Warum Christian Gross bei YB gescheitert ist

Aktualisiert

Nach dem AusWarum Christian Gross bei YB gescheitert ist

Der ehemalige Erfolgstrainer Christian Gross ist bei den Young Boys gescheitert. Sein Untergang markiert eine Zeitenwende. Für YB.

Klaus Zaugg
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Klaus Zaugg

So sehr der Klubfussball auch in der Schweiz «Big Business» geworden ist: Geld alleine macht nicht den Unterschied zwischen dem FC Basel und YB. Auch wenn YB-Manager Ilja Känzig moniert, der FCB könne sich sechs oder sieben Salär-Millionäre leisten und YB keinen: YB ist heute wirtschaftlich stark genug, um die Basler sportlich herausfordern zu können. Was entscheidet, wenn das Geld nicht mehr die Differenz macht? Richtig, der Geist. Oder besser: Der Geist, der mit dem Trainer kommt.

YB versuchte unter Anleitung von Star-Architekt Christian Gross einen noch höheren Fussballturm zu bauen als der FC Basel. Dieses Vorhaben ist inzwischen gescheitert. Weil daraus ein Turmbau zu Babel geworden ist: Es wird bei YB nicht eine einheitliche Sprache gesprochen. Der innere Zusammenhalt fehlt. Im Multikulti-Sport Fussball sind die Mentalitätsunterschiede zwischen den Spielern gross. Es ist schwierig, aus einer losen Interessengemeinschaft von Jungmillionären eine verschworene Gemeinschaft zu formen.

Traumhafte Voraussetzungen in Bern

YB ist dabei auch ein Opfer der Fussball-Globalisierung geworden. Für die meisten Fussballstars ist YB nicht das Ziel aller Träume. Sondern nur ein Zwischenhalt auf dem Weg in den richtigen Fussball. Wer kann, wechselt so schnell wie möglich in eine der grossen Ligen Europas.

Aber ansonsten sind die Voraussetzungen fürs Fussballgeschäft heute in Bern geradezu traumhaft. Es sind die Strukturen des 21. Jahrhunderts. Stadion und Fussballunternehmen haben die gleichen Besitzer: Die Erzkapitalisten Benno Oertig, Andy und Hans-Ueli Rihs. Zusammen verfügen sie über mehr als anderthalb Milliarden Franken. Es ist in Bern möglich, mit einer Kombination aus Fussball und Fussball-Nebengeschäften Geld zu verdienen oder wenigstens ein Meisterteam mit Quersubventionen zu alimentieren. Weil die Zuschauer bewirtschaftet werden können. Alle Einnahmen – Transfererlöse, Werbung, Eintritte, Erlöse aus dem Verkauf von Wurst, Brot und Bier – fliessen in die gleiche Kasse.

1987 der letzte Titel

Gut 50 Millionen Umsatz macht der Fussball-Zirkus YB. Bei normalem sportlichem Geschäftsgang darf sogar ein Gewinn von mehr als fünf Millionen erwartet werden. Ein Titel und eine Champions-League-Qualifikation kann YB zwar nicht kaufen. Aber es ist bei weitem genug Geld da, um mit dem richtigen Trainer, der richtigen Einstellung, der richtigen Taktik und ein bisschen Wettkampfglück Meister oder Champions-League-Teilnehmer werden zu können.

Doch seit 1986 (Meister) und 1987 (Cupsieg) hat YB keinen Titel mehr geholt. Selbst Aarau, Luzern und St. Gallen haben seither die Meisterschaft gewonnen und dem FC Thun ist es gar gelungen, ein Champions-League-Märchen zu schreiben.

Keine finanziellen Existenzängste, aber auch keine Seele

YB fehlt es also nicht am Geld oder am Stadion. Aber auf allen Ebenen das bernische Element, das dieses Unternehmen beseelen und die Leidenschaft wecken könnte, die es braucht, um gegen einen Titanen wie den FC Basel zu bestehen. Die drei Besitzer (Oertig, Rihs & Rihs) sind wohl bekennende YB-Anhänger mit YB-Aufklebern an den Autos. Aber sie haben keinen Bezug zur Stadt Bern und zum Bernbiet und zum Wesen und Wirken des Mannschaftsportes. Ihr Lebensmittelpunkt ist eher die Region des Oberen Zürichsees. Das Sport-Business, das sie durch und durch kennen ist der Radsport. Und der funktioniert anders als der Fussball-Zirkus YB.

Die Gefahr, dass Oertig, Rihs & Rihs nach dem spektakulären Scheitern von Christian Gross aussteigen und YB in Not bringen, ist klein: Den geforderten Preis für das Packet Stade de Suisse/YB von rund 100 Millionen zahlt niemand und nur YB ohne Stadion kauft erst recht keiner. YB hat also längst keinerlei finanziellen Existenzängste mehr. Aber YB hat seine Seele verloren, YB ist ein zu steriles Fussballunternehmen.

YB bei Talentsuche weit zurück

Bei der Konzentration auf den Bau des Stade de Suisse und die finanzielle Stabilität sind die Investitionen in die Basis vernachlässigt worden: Während in Basel enorme Anstrengungen zum Aufbau einer Nachwuchsorganisation und seines Talent-Späher-Systems unternommen worden sind, ist in Bern diese unspektakuläre Basis viel zu lange gänzlich vernachlässigt worden. Das Problem ist inzwischen erkannt. Dr. Hansruedi Hasler, der ehemalige Ausbildungschef des Verbandes, ein hochkarätiger Fussball-Pädagoge, kümmert sich um den Aufbau einer Nachwuchsorganisation. Aber YB hat in diesem Bereich auf Basel und den FC Zürich mindestens vier bis sechs Jahre Rückstand. Noch immer landen die grossen Talente in diesem Land in Basel und in Zürich und nicht in Bern.

