Lakers die Liga dominieren. Aber Harry Rogenmoser hat nicht die Rollenspieler für John Fusts «American Football on Ice» oder Chris McSorleys Hochgeschwindigkeits-Variante der Langnauer Defensivtaktik. Servettes aktuelle Dominanz ist logisch: Chris McSorley kann in seinem System endlich alle Positionen mit überdurchschnittlichen Spielern besetzen – und schon rockt und rollt es. Schliesslich ist dieses System seit elf Jahren eingeübt. Vor einem Jahr fehlten dem Kanadier die Spieler. Bereits nach drei Partien hatte er nur noch zwei Ausländer gehabt.

Die Lakers haben weder die Systemsicherheit noch die Tempofestigkeit, Wasserverdrängung und auch nicht das Talent des Tabellenführers aus Genf. Harry Rogenmoser kann Servette und das «System McSorley» nicht kopieren. Würde er seine Spieler zu sehr disziplinieren und taktisch dressieren, dann könnte er zwar die Anzahl Gegentreffer senken – aber dann würden die offensive Dynamik und Kreativität verloren gehen. Die Lakers verstehen Eishockey als Spiel. Nicht als mühselige Arbeit.

Rogenmoser orientiert sich an Spielern

Harry Rogenmoser steht erst in seiner zweiten ganzen NLA-Saison als Cheftrainer. Er hat das Staunen noch nicht verlernt. Für ihn ist die Reise durch die Qualifikation 2012/13 ein Abenteuer und er versteht es, seine Begeisterung, seine Freude an diesem Spiel seinen Jungs zu vermitteln.

Selbst weitgereiste und altgediente Spieler sagen, dieser Trainer verstehe es, auf eine ganz besondere Art und Weise Emotionen zu entfachen. Intuitiv hat Harry Rogenmoser die richtige Hockeyphilosophie für seine vielen «Desperados» gefunden. Gute Trainer zeichnen sich dadurch aus, dass sie die richtige Hockeyphilosophie für ihre Spieler finden – und nicht darüber jammern, dass sie nicht die Spieler haben, um das Hockey zu spielen, das sie gerne möchten. In diesem Bereich liegt vielleicht der entscheidende Irrtum von Ambris gescheitertem Trainer Kevin Constantine: Er wollte die Spieler zu sehr in sein Spielsystem zwängen.

Wie weit kommen die Lakers?

Wie weit kommen die Lakers? Das ist eine der interessantesten Fragen der laufenden Qualifikation. Harry Rogenmosers Team, kann sich die Playoffs nicht mit diszipliniertem, langweiligem Systemhockey erarbeiten und erdauern. Die Lakers müssen in die Playoffs stürmen. Triumph (Playoffs) oder Scheitern (Playouts) spielt für den neutralen Zuschauer keine Rolle – beides wird uns vorzügliche Unterhaltung bescheren. Diese Lakers sind eine Hockey-Traumfabrik, gebaut für aufwühlende Niederlagen und spektakuläre Siege. Für Hockeydramen.

Knieverletzung bei Camenzind

Die Rapperswil-Jona Lakers müssen vorderhand vier bis acht Wochen auf Andreas Camenzind verzichten. Laut der «Südostschweiz» erlitt der zum Verteidiger umfunktionierte Center am Samstag im Spiel gegen Davos (2:3) einen Anriss des vorderen Kreuzbandes im rechten Knie. Sollte die konservative Behandlung nicht anschlagen und er operiert werden müssen, würde dies für den 30-jährigen Camenzind das Saisonende bedeuten.

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