Estelle Balet stirbt in Lawine«Beim Dreh wurde extrem auf Sicherheit geachtet»
Die Schweizer Freeride-Weltmeisterin Estelle Balet ist bei Dreharbeiten im Wallis von einer Lawine getötet worden. Ihre Fans sind geschockt.
Die Freeride-Snowboarderin Estelle Balet ist am Dienstag bei einem Lawinenniedergang in Orsières VS ums Leben gekommen. Zum Unfall kam es bei Dreharbeiten für ein Filmprojekt mit der Produktionsfirma Timeline Missions, wie Katja Cramer, Verantwortliche Kommunikation Audi von Amag, auf Anfrage mitteilte.
Die amtierende Weltmeisterin der Freeride World Tour wurde beim Befahren eines Couloirs im Gebiet Portalet oberhalb von Orsières von einer Lawine einen Kilometer weit in die Tiefe gerissen. Noch bevor die Retter mit einem Helikopter der Air Glaciers am Unfallort ankamen, konnte die Freeriderin aus der Lawine befreit werden, wie die Walliser Polizei mitteilte.
Balets letzte Abfahrt bei der Freeride World Tour 2016
«Viel zu jung, so traurig»
Dennoch verstarb Balet noch am Unfallort. Nach ersten Erkenntnissen hatte vor ihr bereits eine andere Person den Unfallhang befahren. Als Balet losfuhr, löste sich die Lawine und riss die Sportlerin mit sich. Die Ursache soll nun durch eine Untersuchung geklärt werden. Balet hatte beim Unglück ein Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS), einen Airbag und einen Helm dabei.
«Bei dem Projekt, wurde extrem auf Sicherheit geachtet, es waren Guides vor Ort und erfahrene Skifahrer», so Cramer weiter. «Estelle war die zweite Person im Hang, vor ihr war eine Person abgefahren, um die Bedingungen zu testen. Es war ein tragischer Unfall.»
Auch ihr Vater, Eric Balet, ist fassungslos: «Sie war sehr vorsichtig und alles andere als ein Hitzkopf. Sie war ein Sonnenstrahl und immer sehr aufmerksam anderen gegenüber. Sie hat ihr Leben mit Leidenschaft gelebt. Sie ist viel zu schnell von uns gegangen.»
Auch der Fangemeinde sitzt der Schock tief. «Viel zu jung, so traurig», schreibt ein Anhänger via Instagram. «Ein Schneestern glitzert jetzt im Himmel», schreibt ein Fan auf Facebook.
«Freeriden bringt Unsicherheit mit sich»
Balet wurde 2015 Walliser Sportlerin des Jahres. Erst rund zwei Wochen vor ihrem Tod wurde sie zudem noch an der Freeride World Tour (FWT) in Verbier zum zweiten Mal zur Weltmeisterin gekürt. Auch die Organisatoren sind ob des tragischen Unfalls fassungslos: «Die Freeride Community hat heute einen schrecklichen Verlust erlitten», heisst es in einer Stellungnahme. «Wir haben erfahren, dass eine der grössten Hoffnungsträgerinnen und aktuelle Snowboard-Weltmeisterin, Estelle Balet, in einer Lawine ums Leben gekommen ist. Unsere Gedanken sind bei der Familie und den Freunden von Estelle.»
Gegenüber AFP nimmt FWT-Gründer Nicolas-Hale-Woods Stellung: «Ich fühle grosse Trauer. Das erinnert uns daran, dass das Freeriden in den Bergen seine Unsicherheiten mit sich bringt, selbst für erfahrene Fahrer.»
«Estelle war in allem brillant»
Freeride-Kollege Nicolas Falquet traf Estelle noch am vergangenen Wochenende, wie er zu 20 Minutes sagt. «Es ist immer sehr hart, wenn jemand aus unserer Sippe verschwindet. Als älterer Rider, der all die Jahre neben der jungen Generation den Freeridesport gefördert hat, berührt mich das sehr.» Niemand sei auf so etwas jemals gefasst. «Doch falls es eine Lektion gibt, die man durch diesen Unfall lernen kann, ist es vielleicht diese: Es kann selbst die abgehärtetsten Profis treffen.»
Auch Balets Sponsor Swatch hat sich via Twitter geäussert: «Wir sind sehr traurig zu hören, dass Estelle Balet, unsere Profiteam-Athletin, heute Morgen von uns gegangen ist. Unsere Gedanken sind bei Familie und Freunden.» Auch CVP-Nationalrat Christophe Darbellay hat über Twitter sein Beileid ausgedrückt: «Estelle war in allem brillant. Von nun an erstrahlt sie über den weissen Gipfeln.»
«Das sind Profis»
Tragisch: Erst vor zwei Wochen hat Balet im Interview mit dem Blick über das Risiko ihres Sports gesprochen. Damals sagte sie diesbezüglich, dass sie eine Ski-Abfahrt für gefährlicher halte als das Freeriden. Aber: «Mir ist dennoch bewusst, dass auch bei uns jederzeit ein Unfall passieren kann.»
Im Gebiet, in dem die Freeriderin unterwegs war, herrschte die Gefahrenstufe 3, war also erheblich. Ueli Mosimann von der Fachgruppe Sicherheit im Bergsport beim Schweizerischen Alpenclub (SAC) erklärt jedoch, dass es im Frühling schwieriger sei, die Stufen genau zu prognostizieren, da weniger Alpinisten in den Bergen unterwegs seien. «Und lokal kann es grosse Unterschiede geben.»
Es ist also denkbar, dass die Gefahrenstufe im Gebiet, wo Balet unterwegs war, höher war. Dass es am Tag zuvor noch geschneit habe, trage zu dieser Gefahr bei. Doch Mosimann betont: «Wenn es ein Filmdreh war, waren da bestimmt Profis am Werk.» Er glaubt nicht, dass Balet fahrlässig gehandelt hat: «Das geschieht selten. Das sind Profis, ich glaube nicht, dass sie ein solches Risiko eingehen. Sie wissen, wie fatal das enden kann.» Das bestätigt auch Thierry Kund, ehemaliger Profisnowboarder, gegenüber 20 Minutes: «Estelle war keine Kamikazefahrerin.» Zudem sei das Wetter am Dienstag gut gewesen, wie Mosimann weiter ausführt. Doch: «Ein Restrisiko bleibt immer.» (nag/vro/sda)