Grande ist in Lugano nur noch das Portemonnaie

Aktualisiert

100 Mio. verlochtGrande ist in Lugano nur noch das Portemonnaie

Kein anderes Team scheitert so grandios wie der HC Lugano. Die Tessiner sind mit dem teuersten Team der Liga bereits zum siebten Mal in Serie nicht über die Viertelfinals hinausgekommen.

Klaus Zaugg
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Klaus Zaugg

Das Lugano des Frühlings 2006 war eines der spielerisch besten Meisterteams aller Zeiten. Dieser Titel ist bis heute der letzte Erfolg der Tessiner geblieben. Ja, Lugano hat seither nicht einmal eine einzige Playoff-Serie mehr gewonnen und musste sogar zweimal in die Playouts. Alle anderen grossen Teams (ZSC Lions, Davos, SC Bern) haben seither mindestens einen Titel geholt und mehrmals das Finale erreicht.

Nun ist Lugano erneut gescheitert. Zum 7. Mal in Serie. Mindestens 100 Millionen Franken hat Lugano seit 2006 in Löhne, in Stars und vermeintlich grosse Trainer investiert. Mit nullkommanull sportlichem Ertrag. Selbst ein perfekt vorbereitetes Team kann Scheitern. Auch ein Trainer, der alles richtig macht, kann in den Playoffs auf der Strecke bleiben. Zweimal oder dreimal Scheitern ist möglich, wenn die Hockey-Götter zürnen. Aber wenn ein Hockeyunternehmen, bei dem Geld keine Rolle spielt, sieben Mal in Serie scheitert, dann ist dieses Scheitern selbst verschuldet. Biel, Servette und Davos haben in diesen Playoffs ein Maximum geleistet, ja sie sind über sich hinausgewachsen und doch gescheitert. So wie das Scheitern eben zum Sport dazugehört. Aber bei Lugano ist der Misserfolg längst ein Teil der Unternehmenskultur geworden. Der Untergang gegen Zug war ein programmierter Misserfolg.

Dolce vita unter Palmen

Lugano sitzt mit politisch viel zu mächtigen Spielern in der Bequemlichkeitsfalle. Steve Hirschi, Petteri Nummelin, Julien Vauclair und Flavien Conne sind seit der letzten Meisterfeier in Lugano geblieben. Michael Flückiger, Sébastien Reuille und Glen Metropolit sind zurückgekehrt. Seit dem letzten Titel sind nicht weniger als sieben Trainer gescheitert (Zanatta, Slettvoll, Bozon, Virta, Johansson, Smith und Huras). Fünf davon gehörten bereits vor ihrem Amtsantritt entweder als Spieler oder Assistent oder Trainer zur grossen Lugano-Familie. Nichts dokumentiert den Tunnelblick, die Verweigerung zur Erneuerung, besser als die Rückkehr der früher bereits einmal gescheiterten und gefeuerten Trainer John Slettvoll und Larry Huras.

Lugano ist ein grosses, mächtiges Sportunternehmen. Es zahlt, wenn es will, die höchsten Löhne ausserhalb Russlands und der NHL. Die Lebensqualität im «Kalifornien Europas» ist eine der höchsten auf dem Planeten Hockey («Eishockey unter Palmen»). Aber für bäumige Saläre und bequemes Leben wird nicht konsequent Leistung gefordert. Es gibt kein forderndes Umfeld, kein Bewusstsein der eigenen Wichtigkeit und Grösse und der daraus resultierenden Verpflichtung zur Leistung wie etwa in Bern. Längst wissen die politisch mächtigen Spieler: Misserfolg – na und? Es spielt ja auch keine Rolle, ob die Zuschauer kommen oder nicht. Weil die milliardenschwere Mantegazza-Familie die wirtschaftliche Existenz sichert, hat sportlicher Misserfolg keine finanziellen Konsequenzen. Jedes andere Hockeyunternehmen im Land wäre bei so hohen Investitionen und so lächerlichem sportlichen Ertrag untergegangen.

Es geht in Lugano ganz einfach allen zu gut. Der Wille zur Veränderung ist verloren gegangen. Weil es ja allen auch im Misserfolg wunderbar geht. Die Nordamerikaner haben für diese Mentalität einen träfen Ausdruck kreiert: «Fat Cats» («fette Katzen»). Lugano hat keine Leistungskultur mehr.

Es fehlt am Willen, nicht am Können

So wie die Dinge liegen, dürfte Lugano auch im Frühling 2014 scheitern und keine Playoff-Serie gewinnen. Denn es bleibt alles, wie es ist. Trainer Larry Huras darf bleiben. Die Harmonie im Misserfolg wird nicht gestört. Immer wieder gibt es zwar Lichtblicke. Der HC Lugano kann in lichten Momenten wie das einstige meisterliche «Grande Lugano» aufspielen und jeden Gegner mit grandiosem Schönwetterhockey besiegen. Lugano kann, wenn es will, auch rumpeln.

Aber es reicht nur für einzelne Gala-Antritte. Eine ganze Saison dominieren und dann in den Playoffs während einer ganzen Serie leiden und die Komfortzone verlassen – dazu war Lugano erneut nicht in der Lage. Es sind nicht die grossen spielerischen Defizite und auch nicht taktische Fehler, die Lugano zum Verhängnis werden. Es war auch diesmal die Summe der kleinen Unzulänglichkeiten, die nur mit Leidenschaft, Mut, Willen und Leidensfähigkeit kompensiert werden könnten.

Lugano braucht wieder einmal eine Revolution

Die bereits bekannten Transfers werden Chemie und Leistungskultur nicht verändern und das Torhüterproblem ist nicht gelöst. Weder Michael Flückiger noch Daniel Manzato sind grosse Goalies. Und Reto Berra ist noch zu jung und zu ehrgeizig, um schon nach Lugano zu wechseln. Und wenn er es doch tun sollte, dann ist Geld der einzige Grund. Sportchef Roland Habisreutinger müsste ihm sozusagen die NHL-Träume «abkaufen».

Lugano braucht heute mehr denn je eine Revolution wie damals in den frühen 1980er Jahren. Als Präsident Geo Mantegazza den fanatischen Rebellen und Sozialisten John Slettvoll aus Lappland als Trainer holte und mit allen Vollmachten ausstattete. Wer nicht spurte, musste gehen. Im Vergleich zum Slettvoll der 1980er Jahre ist Larry Huras ein sanfter Romantiker. Slettvoll revolutionierte Lugano und Lugano revolutionierte unser Hockey. Erst als der der Schwede reich geworden war, wurde auch er zur «fetten Katze». Das war aber erst nach vier Meistertiteln und zwei Finals.

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