Balotelli – das «Negerli» der Berlusconis

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Rassismus-SkandalBalotelli – das «Negerli» der Berlusconis

Silvio Berlusconis Bruder Paolo hat sich abschätzig über Milan-Neuzugang Mario Balotelli geäussert. Er bezeichnete den exzentrischen Stürmer als «negretto di famiglia».

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Der Einstand von Mario Balotelli bei der AC Milan hätte kaum besser ausfallen können: Im ersten Spiel für seinen neuen Klub am Sonntagabend gegen Udinese erzielte er beide Tore zum 2:1-Sieg. Für 20 Millionen Euro hatte Milan-Boss Silvio Berlusconi den exzentrischen Stürmer von Manchester City verpflichtet. Wenige Stunden zuvor hatte Paolo Berlusconi, der jüngere Bruder des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten, für einen Eklat gesorgt: Bei einem Wahlkampfanlass für die Berlusconi-Partei Popolo della Libertà (PdL) in Vareno bei Mailand bezeichnete er Balotelli als «negretto di famiglia», als kleinen Familienneger.

Die offenkundig «scherzhaft» gemeinte Bemerkung ist auf einem im Internet kursierenden Video festgehalten worden. Ausserdem nannte Paolo Berlusconi, Vizepräsident der AC Milan und Herausgeber der Zeitung «Il Giornale», den dunkelhäutigen Stürmer «testa matta» (Spinner). Damit dürfte er auf die Eskapaden des Enfant terrible angespielt haben. Bezeichnend sind die Reaktionen in Italien: Die Entrüstung beschränkt sich weitgehend auf Twitter und andere soziale Netzwerke. In den Medien ist sie kaum ein Thema. Weder Paolo Berlusconi noch Mario Balotellli haben sich bislang zur Negretto-Kontroverse geäussert.

Rassismus gilt in Italien vielfach noch immer als Kavaliersdelikt. Silvio Berlusconi hatte 2008 für Entrüstung gesorgt, als er den neuen US-Präsidenten Barack Obama für dessen «gebräunte Haut» lobte. Auf den Fussballplätzen ist die Verhöhnung von dunkelhäutigen Spielern allgegenwärtig. Als Strafe gibt es bestenfalls eine Busse. Am 3. Januar platzte Kevin Prince Boateng, einem anderen Milan-Spieler, der Kragen. Nachdem der Deutsch-Ghanaer in einem Testspiel in Busto Arsizio wiederholt beleidigt worden war, drosch er den Ball auf die Tribüne und verliess das Spielfeld, gefolgt von seinen Teamkollegen.

Ein Wahlkampf-Coup?

Silvio Berlusconi hatte Boateng für seinen Mut gelobt. Zur Entgleisung seines Bruders hat er sich bislang nicht geäussert. In einem Radiointerview am Mittwoch wurde der ehemalige Regierungschef nicht einmal darauf angesprochen. Stattdessen wehrte er sich gegen den Verdacht, er habe Mario Balotelli nur verpflichtet, um im laufenden Wahlkampf zu punkten. Tatsächlich hatte er den für seine Disziplinlosigkeit berüchtigten Sohn ghanaischer Eltern vor einiger Zeit als «faulen Apfel» bezeichnet, der eine ganze Mannschaft verderben könne.

Nun verwahrte sich Berlusconi gegen die Wahlkampf-Spekulationen: «Wenn sechs Millionen Milan-Fans darüber glücklich sind, ärgern sich die anderen Fans.» Analysten halten die Vermutung trotzdem für nicht abwegig. Der Balotelli-Coup könnte der PdL in der Lombardei zusätzliche Stimmen eintragen. Damit könnte es Berlusconi gelingen, im Senat, der zweiten Parlamentskammer, eine Mehrheit für das in den Umfragen führende Mitte-links-Lager zu verhindern. Viele halten dies für das Hauptziel des 76-Jährigen.

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