Olympia 2016Panikmache vor dem Zuckerhut
Zwei Jahre vor den Olympischen Spielen gibt die Wasserqualität vor der Küste von Rio de Janeiro zu reden. Werden die Regatten zum Hindernisrennen um die Gesundheit der Segler?
«Kloaken-Cup» titelte die «Welt». Von «Slalomfahrten durch Plastiktüten, Tierkadaver und Fäkalien» berichtete «n-tv». Und der «Tages-Anzeiger» sah «Tote Hunde in der olympischen Bucht». In dieser apokalyptischen Umgebung fand am vergangenen Wochenende ein Test-Event im Hinblick auf Rio 2016 statt. Für die 14-köpfige Schweizer Delegation endete der Event mit einem sportlichen Ausrufezeichen, das Duo Matías Bühler und Nathalie Brugger gewann mit dem Nacra-Katamaran einigermassen überraschend das Medal Race.
Haben die beiden ganz einfach den besten Kurs rund um die toten Hunde gefunden? Tom Reulein, Chef des Swiss Sailing Teams, winkt ab: «Die Wasserqualität vor Rio ist nicht toll, man kann sie nicht mit dem Zürich- oder Genfersee vergleichen. Aber während des Test-Events war sie recht gut, es schwamm viel weniger Zeug im Wasser als noch im letzten Dezember.» Reulein sah zwar keine toten Hunde, aber «viel Plastik, Holz und Algenzeugs» im Wasser vor Rio de Janeiro.
Keime unterhalb des Grenzwerts
So betörend die Postkartenidylle mit Zuckerhut, Cristo Redentor und Copacabana von der Ferne aussieht, so gross sind die Probleme der 6-Millionen-Stadt bei näherem Hinsehen. Weniger als 40 Prozent des Abwassers der Metropole werden laut der «New York Times» behandelt, der Grossteil fliesst unbehandelt ins Meer. Gerade die Favelas an den steilen Berghängen verfügen über kein funktionierendes Abwassersystem. Das Swiss Sailing Team hat deshalb Wasserproben genommen und unter anderem auf Fäkalkeime untersuchen lassen. Das Resultat ist einigermassen beruhigend. «Die Ergebnisse liegen unterhalb der nationalen und internationalen Grenzwerte für die beim Segeln auftretende Kontaktart», sagt Tom Reulein. So gab es unter den mehr als 300 am Test-Event beteiligten Athleten nicht einen Krankheitsfall, auch die 14 Schweizer Seglerinnen und Segler sind am Montag wohlbehalten in Zürich eingetroffen.
Viel Regen wäre katastrophal
«Alles halb so wild», lautet das Fazit von Reulein. Zumal die schlimmsten Bilder, die in den letzten Tagen um die Welt gingen, von der inneren Guanabara-Bucht stammen. Nur: Dort wird 2016 gar nicht gesegelt, drei der fünf Racing Areas liegen am Ausgang der Bucht, zwei gar auf dem offenen Meer. Es gibt allerdings ein «Worst-Case-Szenario»: zwei bis drei Tage Regen, der viel Dreck in die Bucht schwemmt. «Bei Ebbe, wenn das Wasser aus der Bucht läuft, bleibt sehr viel Müll in der Bucht liegen», erklärt Reulein. «Dann werden faire Segelbewerbe kaum möglich sein.»
Trotzdem ist Reulein zuversichtlich im Hinblick auf 2016 und erinnert an die Olympischen Spiele 2012 in Peking. Dort lag im Segelrevier bei Qindao ein stinkender Algenteppich auf dem Meer: «Die Chinesen legten Ölsperren an, um die Algen fernzuhalten, und fischten wie die Wahnsinnigen, um die Racing Areas freizubekommen.»
Von den Organisatoren in Rio erwartet Reulein, dass sie die verbleibenden zwei Jahre nutzen, um faire Wettkampfbedingungen zu schaffen, und er traut den Brasilianern auch nachhaltige Verbesserungen zu: «Es ist eine Jahrhundert-Aufgabe, das ganze Ding zu drehen, aber wenn es positive Nebeneffekte gibt in Bezug auf diese Olympischen Spiele, dann ist es dieses Projekt.»