Alex FreiDernière eines Torjägers
Alex Frei zieht gegen den FC Zürich nach 16 Jahren einen Schlussstrich unter seine Profi-Karriere. Er weiss: «Ich habe mehr erreicht, als ich mir je erträumt hätte.»
Alex Frei tritt am Sonntag, 14. April, nach 16 Jahren als Fussballprofi ab. (Video: 20 Minuten)
Die Namen ändern sich schnell im Fussball. Manche geraten in Vergessenheit. Manche vergisst man nie. Ein Name, der unvergessen und immer in den Schweizer Fussball-Annalen stehen bleiben wird, ist der von Alex Frei. Er wird als aussergewöhnlicher Vollblutstürmer und als Rekordtorschütze der Schweizer Nati (42 Treffer) in Erinnerung bleiben. Aber nicht nur: Man wird sich auch an einen der umstrittensten Schweizer Fussballer erinnern. Einer aus der Kategorie, wie Johann Vogel, Ciri Sforza oder Kubilay Türkyilmaz. Am Freitag, rund 48 Stunden vor seinem Abschiedsspiel gegen den FCZ, gab der fast 34-Jährige seine letzte Pressekonferenz als Spieler.
Rund 30 Medienschaffende tummelten sich im Media Center des St. Jakob-Parks. Frei wählte diesmal – anders als bei seiner Rücktrittsankündigung im letzten November nicht das Podium, das wichtige Ankündigungen signalisiert. Der Biel-Benkener bleibt bei den Journalisten «unten», was er sonst selten tat. Meistens grantelte er, fühlte sich ungerecht bewertet und zu wenig wertgeschätzt. Sein bevorzugter Beginn eines Satzes: «Ihr Journalisten ...». Manchmal liess er mit sich reden. Meistens blieb er stur. In einigen Fällen nachtragend.
Captain gegen den FCZ
Heute nun gibt Alex Frei seine letzte Vorstellung. FCB-Trainer Murat Yakin schenkt seinem abtretenden Stürmer gegen den FCZ einen grossen Abschied: Frei führt für den pausierenden Streller die Mannschaft als Captain auf das Feld. Frei hat versucht, möglichst lange den Tag des Abschieds gedanklich zu verdrängen. Die Endgültigkeit seines Entscheides nicht zu nahe an sich ran zu lassen. Nun ist es aber doch so weit. 16 Jahre als Fussball-Profi gehen zu Ende. «16 Jahre die, wenn man in der Karriere drin steckt, einem das Gefühl geben, dass es nur sehr langsam vorangehe und einen manchmal auch ungeduldig werden liessen. Aber jetzt muss ich sagen: Wow! Die sind im Schnellzug vorbeigegangen.»
Wehmut sei nicht dabei. Die eine oder andere Träne wird er dennoch nicht verhindern können, «auch wenn ich nicht nahe am Wasser gebaut bin.» Die Emotionen werden im letzten Spiel sicher noch kommen. «Aber ich habe immer gewusst, dass es einmal kommen wird und weiss seit September, dass ich 2013 aufhöre. Jetzt ist es halt etwas früher so gekommen. Ich kann aber guten Gewissens sagen: Ich habe das Maximum aus meiner Karriere herausgeholt und sogar ein bisschen mehr.»
Keine Titel im Ausland
Titel sind dem ehemaligen Nati-Captain aber sowohl in Frankreich mit Rennes, als auch in Deutschland mit Borussia Dortmund verwehrt geblieben. In der Champions League – der Königsklasse – konnte er erstmals mittun, als er ab 2009 wieder für den FC Basel auflief. Und zwar nicht so, wie 1997 bis 1998, als er kaum zum Einsatz kam und schliesslich beim FC Thun landete, «sondern so wie von 2009 bis 2013.» Und zwar an der Seite mit seinem Kumpel Marco Streller, mit dem er gemeinsam das beste Schweizer Sturm-Duo der Neuzeit gebildet hat. «Ich durfte gemeinsam mit Marco Streller Teil eines Sturmduos sein, das bei allem Gegenwind sicher Spuren beim FCB und im Schweizer Fussball hinterlassen hat. Es war eine geile Zeit.»
Mit begrenztem Talent, aber unglaublichem Ehrgeiz und vor allem mit seiner Obsession Tore zu schiessen, hat es Frei neben Stéphane Chapuisat zum besten Stürmer gebracht, den die Schweiz je hatte. «Ich will nicht überheblich klingen, aber ich war in den letzten neun Jahren fünfmal unter den besten zwei Torschützen des Jahres – und das in drei verschiedenen Ligen. Das ist doch gar nicht so schlecht, denke ich.»
Kein Drehbuch für die Derniere
Eine rhetorische Frage, mit der er nach Bestätigung und Wertschätzung lechzt. Die es aber gar nicht braucht. Denn die nackten Zahlen in seiner Laufbahn sprechen allein für sich: 2005 wurde Alex Frei Torschützenkönig in Frankreich. 2007 schaffte er es mit dem BVB zum zweitbesten Torschützen in der Bundesliga. 2011 und 2012 war er jeweils der treffsicherste Stürmer in der Super League. Zweimal wurde er zum Spieler des Jahres gewählt, gewann drei Schweizer Meistertitel und feierte zwei Cupsiege.
Ein Drehbuch für seinen Abschied hat er sich nicht zurechtgelegt – zumindest nicht für den Sonntag. Das hätte er für das Spiel gegen Tottenham, seinem letzten Europacup-Auftritt, bereitgehabt. Frei wurde in der 111. Minute eingewechselt und versemmelte knapp drei Minuten später eine Grosschance zum 3:2. Es wäre eine Geschichte gewesen, wie nur der Fussball schreiben kann. Aufs Penaltyschiessen verzichtete er, obwohl der 33-Jährige als sicherer Elfmeterschütze gilt. Er liess sich nicht auf die Liste eintragen, «weil ich erst neun Minuten auf dem Platz war und, weil der Druck unmenschlich gewesen wäre.» Wie auch immer. Frei sagte am Freitag: «Die Bühne gehört nun anderen.»
Vom Rasen im Eiltempo hinter den Bürotisch
Viel Zeit bleibt Frei nicht, die Vergangenheit gedanklich Revue passieren zu lassen. Denn der Vater eines kleinen Töchterchens betritt schon am Montag eine neue Bühne. Ab Montag führt er als Sportchef die sportlichen Geschicke beim FC Luzern. Ein abrupter Rollenwechsel und für die Schweiz so ungewöhnlich, wie die Person, die ihn ausführt. Und auch in dieser neuen Rolle ist Alex Frei ein steiler Aufstieg zuzutrauen. Frei wird in Luzern für Reibung sorgen. An seiner Meinungsstärke wird sich Luzern ausrichten müssen und Investoren wie Walter Stierli und Bernhard Alpstaeg werden es zu spüren bekommen. Nicht zum Nachteil, nach dem Chaos der letzten Monate beim FCL.
Trotz seiner Unerfahrenheit im Manager-Business steht Frei doch für Fachwissen. Für 16 Jahre Profitum im In- und Ausland. Dieses Know-how bleibt nun dem Schweizer Fussball erhalten und das ist gut so. Sehr gut sogar. Zu viele verdiente Fussballer verschwinden als Junioren-Trainer in der Versenkung. Auch das ist wichtig, aber vermehrt braucht es auch Macher in den Führungsetagen – auch unbequeme Typen, vor allem aber die Besten wie Alex Frei.