«Wir sind ein Kandidat für den Gruppensieg»

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Tranquillo Barnetta«Wir sind ein Kandidat für den Gruppensieg»

Mit 62 Länderspielen ist er der erfahrenste Spieler der Nati. Tranquillo Barnetta über Schalke, Laufschuhe und sein Single-Leben.

Sandro Compagno
von
Sandro Compagno

Tranquillo Barnetta im Interview (Video: 20 Minuten Online)

20 Minuten: Tranquillo Barnetta, im Sommer haben Sie von «Vizekusen» zu «Nur-gucken-nicht-anfassen»-Schalke gewechselt. Ein stimmiger Transfer, oder?

Tranquillo Barnetta: (Lacht) So habe ich es noch nicht betrachtet, und ich hoffe, es wird auch nicht so.

Sie hatten immer gesagt, ein Wechsel in eine andere grosse Liga würde Sie reizen. Es gab Anfragen von Newcastle oder Lazio. Warum Schalke?

Ich hatte keine einfache Saison, war lange verletzt. Das hat die Möglichkeiten schon ein wenig reduziert. Es gab zwar Interessenten aus dem Ausland. Aber da waren keine dabei, die mich sportlich weitergebracht hätten. Als die Anfrage von Schalke kam mit der Möglichkeit, erstmals Champions League zu spielen, war der Fall rasch klar.

Also lieber Champions League mit Schalke als Europa League mit Lazio?

Die Champions League war nicht das einzige Kriterium. Wenn immer es Anfragen gab, habe ich mir eine Pro- und Kontra-Liste gemacht. Und im Endeffekt war die Pro-Liste von Schalke sehr lang. Schauen Sie sich nur mal die Fan-Kultur auf Schalke an – da gibt es in Europa nicht viel Vergleichbares!

Wenn Ihr Vertrag in Gelsenkirchen ausläuft, sind Sie 30. Ist ein Wechsel in eine andere grosse Liga damit vom Tisch?

Im Moment denke ich nicht an das Ende meines Vertrages. Ich bin froh, dass das mit Schalke geklappt hat und ich bei einem Top-Verein unterschreiben konnte.

Glauben Sie nicht, am Ende Ihrer Karriere das Gefühl zu haben, Sie hätten etwas verpasst, wenn Sie ausschliesslich in der Bundesliga gespielt hätten?

Nein. Wenn ich jetzt zurückblicke, habe ich ohnehin schon mehr erreicht, als ich mir erträumt hatte. Ich bin mit meiner Karriere sehr zufrieden.

Wovon haben Sie als Junior des FC Rotmonten denn geträumt? Vom FC St. Gallen?

Genau. (Lacht) Was dann kam, war alles Zugabe.

Bei Schalke haben Sie in den ersten zwei Bundesliga-Spielen nur 30 Minuten gespielt.

Das ist für mich überhaupt kein Problem. Wir haben so viele Spiele in dieser Saison. Ich hatte eine lange Verletzungspause und bin noch nicht im Rhythmus, den ich mir selber vorstelle. Ich mache mir überhaupt keine Gedanken und setze mich nicht unter Druck. Ich weiss, dass ich meine Einsatzzeit erhalten werde.

Sie sind mit 62 Länderspielen der dienstälteste Spieler in Ottmar Hitzfelds Auswahl. Hat sich Ihre Rolle verändert?

Ja, in dem Sinne, dass ich sehr oft darauf angesprochen werde. Für mich persönlich hat sich nicht sehr viel geändert. Ich habe schon vorher versucht, meine Erfahrungen weiterzugeben – nicht nach dem ersten oder zweiten, aber nach dem 30. oder 40. Länderspiel. Natürlich erwartet man von den erfahreneren Spielern, dass sie Verantwortung übernehmen. Aber wenn ich die Nati heute mit der Nati vor zehn Jahren vergleiche, dann fällt mir auf, dass heute schon die jungen Spieler viel Verantwortung übernehmen.

Von aussen hat man den Eindruck, dass die Hierarchie in der Mannschaft mit dem Umbruch, den Ottmar Hitzfeld vor 18 Monaten eingeleitet hat, flacher geworden ist.

Nicht erst seit 18 Monaten, das geht weiter zurück. Früher war es doch so, dass man als 19-Jähriger in der Nati die ganz grosse Ausnahme war. Heute gibt es viele Spieler, die mit 17 in der Super League debütieren, früh internationale Erfahrungen sammeln, ins Ausland wechseln und dort tragende Rollen spielen. Das hat sicher zu einer flacheren Hierarchie geführt.

