Valentino RossiWenigstens stimmt die Kohle
Superstar Valentino Rossi (33) verkommt zum Hinterherfahrer: 13. im Training zum GP von Spanien. Aber das Geschäft brummt. Doch was passiert mit dem Sport, wenn der Italiener zurück tritt?

Valentino Rossi: Lachen kann er nur noch neben der Rennstrecke.
Seit der Steueraffäre im Jahre 2007 hat Valentino Rossi in Italien ein neues Imperium aufgebaut. Die Steuerfahnder hatten ihm zur Last gelegt, in den Jahren 2000 bis 2004 insgesamt 300 Millionen Euro am Fiskus vorbeigelotst zu haben, da er zwar den Wohnsitz nach London verlegt, aber seinen Lebensmittelpunkt nach wie vor in Italien hatte. Anfänglich hatte ihm mehr als 100 Millionen Franken Busse gedroht. Die Sache ist schliesslich mit etwas weniger als 30 Millionen Franken erledigt worden.
Aus diesem Debakel hat Rossi die Lehren gezogen und in Italien einen Konzern mit vier Tochterfirmen aufgebaut. Eine Aktiengesellschaft kümmert sich um seine Verträge und alles, was mit dem Verkauf an den Rechten an seinem Namen und seiner legendären Startnummer 46 zusammenhängt. Eine zweite handelt mit Immobilien. Eine dritte kümmert sich um Geschäftsliegenschaften (Restaurants, Läden) und eine vierte, an der er nur die Hälfte der Aktien hält (die andere Hälfte besitzt sein Vater Graziano Rossi) baut in seinem Heimatdorf Tavullia an der Adria ein Motorrad-Trainingszentrum auf.
Es stimmt nur noch finanziell
Valentino Rossi ist mit einem Jahresgehalt von rund 15 Millionen Franken (bezahlt von Ducati) nach wie vor Italiens bestverdienender Sportler aller Zeiten. Mit Werbung und anderen Sport-Nebengeschäften erzielt er immer noch ein Einkommen von über 30 Millionen Franken.
Sportlich läuft es hingegen nicht mehr. Zehn Jahre lang war der Italiener das Mass aller Dinge im Motorradrennsport. Seit 2001 hatte er die Königsklasse sieben Mal gewonnen (2001, 02, 03, 04, 05, 08 und 09). In dieser Zeit ist er durch die einmalige Mischung aus Talent, Erfolg und Showtalent zu einem Motorsport-Popstar geworden.
Der Abstieg Rossis
Diesen Valentino Rossi gibt es definitiv nicht mehr und es gibt auch keinen neuen Valentino Rossi. Sein Freund Marco Simoncelli (24), der vielleicht – aber nur vielleicht – so etwas wie der nächste Rossi hätte werden können, starb letzte Saison den Rennfahrertod. Er wurde beim GP von Malaysia nach einem Sturz überfahren – auch von Rossi. Von diesem Schock hat sich der GP-Zirkus bis heute noch nicht ganz erholt.
Valentino Rossi hat seit dem Saisonauftakt von 2010 in Katar kein Rennen mehr gewonnen. Der Umstieg von Yamaha auf Ducati bescherte ihm 2011 die schlimmste Saison seiner Karriere: Seit 2000 hatte er sich immer in den ersten drei der WM-Wertung klassiert – letzte Saison kam er gerade noch auf den 7. Schlussrang.
Keine Ausreden mehr
Wegen der Reglementsänderung (neu 1000 ccm) haben diese Saison alle neue Bikes. Rossi konnte bei der Entwicklung der neuen 1000er-Ducati mitreden. Es gibt keine technischen Ausreden mehr. Doch er bleibt auch diese Saison weit hinter der Spitze zurück. Platz 12 im Training und Rang 10 beim Saisonauftakt in Katar. Und nun in Jerez Position 13 im Abschlusstraining. Schlimmer noch: Hinter Nicky Hayden (3.), Karel Abraham (11.) und Hector Barbera (12.) ist Rossi in Jerez nur viertbester Ducati-Chauffeur. Damit zeichnet sich immer mehr: Es gibt nicht nur ein technisches Problem. Valentino Rossi ist auch fahrerisch nicht mehr auf seinem besten Niveau. Er hat seine Besessenheit, seine Motivation, seine Leidenschaft zumindest teilweise verloren. Von seinem bisher ersten und einzigen schweren Unfall beim GP von Italien in Mugello am 5. Juni 2010 hat er sich nie mehr ganz erholt.
Ende Saison läuft Valentino Rossis Vertrag mit Ducati aus. Die bange Frage deshalb: Tritt er zurück? Wechselt er in den Automobilrennsport? Kann Ducati mit dem Superstar nicht verlängern, dann ist nach 40 Jahren möglicherweise auch das erfolgreichste Motorradsponsoring-Programm zu Ende: Seit 40 Jahren alimentiert Philipp Morris für die Edelmarke Marlboro Teams in der Königsklasse. Nach dem absoluten Tabakwerbeverbot ist Marlboro geblieben – Ducatis rote Farbe (wie bei Ferrari in der Formel 1) ergibt immer noch Werbewert. Eine andere Marke als Ducati macht keinen Sinn.
Was geschieht nach Rossi?
Superstars kommen und gehen, der Sport aber bleibt bestehen. Es gibt Tennis nach Roger Federer und es gibt Skirennsport nach Hermann Maier. Aber es gibt die Köngisklasse in der jetzigen Form nach Valentino Rossi nicht mehr. Titelverteidiger Casey Stoner verdient lediglich rund 6 Millionen Franken und hat im Vergleich zum Valentino Rossi der grossen Zeiten kein Charisma. Ohne den Italiener wird es zu der Redimensionierung und Rückkehr zur Bescheidenheit kommen, die den GP-Zirkus letztlich wieder stärker machen wird.
Valentino Rossis Charisma hatte die GP-Macher fast zehn Jahre lang im Irrglauben bestärkt, die MotoGP-Klasse könnte werden wie die Formel 1. Dieser Grössenwahn hat die «Königsklasse» in eine Krise geführt und vorübergehend ist nun die Moto2-WM (mit Tom Lüthi als Titelkandidat) die wahre «Königsklasse».