Ausgerechnet gegen Österreich! Schweiz verliert 1:2

Aktualisiert

Ausgerechnet gegen Österreich! Schweiz verliert 1:2

Nach elf Spielen ohne Niederlage hat die Schweizer Fussballnati wieder ein Länderspiel verloren. Das Team von Köbi Kuhn musste sich ausgerechnet im Prestigeduell gegen Österreich mit 1:2 (0:2) geschlagen geben.

Ausgerechnet gegen den kriselnden Nachbar Österreich bezog die Schweiz die erste Niederlage in diesem Jahr. Im Duell der Euro-Co-Gastgeber verlor die SFV-Auswahl in Innsbruck 1:2. Streller gelang nach dem 0:2-Pausenrückstand nur noch das Anschlusstor (70.).

Ärgerlich war die erste Niederlage des Jahres - das WM-Out im Penaltyschiessen gegen die Ukraine wird in der Statistik als Remis gewertet -, weil die beiden Gegentor durch die Stürmer Roland Linz (Foulpenalty/24.) und Sanel Kuljic (36.) durch Fehler des dänischen Referees Michael Svedsen ermöglicht wurden. Beim 0:1 sank Linz im Zweikampf mit Ludovic Magnin mehr zu Boden als dass er umgerissen wurde, beim zweiten Tor war Flankengeber Andreas Ivanschitz im Offside gestanden.

Ärgerliche Pleite

Ärgerlich ist diese Niederlage aber auch, weil sie gegen einen Widersacher erlitten wurde, der im FIFA-Ranking 56 Plätze schlechter klassiert ist, und der in diesem Jahr erst einmal - am letzten Freitag gegen Liechtenstein - gewonnen hatte. Und ärgerlich war der Nuller, weil er hätte verhindert werden können, wenn die Schweizer von Beginn weg so initiativ gearbeitet hätten, wie in der Schlussphase. Als der Druck nach dem Anschlusstreffer, den Streller nach mustergültigem Zuspiel von Tranquillo Barnetta ins leere Tor erzielte, endlich gross wurde, hatten die Schweizer durchaus noch Chancen, die Niederlage abzuwenden. Die letzte Gelegenheit vergab Verteidiger Johan Djourou, als er in der Nachspielzeit gegen Goalie Jürgen Macho einen Schritt zu spät kam.

So verloren die Schweizer dieses Testspiel, weil sie in der ersten Halbzeit nicht genug für ein positives Resultat getan hatten. Und sie brachten sich mit ihrer nachlässigen Spielweise auch um die Verlängerung der Ungeschlagenheit ihrer Defensive. In der 24. Minute und nach insgesamt 684 Minuten war diese nämlich beendet worden. Über elf Stunden nach dem Chinesen Dong gelang es mit Linz einem Österreicher, den Schweizer Abwehrverbund wieder zu überwinden. Und wie damals am 3. Juni auf dem Zürcher Hardturm stand Diego Benaglio im Tor. Schuld am Gegentreffer auf Foulpenalty trägt der 23-jährige Zürcher keine. In der Startphase hatte Benaglio, der erstmals in der Startformation stand, zudem zwei gute Chancen der Einheimischen abgewehrt und liess keinerlei Unsicherheiten erkennen.

Benaglio als Fliegenfänger

Umso ärgerlicher war, dass Benaglio beim zweiten Gegentreffer nicht auf der Höhe der Aufgabe war. Bei der Flanke von Andreas Ivanschitz war er zu spät aus dem Tor geeilt und kam nicht vor Sanel Kuljic an den Ball. Schon am Führungstor hatte der Sittener Topskorer mit dem Zuspiel auf Linz massgeblichen Anteil. Dass Kuljic «sein» Treffer dann ausgerechnet nach einem Goaliefehler gelang, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Zwei Tage vor der Partie hatte der Stürmer die grössten Schweizer Defizite im Tor geortet. Namentlich als Schwachstelle hatte Kuljic allerdings nicht Benaglio sondern sein Super-League-Gegner Fabio Coltorti ausfindig gemacht.

