«Die schlimmste Seite des Calcio»

Aktualisiert

Schande von Genua«Die schlimmste Seite des Calcio»

Die Trikot-Erpressung der Genoa-Fans sorgt in Italien für Wut und Empörung. Doch was tun gegen die neue Dimension der Gewalt im Calcio? Ratlosigkeit an allen Ecken und Enden.

von
pre

0:4 lag der abstiegsgefährdete CFC Genoa gegen die AC Siena im heimischen Luigi-Ferraris-Stadion zurück, als die Gewalt im italienischen Fussball eine neue Dimension annahm. Aufgebrachte Genoa-Hooligans stürmten in der 53. Minute die Haupttribüne, versperrten den Eingang zum Spielertunnel und zwangen die Spieler zur Herausgabe ihrer Trikots. Sie seien es nicht wert, dieses Leibchen zu tragen.

Die meisten Profis händigten tatsächlich ihre Trikots an Kapitän Marco Rossi aus, der sie den Anführern der Ultras übergeben sollte, es dann aber doch nicht tat. Nach einer 45-minütigen Pause ging die Partie auch ohne ausgehändigte Trikots weiter. Zur Normalität konnte man allerdings nicht zurückkehren. Die radikalen Genua-Fans drehten ihrer Mannschaft den Rücken zu und beschimpften sie mit Sprechchören. Die meisten Zuschauer hatten das Marassi-Stadion zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen.

«Nicht mehr zu tolerieren»

Schon im Oktober 2010 sorgten Hooligans in Genua für einen handfesten Skandal. Nach gewalttätigen Ausschreitungen der Gästefans musste das EM-Qualifikationsspiel zwischen Italien und Serbien nach nur sechs Minuten abgebrochen werden. Bemängelt wurden nach dem Vorfall vor allem die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen in den italienischen Stadien.

Eine Bedrohung eigener Spieler durch Fussball-Hooligans während eines Spiels ist auch im krisengeschüttelten Calcio neu. «Was in Genua passiert ist, zeigte wieder einmal die schlimmste Seite des italienischen Fussballs und dessen moralischen Verfall», schimpfte Gianni Petrucci, Präsident des Nationalen Olympischen Komitee Italiens. «Das ist eine Schande. Es ist nicht mehr zu tolerieren, dass der Fussball derart in den Schmutz gezogen wird.»

Genoa-Präsident fordert Stadionsperre

Die Kritik in Italien geht nicht nur gegen die Erpresser, sondern auch an den Verein. Genoa habe ein sportliches Sakrileg begangen, weil sich der Verein der Forderung der eigenen randalierenden Fans zunächst gebeugt habe. «Damit hat man einer Erpressung nachgegeben», betonte Genuas Polizeichef Massimo Mazza, durch dessen Intervention die Herausgabe der Trikots verhindert wurde. Auch dass der Schiedsrichter die Partie trotz der Vorfälle noch einmal anpfiff, sorgte für grosses Kopfschütteln.

Genoa muss nach dem Vorfall mit einer langen Stadionsperre rechnen. Dem Präsidenten des Serie-A-Vereins kommt das gerade recht: «Wir sind Geiseln im eigenen Stadion. Es kann nicht sein, dass 60 bis 100 Personen die Kontrolle im Stadion übernehmen können. Ich hoffe, dass man uns dafür mit einer Platzsperre belegt. Dann können wir wenigstens anderswo friedlich spielen», so Enrico Preziosi. Symbolischer hätte eine Aussage wohl nicht sein können, um die Ratlosigkeit in Italien aufzuzeigen, wie man mit der Gewalt im Calcio umgehen soll.

Genoa-Hooligans sorgen für eine 45-minütige Spielunterbrechung. (Quelle: YouTube)

Serie A

Unschöne Szenen auch in Rom

Ultras von Lazio Rom stimmten beim Heimspiel gegen US Lecce antisemitische Gesänge an und brachten ihren Verein wieder einmal in Verruf. «Giallorosso ebreo» (jüdisches Rot und Gelb), skandierte der Mob auf der Nordtribüne des Olympia-Stadions. Lecce spielte zwar in rot und gelb, allerdings galten die Hasstiraden eher dem Erzrivalen AS Rom, dessen Vereinsfarben ebenfalls rot und gelb sind.

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