Frauen-WM 2011Frauen spucken und meckern nicht
Das Spiel dauert 90 Minuten, zwei Mannschaften treten mit je elf Spielern an und der Ball ist rund. Trotzdem sind Frauen- und Männerfussball nicht zu vergleichen.
Die Frauen-WM in Deutschland begeistert ganz Deutschland. ARD, ZDF und Eurosport übertragen die Spiele live – egal ob Norwegen gegen Äquatorialguinea oder Kolumbien gegen Nordkorea. Dem durchschnittlichen Fussballfan, der das Endspiel der Champions League der Männer zwischen Barcelona und Manchester United oder den WM-Final zwischen Spanien und Holland noch im Kopf hat, fällt sofort auf: Irgendwie ist es gleich, aber irgendwie doch nicht. Simuliert wird kaum, gespuckt wird nicht und Rudelbildung vor der Schiedsrichterin gibts auch nicht.
Es ist offensichtlich: Männer- und Frauenfussball sind verschieden. Spassvögel sagen: «Beim Männerfussball tragen die Spieler meist längere Haare» oder «Bei den einen baumelt es oben doppelt, bei den anderen etwas weiter unten einfach». Marion Daube, die Leiterin der FCZ-Frauen, hält bei der Frage nach den grössten Unterschieden gleich zu Beginn fest: «Männer- und Frauenfussball kann und soll man nicht vergleichen. Das sind praktisch zwei unterschiedliche Sportarten.» Eigentlich logisch. Das Gleiche gilt ja auch für Tennis, Eishockey oder Skifahren.
«Die Spiele sind fairer»
Vor der WM 2011 in Deutschland hat der Kölner Sportwissenschaftler und Ex-Meistertrainer beim Frauenbundesligisten 1. FFC Frankfurt, Hans-Jürgen Tritschoks, gegenüber der «dpa» erläutert: Frauenfussball ist im Schnitt ein Drittel langsamer. Dabei legen die Frauen in den 90 Minuten zwar fast ähnlich viele Kilometer zurück wie die Männer, aber weniger «schnelle Abschnitte». Die deutsche Frauen-Nati – immerhin amtierende Weltmeisterin – hätte wohl gegen ein starkes männliches U16-Team keine Chance.
Ob die Unterschiede negativ oder positiv sind, muss jeder selber entscheiden. Fakt ist: «Die Spiele sind fairer, technisch hochstehend, es gibt weniger (brutale) Fouls, es wird weniger gemeckert und der Teamgedanke ist ausgeprägter», so Daube gegenüber 20 Minuten Online. Das ganze Spiel scheint irgendwie gesitteter. Fussball der Frauen hat mit dem Machosport der Männer nicht viel zu tun. «Klar, ein Rempeln gehört dazu, sonst hätte man ja keine Chance auf den Ball, aber fiese Fouls gibts selten», erklärt Daube und glaubt: «Einen Ausraster wie denjenigen von Zidane beim WM-Finale 2006 wirds im Frauenfussball nie geben.» Falls ein Tackling doch einmal eher die Beine als den Ball trifft, dann wird weniger lange liegen geblieben. Vielleicht sind Frauen auch einfach härter im Nehmen: Christine Sinclair, die Kanadierin, welche gegen Deutschland in der 82. Minute das Tor zum 1:2 erzielte, spielte seit kurz nach der Pause nach einem Zusammenprall mit gebrochener Nase. Ob Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi da auch noch weitergekickt hätten?
Friedlichere Stimmung bei den Fans
Was man bei den Frauen auch höchst selten sieht, ist das bei Fussballern fast obligatorische Spucken. Brasiliens Star Marta würde das «niemals» machen. «Dieses Problem haben einige Männer, aber ich nicht», betont die 25-Jährige. Und auch eine andere «männliche» Unsitte lassen die Frauen sein: Das ewige Meckern beim Schiedsrichter. «Es steckt wohl noch eine ganz andere Passion im Frauenfussball», glaubt Daube. Selbst Stars wie Birgit Prinz müssen nebenbei noch arbeiten. Diesen Starkult, wie er bei den Männern vorgelebt wird, gibts nicht. «Der Teamgedanke ist viel wichtiger.» Womöglich wird auch darum beim Torjubel eher gemeinsam gejubelt, als dass der Torschütze sich einen «eigenen Jubel überlegt». Die Ausnahme bildete 1999 im WM-Final die Amerikanerin Mia Hamm. Als sie den entscheidenden Elfmeter gegen China verwandelte, riss sie sich das Shirt vom Leib. Obwohl sie darunter einen Sport-BH trug, ging die Szene um die Welt – und nicht etwa, weil die USA Weltmeister wurden.
Da Frauenfussball gesitteter gespielt wird, scheint auch die Stimmung auf der Tribüne friedlicher. «Beim WM-Eröffnungsspiel in Berlin fielen mir die vielen Frauen und Familien auf. Alles war sehr friedlich», berichtet Daube, welche vor Ort war. Und ein Sicherheitsbeauftragter beim Stadion habe ihr strahlend gesagt: «So sollte es immer sein.»