Die Schweizer können für die Niederlage in Österreich natürlich das Pech wegen der fehlerhaften Entscheide des Schiedsrichters beklagen. Doch die Unzulänglichkeiten der Unparteiischen dürfen in keiner Weise als Alibi für die weitgehend schwache Schweizer Darbietung gelten. Viel zu spät begann die Mannschaft von Köbi Kuhn, die Zweikämpfe mit mehr Aggressivität zu führen und bereit zu sein, für eine positives Resultat zu arbeiten.

Enttäuschender Auftritt

Die Reaktion kam zu spät. Denn auch wenn es sich nur um ein Testspiel handelte, hätte man von einer Ansammlung von Professionals, die allesamt im Ausland und in grossen Ligen erprobt sind - erstmals standen elf Legionäre in der Startformation einer SFV-Auswahl -, von Beginn weg mehr erwarten dürfen. Gefahr trug das Schweizer Ensemble lange Zeit viel zu selten in den gegnerischen Strafraum. Zu viele Bälle gingen schon im Anfangsstadium des Spielaufbaus verloren. Vor allem auf den Aussenbahnen agierten die Schweizer zu unpräzise. Magnin offenbarte auf der linken Seite wiederholt technische Mängel, Philipp Degen und Daniel Gygax vermochten auf der linken Seite auch kaum Druck auszuüben.

Im Mittelfeldzentrum unterband Johann Vogel dank gewohnt gutem Stellungsspiel zwar einige gefährliche Konterangriffe der Österreicher, in der Vorwärtsbewegung blieb der Captain aber völlig wirkungslos. Die Forderung von Trainer Kuhn nach mehr Mut und offensiver Initiative erfüllte Ricardo Cabanas noch am Besten. Der kleine Kämpfer war bemüht, das Spiel nach vorne anzukurbeln und ging auch in den Abschluss. Unmittelbar nach dem 0:1 sprintete Cabanas in die Spitze und lenkte die Flanke Magnins aus acht Metern Richtung Tor. Doch Österreichs Keeper Jürgen Macho parierte wie in einigen Situation in der heiklen Schlussphase bravourös.

Engagierte Österreicher

Er rettete seinem Team damit den nicht erwarteten Sieg. Verdient hatte sich das Austria-Team den Erfolg gegen einen Gegner, zu dem man neidisch aufschaut, trotzdem. Im Gegensatz zum jämmerlichen Auftritt am Freitag in Vaduz, war eine ÖFB-Auswahl auf dem Rasen, die in ihrem Spiel eine Linie erkennen liess. Besonders in den Vordergrund spielen konnten sich dabei nicht nur die beiden erfolgreichen Stürmer sondern auch die zentralen Mittelfeldspieler Aufhauser und Prager. Vor allem Prager (Heerenveen) war lange Zeit spielbestimmend, gewann die meisten Zweikämpfe und leitete die Angriffe ein. Vor dem Führungstor nahm er beispielsweise Gygax den Ball ab und lancierte präzise Sanel Kuljic mit einem Steilpass.

Müller schied mit Schulterluxation aus

Das Pech der Schweizer Innenverteidiger hielt auch gegen Österreich an. Patrick Müller musste kurz vor der Pause ausgewechselt werden, nachdem ihm in einem Zweikampf die rechte Schulter ausgekugelt worden war. Bereits an der WM-Endrunde in Deutschland hatten die Schweizer einen enormen Verschleiss an Innenverteidigern. Im Spiel gegen Südkorea musste Philippe Senderos mit einer Schulterverletzung ausgewechselt werden, im Achtelfinal gegen die Ukraine schied dann auch sein Ersatz Johan Djourou mit einer Leistenverletzung aus und wurde wie Müller in Innsbruck durch Stéphane Grichting ersetzt.

Test-Länderspiel. Am Mittwoch:

Österreich - Schweiz 2:1 (2:0)

Tivolistadion, Innsbruck. - 11 000 Zuschauer (ausverkauft). - SR Svendsen (Dä).

Tore: 24. Linz (Foulpenalty) 1:0. 36. Kuljic 2:0. 70. Streller 2:1.

Österreich: Macho; Ertl, Hiden, Stranzl (46. Feldhofer), Fuchs; Ivanschitz, Aufhauser, Prager (84. Garics), Weissenberger (90. Eder); Kuljic (83. Leitgeb), Linz (61. Akagündüz).