Auf Ihrer Website steht als schwerste Niederlage das verlorene Penaltyschiessen im WM-Achtelfinal 2006 gegen die Ukraine. Bei den grössten Erfolgen vermisse ich das 1:0 gegen Welt- und Europameister Spanien an der WM 2010. Warum?

Spanien! Natürlich war das ein grosser Erfolg, obschon ich die ersten 20 Minuten in diesem Spiel wohl besser Laufschuhe getragen hätte. Aber das Scheitern in der Vorrunde hat den schönen Sieg halt schon ziemlich relativiert.

Brasilien 2014 wäre Ihre dritte Weltmeisterschafte. Die Schweiz startet als Favorit in die Gruppe E.

Viele Leute denken, es werde sich zwischen Norwegen und uns abspielen. Ich sehe das etwas differenzierter: Es ist eine sehr interessante Gruppe, gerade die Auswärtsspiele dürften sehr unangenehm werden. Wären wir Deutschland, dann wären wir in dieser Gruppe sicher der Favorit. Aber wir sind immer noch die Schweiz. Wir können gegen alle Gegner in Europa bestehen, aber dazu müssen wir an unsere Leistungsgrenzen gehen.

Hand aufs Herz: Haben Sie sich gefreut, als Sie die Gruppenauslosung sahen?

Was heisst gefreut? Sicher schaut man zunächst mal, wen man aus Topf 1 zugelost erhält. Dort haben wir etwas Losglück gehabt. Hätten wir Spanien oder Deutschland erhalten, wäre der erste Gruppenplatz wohl besetzt gewesen. Norwegen ist ein Gegner auf Augenhöhe. Unsere Gruppe ist sehr ausgeglichen. Es liegt an uns, unser Potenzial abzurufen, dann sind wir ein Kandidat für Platz 1.

Am Freitag startet die Nati die WM-Qualifikation in Ljubljana gegen Slowenien. Was wissen Sie von den Slowenen?

Ich weiss, dass es sehr unangenehm wird. Ich habe kürzlich mit meinem Schalker Teamkollegen Ciprian Marica gesprochen. Er verlor mit Rumänien das letzte Testspiel gegen Slowenien 3:4 und hat mir erzählt, dass die Slowenen offensiv gut seien. Es wird für uns sicher ein schwieriges Spiel. Es wird eng sein im Stadion, die Fans werden wie ein Mann hinter ihrer Mannschaft stehen.

Sie sind ein Fussball-Star. Vom Menschen Tranquillo Barnetta weiss man neben den fussball-relevanten Daten – Karriere, Alter... – aber nur sehr wenig. Warum das?

(Lacht) Weil niemand fragt!

Gut, dann ändern wir das jetzt: Wohnort?

Ich ziehe grad um. Vorher habe ich in Köln gewohnt, jetzt ziehe ich nach Düsseldorf, das liegt näher an Gelsenkirchen.

Liebste Feriendestination?

Habe ich keine. Im Sommer darf es Sonne und Strand sein. Im Winter fahre ich auch gerne in die Berge.

Hobbys? Gehören Sie zu den Fussballern, die stundenlang vor der Playstation sitzen?

Klar sitze ich ab und zu mit Freunden vor der Playstation, aber als Hobby möchte ich das nicht bezeichnen. Ich treibe gerne andere Sportarten, Tennis zum Beispiel. Früher bin ich oft Snowboarden gegangen, jetzt, nach Operationen in beiden Knien, muss ich da etwas vorsichtiger sein.

Letzter Kinobesuch?

Der neue Batman. War gut, leichte Kost.

Letztes Buch?

Jo Nesbo. Jetzt ist mir aber der Titel entfallen. Er hat eine Reihe von acht oder neun Büchern geschrieben, jetzt bin ich am fünften.

Letzter Konzertbesuch?

Blink 182 in Zürich.

Mit wem?

Mit meinem Bruder und Kollegen.

Freundin?

Habe ich keine.

Warum? Als gut aussehender, gut verdienender Profi-Fussballer?

Als Sportler ist man sehr viel unterwegs, hat wenig Zeit. Im Moment passt es so, wie es ist. Ich bin nicht auf der Suche.

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