Zurück zum SCB, der ihn einst davonjagte

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Mark StreitZurück zum SCB, der ihn einst davonjagte

Mark Streit spielt während des NHL-Lockouts für den SC Bern. SCB-Sportchef Sven Leuenberger korrigiert damit den grössten Irrtum der Vereinsgeschichte.

Klaus Zaugg
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Klaus Zaugg

Der Amerikaner Bill Gilligan geniesst beim SC Bern zu Recht Kultstatus. Im Sommer 1988 übernimmt er die Mannschaft, die soeben knapp dem Abstieg entronnen ist. Beim ersten Meeting mit den Spielern macht er klar: Das Ziel ist der Titel. Lange vor Barack Obama gelingt ihm mit dem «Yes, we can!» ein historischer Erfolg: Im Frühjahr 1989 besiegt der SCB im Playoff-Finale sensationell den HC Lugano. Unter Bill Gilligan holte der SCB 1989, 1991 und 1992 den Titel.

Aber Bill Gilligan steht auch für den grössten Irrtum der SCB-Geschichte. Von 1994 bis 1998 arbeitet er mit grossem Erfolg als Sportchef beim SCB und managt die Berner 1997 erneut zum Titel. Aber im Frühjahr 1995 verkauft er die beiden Junioren Mark Streit und Sascha Schneider (er bringt es später bis zum Nationalstürmer) an den HC Fribourg-Gottéron. Grund: Beide werden für eine grosse NLA-Karriere als untauglich eingestuft und die «dummen Fribourger» sind auch noch bereit, für die beiden Junioren eine Transfersumme von je 40 000 Franken zu bezahlen. Herzlich wird in Bern über diese Einfalt des Erzrivalen gelacht.

Streit mit glänzendem Debüt bei Fribourg

Es gibt deshalb einen Treppenwitz der Hockey-Geschichte: Wir finden auf der offiziellen Kaderliste des HC Fribourg-Gottéron für die Saison 1995/96 bei den Verteidigern neben Johan Bertholet, Frédy Bobillier, Patrice Brasey, Antoine Descloux, Andi Egli, Christian Hofstetter, Olivier Keller, David Leipzig und Marc Werlen auch…Mark Streit. Tatsächlich debütiert der verschmähte SCB-Junior beim HC Fribourg-Gottéron in der NLA und kommt bei 34 Einsätzen auf zwei Tore und zwei Assists. Mark Streit bleibt nicht lange bei Gottéron.

Derweil ist Arno Del Curto beim ZSC im Laufe der Saison 1994/95 gefeuert und zum Erstliga-Trainer (Luzern) degradiert worden. Auch das letztlich ein Glücksfall. Denn nun hat er Zeit, das Junioren-Nationalteam bei der U20-WM vom 26. Dezember 1995 bis zum 4. Januar 1996 in Boston zu coachen. Heute ist beinahe vergessen gegangen, dass diese WM als so etwas wie die Geburtsstunde der modernen HCD-Geschichte gilt: In diesem Team spielen nämlich unter anderem Reto von Arx, Sandy Jeannin, Ivo Rüthemann, Sandro Rizzi, Frédéric Rothen, Michel Riesen, Laurent Müller, Michael Kress und Mark Streit – sie alle werden einmal beim HCD unter Arno Del Curto spielen.

Del Curto wollte Streit und Seger zu Davos holen

Präsident Werner Kohler und Manager Erich Wüthrich holen Arno Del Curto für die Saison 1996/97 als Trainer nach Davos. Obwohl die Vorbehalte im Dorf gross sind: Ein Engadiner in Davos? Das kann kaum gutgehen. Der erste Transferauftrag, den der neue Trainer seinem Manager Erich Wüthrich gibt: Unbedingt die beiden Verteidiger Mathias Seger (damals beim Erstligisten Uzwil) und Mark Streit (von Fribourg-Gottéron) holen. Arno Del Curto hat beide bei der U20-WM in Boston kennen und schätzen gelernt und ist überzeugt davon, dass beide ein enormes Potenzial haben.

Erich Wüthrich erinnert sich noch gut an diesen Auftrag, der den Verlauf der Schweizer Hockeygeschichte entscheidend beeinflussen sollte. «Wir schätzten damals Mathias Seger eher etwas höher ein als Mark Streit. Aber Arno wollte unbedingt beide. Seger ging zu Rapperswil, nur Streit kam nach Davos.» Er kann sich noch sehr gut an den Transfer des jungen Mark Streit erinnern. Wegen besonderer Umstände.

Statt Rock'n'Roll in Davos eine NHL-Karriere

«Mir war sofort klar, dass Mark Streit anders war als seine Alterskollegen. Schon im Juniorenalter fiel er mit seiner Professionalität und Seriosität auf. Seine Eltern bestanden darauf, dass er in einer eigenen Dreizimmerwohnung und nicht in einer WG lebte und seine Mutter kam regelmässig nach Davos, um zu sehen, ob alles seine Ordnung hatte.»

Arno Del Curto machte aus dem verschmähten SCB-Junior einen Nationalverteidiger. Der HCD-Kulttrainer hatte den entscheidenden Einfluss auf die sportliche Entwicklung des heutigen Captains der New York Islanders. Mark Streit steigerte sich kontinuierlich: 46 Spiele/11 Punkte 1996/97. 38 Spiele/14 Punkte 1997/98 und 44 Spiele/25 Punkte 1998/99. Im Frühjahr 1999 lässt sich Mark Streit in den Playoffs in 6 Partien 6 Punkte notieren und versucht in der Saison 1999/2000 in Nordamerika Fuss zu fassen. Er scheitert, bleibt in den Farmteams stecken und muss sogar in die drittklassige East Coast Hockey League. Im Frühjahr 2000 kehrt er in die NLA zurück und wird zum meisterlichen Leitwolf der ZSC Lions. In der Saison 2005/06 erobert er dann in Montréal die NHL und verdient heute in New York 4,10 Millionen Dollar pro Saison. Sein Vertrag mit den Islanders läuft im Frühjahr aus.

Nun wird Mark Streit am Mittwochnachmittag in Bern eintreffen und er wird zum ersten Mal für «seinen» SC Bern in der NLA spielen. Der grösste Irrtum der SCB-Geschichte ist korrigiert.

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