Schweiz: Benaglio (46. Coltorti); Philipp Degen, Djourou, Müller (41. Grichting), Magnin (46. Spycher); Gygax (69. Wicky), Cabanas, Vogel (46. Huggel), Barnetta; Lustrinelli (46. Hakan Yakin), Streller.

Bemerkungen: Österreich ohne Janko (verletzt). Schweiz ohne Frei (verletzt). 41. Müller mit Schulterluxation ausgeschieden. Verwarnungen: 28. Magnin (Reklamieren), 44. Weissenberger (Unsportlichkeit), 58. Feldhofer (Foul), 59. Degen (Foul), 84. Prager (Reklamieren), 88. Cabanas (Unsportlichkeit), 88. Aufhauser (Unsportlichkeit).

Die Halbzeiten im Live-Ticker:

1. Halbzeit:

Das Tivoli-Stadion ist nicht voll, Österreichs Nati zieht im Moment nicht wirklich. Brasiliens Trainer Dunga ist auf der Tribüne, scoutet die Schweiz fürs Freundschaftsspiel vom November. Boavisto-Legionär Linz kommt zum ersten Abschluss, mit links schiesst er aber übers Tor. Das Spiel beginnt ambitioniert, auch die Schweiz traut sich nun mehr, Barnetta schlittert um einen Meter an einer Querflanke vorbei. Die Schweiz scheint etwas besser ins Spiel zu kommen. Gute Chance nach 11 Minuten für die Schweiz: Österreich-Goalie Macho fängt einen Querpass Magnins in letzter Sekunde ab. Praktisch im Gegenzug kommt Österreichs Linz zu einer Riesenchance, doch der Schweizer Goalie Benaglio hält den Kasten rein - die Schweiz hat immerhin seit 672 Minuten keinen Gegentreffer mehr erhalten! Österreich wirkt offensiv nun etwas gefährlicher, doch die Schweiz bliebt offensiv mit schnellen Vorstössen gefährlich: Streller scheitert mit einem Kopfball nur haarscharf an Macho, der den Ball aus dem Kreuz fischt. Wenige Minuten später ists passiert: Mittels umstrittenem Foulelfmeter trifft Linz zum 1:0 für die Gastgeber. nach einem Ballverlust von Gygax zieht Magnin seinen Gegner am Jersey - ein harter Penaltyentscheid. Die Schweiz drückt nun aufs Tempo, ein Abschluss von cabanas wird vom starken Macho erneut mirakulös pariert. Wie machs macht, zeigt Sions Söldner Kuljic auf der anderen Seite: Mit einem schönen Kopfball erzielt er nach 36 Minuten das 2:0, die Schweizer Inennabwehr sieht uralt aus. Zuvor leitete Müller mit einem Kopfball-Querschläger und Magnin mit zu abwartender Spielweise den zweiten Gegentrefer ein. Patrick Müller erwischt es kurz darauf. Erste Diagnose: Schulter ausgekugelt. Grichting wird für den Lyon-Söldner eingewechselt. Das wars für die 1. Halbzeit - ein böser Weckruf für die Schweizer Fussballer, die fahrig und überheblich wirken. Fazit: Beide Tore entstanden nach individuellen Fehlern (1x Gygax, 1x Müller, 2x Magnin), die Schweiz scheiterte ihrerseits bei ihren beiden besten Chancen zweimal am sensationellen Österreich-Goalie Macho.

