InterviewsHat man einen oder hat man keinen?
Mein Auftrag: Möglichst viele Informationen über EM-Stars zu bekommen und möglichst nahe am Geschehen sein. Nicht immer ganz einfach und oft ähnlich wie eine Schnäppchenjagd.
Hat man einen oder hat man keinen? Im heutigen Sportjournalismus lautet die Frage längst nicht mehr ob der Sportler eine intelligente Aussage macht, sondern redet überhaupt einer? Es ist nicht einfach mit Xavi, Iniesta, Buffon und Co. Es gibt mittlerweile straffe Regeln, um einem kickenden Millionär eine Frage stellen zu können. So straff, dass einige Verbände schon Benimm-Regeln für Journalisten verschicken, ehe die Akkreditierung – so der Fachausdruck für die Zulassung von Medienvertreten zu bestimmten Veranstaltungen - «genehmigt» wird.
Der Auftrag des Chefs ist klar: Er will möglichst exklusive und möglichst tiefe Einblicke für sein Online-Portal geliefert bekommen. Das Bestreben ist, dem Leser und Fussball-Fan vor dem EM-Final berichten zu können, wie das Befinden der Mannschaft ist, wie man den Gegner einschätzt und wie man ihn besiegen will. Es kann nie nah genug sein. Aber die strengen Regeln der Klubs und Verbände verbietet das. Und die Uefa ist da nicht anders. So werden einen Tag vor dem EM-Endspiel die Medienvertreter zu einer Konferenz geladen. Präsentiert wird den Journalisten auf einem Podium der Trainer und meist ein Spieler.
Gedränge und Geschubse wie beim Ausverkauf
Rund 200 Medienvertreter hängen Italien-Coach Cesare Prandelli und Keeper Gian-Luigi Buffon am Samstagabend im offiziellen Presseraum des Olympia Stadions in Kiew an den Lippen. Um 17.45 Uhr ist die Pressekonferenz anberaumt. Glücklich, wer die Anmeldefrist nicht versäumt, der Uefa ein Mail geschickt hat und von rund 1000 Journalisten auserwählt wird – er darf in den Saal mit der langen Bühne und der Wand mit dem Euro-Logo dahinter.
Dichtgedrängt zwängen sich die Medienschaffenden durch die Tür. Nicht ohne, dass der Badge – die Zutrittserlaubnis - zuvor gefühlte zehn Mal kontrolliert worden war. Nicht ohne, dass man entweder ein Kamerastativ in den Rücken gestossen bekommt oder von einem Ellbogen traktiert wird. So stelle ich mir das Chaos vor, das Migro-Schnäppchenjäger unlängst in Luzern um stark reduzierte Elektronikprodukte veranstaltet haben.
34 Fragen und Antworten innert 40 Minuten
Stakkatoartig kommen die Fragen. Auf englisch, italienisch und französisch. Übersetzt wird simultan in Kopfhörer, die auch Prandelli und Buffon zuvor erhalten haben. Kanal 1 musste man für englisch einstellen, 2 für französisch. So ging es bis 6 und ukrainisch. Nein, die deutsche Sprache war nicht dabei. Ein englischer Journalist richtet seine Frage an den Italo-Keeper: «Wer ist das bessere Team: Spanien oder Italien?» Gigi antwortet cool. «Schafft Italien die Überraschung und schlägt die derzeit beste Mannschaft der Welt?» Die Frage der jungen Spanierin ist provokant. Was jetzt, Gigi? Alles wartet gespannt. Entschlüpft dem aalglatten Medienprofi doch eine Schlagzeile?
Nix da. Buffon bleibt souverän und glatt wie bei den Antworten zuvor: «Der Sieger am Ende, ist gleichzeitig der Beste.» So einfach ist das. Besonders ergiebig ist das Frage-Antwort-Spiel nicht. Das ist es eigentlich nie. Aber immerhin. 34 Fragen beantworteten Prandelli und Buffon in knapp 40 Minuten. Die Notizblöcke werden einigermassen gefüllt, die Kassetten der rund 50 Kameras auch. Der Schreiberling kehrt in das Media Center zurück. Eine riesige Turnhalle, die für gut 1000 bis 1500 Journalisten zum Arbeitsplatz umfunktioniert worden ist.
Zufälle auch im perfekten Fussballgeschäft
Manchmal aber kann es passieren, dass einem ein Profi auf dem Weg dahin begegnet oder im Korridor der zum Medienraum führt. Manchmal findet ein ausgebuchter Turnierdirektor wie Martin Kallen noch Zeit für ein Exklusiv-Interview am Rande einer Pressekonferenz oder zwischen zwei Sitzungen. Auch im heutigen perfekt durchorganisierten Fussball-Geschäft gibt es Zufälle und es werden Ausnahmen gemacht. Das sind die Erfolgserlebnisse die unseren Job so speziell und Chefs und Leser zufrieden machen.