«Wir manipulieren WM-Spiele»

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Wettmafia«Wir manipulieren WM-Spiele»

Im Weltfussball zeichnet sich ein gigantischer Manipulationsskandal ab, der sogar WM-Quali-Spiele betrifft. In England sitzen mehrere Personen hinter Gittern.

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Paukenschlag in England: Undercover-Recherchen der britischen Zeitung «The Telegraph» decken im Mutterland des Fussballs eine ganze Manipulationsaffäre auf. Ein Geschäftsmann aus Singapur, der sich als Handlanger des berühmt-berüchtigten Wettbetrügers Wilson Raj Perumal ausgab, plauderte in einem Hotel in Manchester mehrmals mit verdeckten Journalisten des Telegraphs aus dem Nähkästchen: «Ich kann überall auf der Welt Spiele manipulieren. In Australien, Schottland, Irland, in Europa. An der Weltmeisterschaft, WM-Quali», erklärte der mafiöse Wettpate in einem aufgezeichneten Gespräch mit den Journalisten.

«Mindestens 15 Spiele» habe der Wettpate bei der WM-Quali gekauft. Dies wird jeden Fussball-Interessierten verblüffen und schockieren. In Afrika habe der Singapurer eine ganze Nationalmannschaft unter seiner Kontrolle gehabt, behauptet er.

Schiedsrichter kann man für 20'000 Pfund kaufen

Die Kosten für die Manipulation eines Fussballspiels beziffert das Mitglied der Singapurer Wettmafia auf 50'000 Pfund. Am besten sei es, wenn Spieler beider Mannschaften daran beteiligt sind. «Die verdienen 5000 Pfund im Monat. Bei mir können sie 7000 Pfund in 90 Minuten bekommen», erklärt der Singapurer seine Überzeugungskraft bei Akteuren in unterklassigen Ligen. In England seien die Kosten jedoch «sehr hoch, die Spieler erhalten normalerweise 70'000 Pfund pro Partie», erklärte der Mann weiter.

Einen Schiedsrichter könne er in ganz Europa für 20'000 Pfund kaufen. Diesem grossen finanziellen Aufwand für eine Spiel-Manipulation stehe aber ein Mehrfaches an Gewinn gegenüber. Bis anhin galten Spielverschiebungen in England in der allgemeinen Wahrnehmung als unmöglich. Zu gross sei dort die Tradition des Sportgeistes in der Mentalität verankert, verlieren gegen Geld – unmöglich.

Ex-Premier-League-Profi verhaftet

Es sind auch im Mutterland des Fussballs, unter anderem dank den Recherchen, am Mittwoch sechs Verhaftungen durch die National Crime Agency (NCA) erfolgt. Zu den Verhafteten gehören neben dem «interviewten» Asiaten unter anderen drei Fussballer von unterklassigen englischen Klubs sowie der ehemalige Premier-League-Spieler Delron Facey. Er ging zwischen 2002 und 2004 bei den Bolton Wanderers auf Torejagd und agierte nach seinem Karriereende als Spielerberater.

«Im Fokus der Operation ist ein international tätiges Wettbetrugs-Syndikat», lässt die NCA verlauten. Für die Behörde, die erst dieses Jahr für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen gegründet wurde, ist dieser Fall einer der ersten. Zu den involvierten Mannschaften ist momentan noch nichts bekannt. Dass es sich um Teams der Premier League handelt, konnte die Polizei zum jetzigen Zeitpunkt aber ausschliessen.

5000 Pfund für eine Gelbe Karte

In den Gesprächen mit den Journalisten erklärte der Mann aus Singapur, wie eine Spiel-Manipulation funktioniert. Um sicher zu gehen, dass die bezahlten Spieler bei der ganzen Geschichte mitmachen, müsse er «in den ersten zehn Minuten eine Gelbe Karte» sehen. Dieses Signal versichere dem Wettpaten, dass die «Vereinbarung» zwischen dem bestochenen Spieler und der Mafia steht. Für ein solches Signal soll ein Spieler 5000 Pfund extra bekommen.

«Wenn es keine Gelbe gibt, dann war es das. Ich werde dir nichts zahlen», erklärte das Mitglied der Wettmafia. «Am besten ists, man trifft sich am Samstag mit den Spielern allein. Dann lässt man sich das Vereinbarte doppelt bestätigen. Sie schlagen fünf Tore vor. Ich sage ihnen, vier reichen.» Wie ein Spiel dann laufen sollte, erklärt der Wettbetrüger im Detail: «In der ersten Halbzeit sollte es zwei Tore geben, 2:0 oder 1:1, das reicht. In der zweiten Halbzeit gibt es dann ein 4:0 oder 3:1 oder 2:2, vier Tore eben. Ich habe selbst eine Website für Wetten, wo ich setzen kann.»

Läuft alles nach Plan, sahnen die Wettbetrüger gross ab. Dass der Singapurer seine Behauptungen nicht einfach aus der Luft gegriffen hat, zeigt eine korrekte Voraussage eines Spiels. Während eines der Gespräche mit den Journalisten soll er die Anzahl geschossener Tore bei einem Match am kommenden Tag genau vorausgesagt haben.

Wettskandal auch in Österreich

Nicht nur in England, sondern auch in Österreich erfolgten unlängst Verhaftungen in Verbindung mit möglichen Spielmanipulationen. Im Zuge der «Operation Rinas» des Bundeskriminalamtes wurden 20 aktive und ehemalige Fussballer vernommen. Darüber hinaus führte die Polizei mehrere Hausdurchsuchungen in verschiedenen Städten Österreichs druch. Festgenommen wurde unter anderen der ehemalige Nationalspieler Sanel Kuljic. Verdacht: Manipulation von mindestens 15 Spielen der zweiten Liga zwischen 2009 und 2011.

Die Affäre in Österreich war wegen Dominique Taboga, Abwehrspieler des österreichischen Erstligisten SV Grödig, ins Rollen gekommen. Dieser erstattete bei der Polizei Anzeige, weil er angab, von der Wettmafia erpresst worden zu sein. Der Österreicher soll selber sieben Spieler zu Spielmanipulationen angestiftet haben. Zu einer Manipulation sei es aber nicht gekommen – die erwarteten Gewinne der Wettmafia blieben aus. Darum soll Taboga unter Androhung von Gewalt erpresst worden sein. Bei seiner Anzeige belastete der Österreicher unter anderen Kuljic. Nun ist Taboga aber selber ins Visier der Justiz geraten und sitzt wie Kuljic in U-Haft. Der 31-Jährige wird laut Staatsanwaltschaft «wegen Betruges in Zusammenhang mit Spielmanipulation und Wettbetrug verdächtigt».

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