2. Halbzeit:

Wechsel bei der Schweiz: Hakan Yakin, Benjamin Huggel und Christoph Spycher kommen ins Spiel, Captain ist neu Captain. Coltorti kommt für benaglio ins Tor, Lustrinelli ist raus, ebenso Magnin und Vogel. Was für eine Chance gleich zu Beginn der 2. Halbzeit: Cabanas und Streller kommen allein aufs Österreicher Tor, Cabanas spielt den Pass und Streller schiesst viel zu leicht genau auf Österreich-Goalie Macho - was für eine Chance! Die Schweiz spielt nun Powerplay und kommt auch immer wieder zu Abschlüssen, richtig zwingend sieht das Ganze aber nicht aus. Mit einem Konter kommt Österreich zu einer grossen gelegenheit: Kuljic zieht mit dem Aussenrist aus kurzer Distanz aus spitzem Winkel ab, doch Goalie Coltorti ist auf dem Posten. Es geht doch! nach 70 Minuten trifft Streller aus kurzer Distanz zum 1:2 - nach guter Vorarbeit von Degen, Wicky und Barnetta. Der Schweiz bleibt noch genug Zeit, das Spiel auszugleichen - doch irgendwie scheint nach dem Anschlusstreffer die Luft etwas draussen zu sein. 10 Minuten vor Schluss kommt Österreich zu einem vielversprechenden Freistoss aus 17 Metern Distanz - abgeblockt. Die Nerven liegen jetzt blank, es kommt zu einem Gerangel. Nur noch wenige Minuten bleiben, viel Konstruktives bietet die Schweiz nicht mehr. Schlusspfiff, die Schweiz verliert mit 1:2.

(si/mat)

Stimmen zum Spiel

Köbi Kuhn (Trainer Schweiz): «Österreich erteilte uns vor der Pause eine Lektion in Zweikampfstärke. Ich hatte davor gewarnt, dass dieses Spiel für die Österreicher ein Prestigeduell sein würde. Wir können diese Niederlage akzeptieren, aber wir müssen erkennen, dass wir mit der Leistung heute Abend sehr, sehr weit weg von unseren Zielen waren. Wir verloren gegen eine Mannschaft, die uns grosse Mühe bereitet hat, unser Spiel aufzuziehen. Positiv ist einzig, dass wir nach der Pause immerhon noch reagiert haben. Die Reaktion war nicht genügend für ein positives Resultat, aber sie war wenigstens da.»

Josef Hickersberger (Trainer Österreich): «Die erste Spielhälfte war eine hervorragende Leistung, die zweite hat mir weniger gut gefallen, da hat die Schweiz auf ein Tor gespielt und unsere Konter waren nicht gut genug. Wir haben das Spiel gewonnen, dieser Erfolg gegen eine wirklich sehr gute Mannschaft - die Schweiz wollte nicht verlieren - zählt wirklich etwas. Wir haben aber noch nicht viel erreicht.»

Ludovic Magnin: «Heute hat einiges nicht geklappt bei uns, doch wir dürfen jetzt deswegen nicht in Panik verfallen. Die Österreicher haben die ganze Woche davon geredet, wie schwach sie und wie stark wir seien. Sie haben geschickt den Druck auf uns gelegt. Diese Niederlage kann uns im mentalen Bereich weiterhelfen. Wir haben gesehen, dass es ohne Kampfgeist nicht geht. Zudem hat jeder einzelne zu viele Fehler gemacht.»

Philipp Degen: «In der ersten Halbzeit waren wir nicht ganz bei der Sache und haben uns trotzdem einige Chancen erarbeitet. Nachher drehten wir zwar auf, doch es fehlten die Tore, um die Niederlage abzuwenden. Diese Niederlage war ganz klar nicht eingeplant.»

Mauro Lustrinelli: «Zu viele Kleinigkeiten liefen in diesem Spiel gegen uns. Wir erarbeiteten zwar gute Möglichkeiten, doch oft fehlten ein paar Zentimeter. Der gegnerische Goalie hat zudem eine starke Leistung gezeigt. Wir müssen diese Niederlage nun akzeptieren und uns sofort auf das Spiel gegen Brasilien vorbereiten.»

«I werd’ narrisch: Unser Fussball lebt!»

Der Sieg gegen die Schweiz löste in Österreichs Blätterwald Jubel aus.

Die Neue: I werd’ narrisch: Unser Fussball lebt! Fussball macht Spass, selbst wenn es um die österreichische Nationalmannschaft geht. An den vergangenen Auftritten gemessen sensationell bezwang die Elf von Hickersberger den grossen Favoriten Schweiz 2:1.

Kronenzeitung: Mit der besten Hälfte seit Jahren feierte Österreichs Fussballteam nicht nur einen unerwarteten Sieg, sondern eine Art Wiedergeburt.

Kurier: Das ÖFB-Team wurde viel gescholten, nun aber gabs eine kleine Sensation.

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