Und so funktioniert YB trotz besten wirtschaftlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen noch nicht. Nicht einmal unter Christian Gross. Oder vielleicht besser erklärt: Es funktioniert nicht wegen Christian Gross und der Mentalität, die hinter seiner Verpflichtung steckt. Die Gründe für die Verpflichtung von Gross entlarven, weshalb YB keinen Erfolg hat.

Glaube an grosse Namen

YB-Präsident Benno Oertig konnte, wie Gewährsleute berichten, auf die Trophäe Christian Gross einfach nicht verzichten. Der erfolgreichste Trainer der letzten 25 Jahre! Der Schöpfer des grossen FC Basel! Sechsmal Schweizer Meister! Neunmal Fussball-Trainer des Jahres! Champions League Teilnehmer. Wir können uns Christian Gross genauso gut leisten wie der FC Basel. Wir holen Christian Gross, also sind wir.

Der Glaube an grosse Namen ist typisch für Erzkapitalisten wie Oertig, Rihs & Rihs. Aber auch verständlich: Wenn YB jetzt mit einem unbekannten Trainer in die gleiche Situation geraten wäre, so wären sich die Kritiker einig: Mit Christian Gross wäre alles anders geworden.

Gefordert aber nicht gefördert

Aber nun zeigt sich: Christian Gross hat wohl eine grosse Vergangenheit. Aber in der Gegenwart findet er sich zumindest in Bern und in einem «Ausbildungsklub» wie YB nicht zurecht. Ein Trainer muss in Bern die ganz besondere Mentalität immer berücksichtigen, mögen auch noch so viele Ausländer in einer Mannschaft stecken. Christian Gross ist in Bern nicht zum «Chrigu» (Berner Kosenamen für Christian) geworden. Er ist «der Gross» geblieben. Ein Zürcher mit Basler Allüren. Ein Grossgrind.

Noch so gerne sind Gewährsleute bereit, das Scheitern des einstigen Erfolgstrainers in blumigen Worten zu schildern. Nur zitieren lässt sich keiner. Die Stimmung sei zu gereizt, man riskiere sonst den Job. Wegen kleinster Anmerkungen in den Medien komme von ganz oben die drohende Frage: Wer hat schon wieder geplaudert? Im Kern sind alle Geschichten gleich: Christian Gross sei zu eitel und zu autoritär gewesen, um mit der neuen Spielergeneration klar zu kommen. Einer sagt, Gross habe tageintagaus auf den Spielern «herumgenagelt» und Spieler geplagt, die doch motiviert und verstanden sein wollen. Kommandos und seelische Prügel statt Streicheleinheiten. Und Grundlagenarbeit habe er gar keine mehr gemacht. Er habe gefordert aber nicht gefördert. Dadurch ist unter Gross der Transferwert der Spieler kleiner.

Lustloser Gehorsam statt leidenschaftliches Engagement

Das Innenleben bei YB wird als eine autoritäre Herrschaft des Christian Gross, dem teuersten YB-Trainer aller Zeiten mit einem Fix-Gehalt von knapp einer Million, an der Spitze bezeichnet. In einer Zeit, da mehr und mehr Trainer erfolgreich sind, die nicht mehr auf die Autorität ihres Amtes pochen. Sondern die Sprache der Spieler sprechen. Die Folge: Lustloser Gehorsam statt leidenschaftliches Engagement. Maschinisten des Fussballs statt kreative Künstler. Oder, wie es ein bitterböser Chronist formuliert hat: YB spielte Beamtenfussball. Ein Urteil, das Christian Gross in Rage gebracht hat.

Aber das Resultat ist halt schon ernüchternd. 13 neue Spieler hat YB auf die Rückrunde verpflichtet, mehr als fünf Millionen haben die YB-Besitzer investiert Aber der Rückstand auf den FC Basel hat sich längst verdoppelt, selbst Aufsteiger Lausanne hat in der Rückrunde mehr Punkte geholt.

Rückkehr zur Bescheidenheit als Lösung?

Funktioniert der autoritäre Führungsstil des Christian Gross im modernen Fussball nicht mehr? Zumindest nicht bei YB. Im Kopf der Besitzer ist YB ein grosses Fussballunternehmen das einen grossen Namen an der Spitze braucht. Aber in Tat und Wahrheit ist YB immer noch mehr ein «Ausbildungsklub» mit vielen Spielern, die nicht diszipliniert und kommandiert, wohl aber ausgebildet, motiviert, gehegt und gepflegt werden müssen. So schön und modern das Stade de Suisse auch sein mag, in der Seele, im Wesen ist YB einem Regionalklub immer noch viel näher als dem grossen FC Basel und dem «Big Business».

Der Wahn der Besitzer, ein grosses YB zu sein, ist der wichtigste Grund für das Scheitern von Christian Gross. Erst eine Rückkehr zur Bescheidenheit wird die Wende bringen und gerade ein Trainer Christian Gross verkörperte diese Bescheidenheit nicht.

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