Schläpfers Erfolg mit«Woodoo-Motivation»

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Trainer holt MaximumSchläpfers Erfolg mit«Woodoo-Motivation»

Kevin Schläpfers Bieler sind mit dem 4:0 gegen die ZSC Lions im Marathonlauf um die Playoffs wieder ein paar Meter weiter gekommen. Den Zürchern gelang in der Nacht der steinernen Hände wenig.

Klaus Zaugg
von
Klaus Zaugg
Kevin Schläpfer kann auch mal laut werden.

Kevin Schläpfer kann auch mal laut werden.

Im Boxsport gelten steinerne Hände als grosses Kompliment: Roberto Duran, einer der Grössten aller Zeiten – er hielt einmal WM-Titel in vier verschiedenen Gewichtsklassen - wurde als Mann mit den steinernen Händen und Fäusten verehrt. Im Eishockey hingegen stehen steinerne Hände für Spieler, die mit dem Puck nicht umgehen können. Wie die ZSC Lions am Samstag beim 0:4 in Biel.

Zwei sinnbildliche Szenen

Der Puck wollte einfach partout nicht das tun, was die Zürcher wollten. Er springt von den Stockschaufeln oder findet gar nicht erst den Weg dorthin. Er fliegt weit übers Tor oder in die Fanghand oder in die Schoner von Biels Weltklasse-Torhüter Reto Berra. Zwei Szenen ist typisch für das verunglückte Spiel der Zürcher – oder für die Tüchtigkeit der Bieler: Ausgerechnet Michael Nylander, eigentlich ein Mann mit magischen und nicht steinernen Händen, verliert ein Anspiel gegen Gianni Ehrensperger und die Scheibe landet zum wegweisenden 1:0 für Biel im Netz. Es ist Ehrenspergers erster Saisontreffer und der Anfang vom schmählichen Ende für die ZSC Lions. Beim Stande von 2:0 nimmt Andres Ambühl das Herz in beide Hände, stürmt ins Drittel der Bieler – und dann fällt er er ohne gegnerische Einwirkung rückwärts um und verliert den Puck.

In dieser «Nacht der steinernen Hände» triumphiert Biel in einem Spiel, das lange Zeit an Hockey aus einer nordamerikanischen Farmteamliga mahnt. Zahllose Zweikämpfe, Missverständnisse, Abspielfehler und kuriose Szenen. Eishockey mit steinernen Händen. Es ist der Stil, der Biels limitierten spielerischen Mitteln entgegenkommt. Erst im Schlussdrittel mündet es für die Bieler gegen die resignierenden Zürcher in ein Schaulaufen. Die Bieler machen zwar auch Fehler. Aber ihr Spiel ist wie schon am Freitagabend in Fribourg (3:5-Niederlage) gut strukturiert und Fehler können ausgebügelt werden. Die meisten Zweikämpfe werden gewonnen, und mit Mut und Leidenschaft macht jeder an seinem Platz das, was das taktische Gebot der Stunde ist. Auch die ausländischen Spieler fügen sich ins taktische Konzept ein. Wenigstens das. Biel hat die unproduktivsten Ausländer der Liga und ein bitterböser Spötter hat einmal gesagt, der EHC Biel mahne an die SVP: Man nehme keine Hilfe von Ausländern an weil man meine, es müsse bei uns auch ohne Ausländer gehen.

Schläpfer treibt sein Team zum Maximum

Wieder einmal ist es Trainer Kevin Schläpfer gelungen, ein Maximum aus dem Team herauszuholen und nach einer Niederlage (3:5 am Vorabend gegen Fribourg) für eine heftige Reaktion zu sorgen. Nach dem Spiel ist er heiser. Nicht wegen einer Erklärung. Er hat getobt. «Manchmal muss man halt laut reden, damit jeder versteht, was gemeint ist.»

Schläpfers Temperamtsausbrüche sind inzwischen Kult. Denn der Baselbieter brüllt oder schreit nicht einfach herum. So würde er sich nur abnützen und bald würde niemand mehr zuhören. Wie mehrere Spieler übereinstimmend erzählen, seien Schläpfers Auftritte vielmehr eine mitreissende Mischung aus Zorn, Leidenschaft, Begeisterung und Belehrung. Sozusagen ein Vollgas-Fachvortag. Man spüre, dass er es ernst meine und doch komme keine negative Energie auf. «Hockey-Gott» Schläpfer beherrscht die Kunst der «Woodoo-Motivation» wie kein anderer in dieser Liga.

ZSC: Gibt sich und hat Mühe

Eigentlich wäre jetzt Polemik gegen die ZSC Lions ein Gebot der Stunde. Aber einen Vorwurf, den man früher den Zürchern immer machen konnte und beim Volk gut ankam – Faulheit – trifft nicht mehr zu. Oder wenigstens nicht vollumfänglich. Eher scheint eine Art Rat- und Mutlosigkeit die ZSC Lions zu hemmen. Sie geben sich Mühe und haben Mühe. Die meisten arbeiten hart und sind emsig bemüht, etwas zum Gelingen beizutragen. Aber die meisten Versuche scheitern kläglich, und wenn die Spieler nicht Nummer und Namen auf dem Trikot tragen würden – es wäre nicht möglich festzustellen, wer Star und wer Mitläufer ist. Jeder scheint sich hinter seinem Mitspieler zu verstecken.

Auch bei Biel ragt keiner aus der Mannschaft heraus. Aber nicht, weil jeder Scheibe und Verantwortung dem Mitspieler zuschiebt. Sondern weil jeder die Scheibe und die Verantwortung sucht. Es gibt nur einen einzigen Star in diesem Team: Torhüter Reto Berra. In dieser Form der beste Goalie der Liga.

Rumpelhockey entspricht Zürchern nicht

Eigentlich müssten die Zürcher das gleiche simple Rumpelhockey spielen wie die Bieler und dann mit ihrem enormen Potenzial versuchen, das Spiel nach und nach weiter zu entwickeln. Aber es gelingt ihnen nicht, durch dieses taktische Nadelöhr zu schlüpfen. Vielleicht liegt ja gerade darin einer der Gründe für die Misere: Die Spieler denken, sie seien zu talentiert, um einfaches Hockey zu spielen. Schliesslich haben die meisten ja die Champions Hockey League gewonnen und die Chicago Black Hawks gebodigt. Die Erinnerungen an diese Triumphe sind immer noch lebendig. So versucht jeder, da noch einen Gegenspieler auszutanzen, dort noch einen Pass zu viel zu schlagen. Im Abschluss wird, typisch für eine verunsicherte Mannschaft, der Pass zum Mitspieler der Verantwortung zum Abschluss vorgezogen. Es fehlt der Mut zum einfachen, geradlinigen Spiel. Als sei man sich zu gut dafür. Und die Unsicherheit macht die Hände steinern.

Die ZSC Lions mahnen an einen Trupp Maler, die ein Haus anstreichen sollten. Aber jeder versucht, ein Kunstwerk im Stile von Salvatore Dalì zu malen. Das kann in einer «Nacht der steinernen Hockey-Hände» nicht gut gehen.

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