So läuft es in England mit den Fussballtickets

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FanpassSo läuft es in England mit den Fussballtickets

In der Schweiz wird die Einführung eines Fanpasses heiss diskutiert. In England funktioniert etwas Ähnliches bereits heute tadellos. Das Prinzip: Für ein Auswärtsspiel braucht man nicht ein Ticket, sondern zwei.

Herbie Egli
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Herbie Egli

Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre lag der englische Fussball am Boden. Im wahrsten Sinne des Wortes: Die Menschen traten und schlugen sich rund um die Stadien die Köpfe ein. Immer wieder gab es Todesopfer zu beklagen. Und die Vereine? Längst waren sie aus allen europäischen Pokalwettbewerben ausgeschlossen und sie wussten keinen Rat mehr. Es war ein Wettlauf mit der Zeit, um den Fussball im Mutterland zu retten.

Wende zum Guten – ohne Rücksicht auf Verluste

Heute, 20 Jahre später, sind die Stadien gut gefüllt und der Fussball in England diktiert den Rhythmus der Champions League. Vom Ausnahmezustand rund um die Stadien ist einzig das englische Wort «Hooligan» geblieben. Aber nach wie vor ist man auf der Insel auf das Thema Gewalt fokussiert. Eine Gruppe von mehreren Personen wird mit Kameras verfolgt, eine singende Gruppe wird mit berittener Polizei sofort separiert und an den Rand der Strasse oder des Vorplatzes gedrängt. Die Präzision und Disziplin der Pferde und Reiter ist mit Worten nicht zu beschreiben – man muss es gesehen haben. Randalierer haben nicht mehr den Hauch einer Chance.

Zwei Tickets bei einem Auswärtsspiel

Bei Auswärtsspielen kommen Randalierer schon gar nicht mehr erst ins Stadion, weil man dazu nämlich gleich zwei Tickets braucht. Und das funktioniert so (vgl. Bildstrecke oben): Für das Spiel des FC Liverpool gegen Bolton kann man die Tickets für den Gäste-Fanblock nur beim Auswärtsteam, hier also bei den Wanderers, kaufen. Dabei erhält man zwei Tickets: die eigentliche, offizielle Eintrittskarte des FC Liverpool mit der zugewiesenen Sitzplatznummer und einen Voucher, ausgestellt von den Bolton Wanderers. Dieser Voucher ist personalisiert, also mit dem Namen des Käufers und der Adresse versehen und bestätigt den Besuch des Auswärtsspiels an der Anfield Road.

Beim Einlass in den Gästesektor in Liverpool sind beide Tickets vorzuweisen, so dass eine Ticket-Weitergabe des Liverpooler Matchbilletts an eine dritte Person massgeblich erschwert ist. Eine ID-Kontrolle findet jedoch nur stichprobenartig oder auf Verdacht hin statt.

Zuschauerinteresse als einziger Risikofaktor

Das einzige Risiko rund um die Stadien ist der Zuschaueraufmarsch. Ist das Publikumsinteresse enorm, können Spiele zu «restricted games» (also mit Einschränkungen) erklärt werden. Dies betrifft jedes Heim- und Auswärtsspiel der grossen Vier, sowie Derbys und Spiele an Feiertagen bzw. in der Woche zwischen Weihnachten und Neujahr. Hinzu kommen weitere mit sportlicher Brisanz und viele Cupspiele.

Beschränkter Ticketverkauf

Wer Tickets für ein solches «restricted game» kaufen will, hat ein Problem, denn Tickets werden nur an die treusten Supporter verkauft. Auch dazu ein Beispiel: Für das Spiel im 1/32-Final des FC Liverpool bei Preston North End musste ein Liverpool-Fan nicht nur im Besitz einer Saisonkarte für Anfield sein, sondern auch den Besuch von 15 Auswärtsspielen nachweisen. Und das funktioniert auch nur und ausschliesslich mit diesen oben bereits erwähnten, personalisierten Vouchern. Wer das konnte, durfte ein Ticket kaufen. Nur eines! Ein normaler Fussball-Fan hat daher schlicht keine Chance auf ein Ticket.

Die Kehrseite der Medaille

Der enorme Sicherheitsaufwand hat aber auch Schattenseiten. Die Stimmung in Englands Stadien ist oft unwirklich und surreal: In Manchesters Old Trafford zum Beispiel hört man von den Zuschauern oft nur dreimal pro Spiel ein «United, United» – ansonsten wähnt man sich im «theater of dreams» eher in einem Schlafsaal. Wer zu oft aufsteht, fliegt aus dem Stadion und verliert vielleicht sogar seine Saisonkarte. Denn: Sitzen ist Pflicht. Singen ist erlaubt, doch wer Gegner oder den Schiri beschimpft, fliegt ebenfalls. Dann freut sich darüber ein anderer, der sich vor 17 Jahren (heutiger Stand) auf die Warteliste setzen liess. Und Einzeltickets gibt es für viele Spiele sowieso nicht. Die Nachfrage ist grösser als die Kapazitäten. Allein schon deswegen ist der Fussball wieder frei von der Gewalt.

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