Wütende Fussballfans auf dem Sphinx-Platz

Aktualisiert

Nach Schlacht im StadionWütende Fussballfans auf dem Sphinx-Platz

Nach den Ausschreitungen an einem Fussballspiel in Port Said wächst die Wut auf die Sicherheitskräfte und die Regierung. Fussballfans demonstrieren in Kairo und wollen zum Innenministerium ziehen.

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Dramatische Jagdszenen, überforderte Sicherheitskräfte und Tausende Menschen in Panik: In Ägypten sind bei Zusammenstössen in einem Fussballstadion mindestens 74 Menschen ums Leben gekommen, wie das ägyptische Staatsfernsehen meldet. Unter den Toten seien auch Angehörige der Sicherheitskräfte, sagte ein medizinischer Mitarbeiter des örtlichen Leichenschauhauses. Die meisten der Opfer sollen erdrückt worden oder durch Kopfverletzungen ums Leben gekommen sein. Einige der Opfer wiesen Stichverletzungen auf.

Hunderte Menschen sind nach Schätzungen der Behörden bei dem Spiel in der Stadt Port Said am Suezkanal verletzt worden. Gemäss Aussagen auf CNN sollen gar über tausend Menschen verletzt worden sein, 180 von ihnen schwer. Die meisten Verletzten erlitten nach Angaben des stellvertretenden Gesundheitsministers Gehirnerschütterungen und Schnittwunden. «Das ist ein schwarzer Tag für den Fussball. Ein solches Drama ist jenseits des Vorstellbaren und darf nicht geschehen», sagte FIFA-Präsident Joseph Blatter im Schweizer Fernsehen. Er sei schockiert und traurig.

Laut den Muslimbrüdern sollen hinter den Krawallen Schergen des im Februar 2011 gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak stecken, wie die Nachrichtenagentur AFP meldet. Polizei und Streitkräfte hätten nicht eingegriffen, um Kritiker des Ausnahmezustands ruhigzustellen, sagte Essam el Erian. Die Notstandsgesetze räumen den Sicherheitskräften weitreichende Befugnisse ein, sollen jedoch bald aufgehoben werden. «Diese Tragödie ist das Ergebnis der absichtlichen Zurückhaltung von Militär und Polizei», sagte El Erian.

Jagd auf gegnerische Fans und Spieler gemacht

Die Zusammenstösse begannen, nachdem Fans des heimischen Teams Al-Masri nach dem 3:1-Sieg gegen den Tabellenführer und Erzrivalen der ägyptischen Premier League Al-Ahli Sekunden nach dem Abpfiff das Spielfeld gestürmt und Spieler der gegnerischen Mannschaft gejagt hatten. Die Fans hätten Steine, Feuerwerkskörper und Flaschen geworfen und dabei auch Spieler verletzt. Eine kleine Gruppe von Bereitschaftspolizisten versuchte erfolglos, Spieler zu schützen. Fans gelang es, die flüchtenden Sportler zu treten und schlagen.

«Das war eine Terror-Atmosphäre»

«Das hat mit Fussball nichts zu tun. Das ist Krieg und die Menschen sterben vor unseren Füssen», sagte ein Spieler der Gästemannschaft Al-Ahli. Der Mannschaftsarzt von Al-Ahli wurde auf der Internetseite «Egypt Independent» mit den drastischen Worten zitiert: «Das ist Krieg, der geplant war.» Der Mediziner sprach von Chaos und forderte eine umgehende Untersuchung. «Das war eine Terror-Atmosphäre», sagte Sayed Hamdi, ein Spieler von Al-Ahly. Teamkollege Mohammed Abu Trika erhob schwere Vorwürfe gegen die Polizei, die laut seiner Aussage tatenlos zusah und keine Anstrengungen unternahm, die Krawalle zu unterbinden. Aufnahmen des ägyptischen Staatsfernsehens zeigen den Sturm der Al-Masri-Fans in Richtung Gästeblock, während die Einsatzkräfte dem Gewaltausbruch scheinbar hilflos gegenüberstehen. «Die Menschen sterben hier, und niemand tut etwas. Es ist wie im Krieg», sagte Mohammed Abi Trika und fügte hinzu: «Ist ein Leben so wenig wert?» Die Armee setzte Hubschrauber ein, um Spieler und Fans in Sicherheit zu bringen.

Sämtliche Spiele bis auf weiteres abgesagt

Kurz nach Bekanntwerden der Nachricht zeigte das Fernsehen zudem Bilder von einem Brand in einem Fussballstadion in Kairo. Dort ist das Spiel zwischen Ismailiy und Zamalek abgebrochen worden, nachdem die Ausschreitungen in Port Said die Runde gemacht hatten. Aus Protest gegen diesen Entscheid sollen Zamalek-Fans danach im Stadion Brände gelegt haben. Der Fussballverband verschob einem Bericht des Staatsfernsehens zufolge alle weiteren angesetzten Partien auf unbestimmte Zeit. Der Staatsanwalt ordnete an, dass Ermittlungen sofort aufzunehmen seien. Zudem wird sich das Parlament am Donnerstag auf einer Sondersitzung mit den Krawallen befassen.

Im staatlichen Fernsehen wurde die Bevölkerung aufgerufen, Blut für die Verletzten zu spenden. Die Streitkräfte schickten unterdessen zwei Flugzeuge nach Port Said, um einige der besonders schwer verwundeten Opfer nach Kairo zu fliegen.

Bei den Vorfällen handelt es sich um die schlimmste Tragödie in einem Fussball-Stadion seit dem 16. Oktober 1996. Damals kamen bei Ausschreitungen in Guatemala bei einem WM-Qualifikationsspiel gegen Costa Rica 78 Menschen ums Leben.

Demonstrationen angekündigt

Nach dem Drama haben zahlreiche Menschen in der Nacht zum Donnerstag in Kairo gegen die mutmassliche Nachlässigkeit der Sicherheitskräfte protestiert. Vor dem Gelände des Fussballvereins Al-Ahly skandierten Aktivisten Parolen, in denen der regierende Militärrat kritisiert wurde. Hunderte versammelten sich zudem vor dem Hauptbahnhof, um aus der Mittelmeerstadt Port Said ankommende Verletzte zu empfangen.

Auch in Port Said selbst kam es zu Protesten, in denen die Gewalt nach dem Ende des Erstligaspiels verurteilt wurde. Für Donnerstag wurde eine Demonstration vor dem Innenministerium in Kairo angekündigt.

(Video: AP) (jam/sda/dapd/si)

Schlimmste Tragödie seit 16 Jahren

Bei den Vorfällen handelt es sich um die schlimmste Tragödie seit dem 16. Oktober 1996. Damals kamen bei einem WM-Qualifikationsspiel in Guatemala zwischen Guatemala und Costa Rica bei Krawallen 78 Menschen ums Leben.

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