Göteborg, SchwedenHinrichtung im Barbershop – Bandenkriminalität artet aus
Bei Schweden denken viele an Köttbüllar und Naturidylle. In den Vorstädten der Metropolen aber regieren kriminelle Banden vor allem aus dem Nahen Osten. Die Gewalt häuft sich.
Eine Überwachungskamera filmte die Hinrichtung in einem Barbershop im schwedischen Göteborg am 9. Juli 2021.
20 MinutenSeit Jahren geht in Europa die tödliche Gewalt durch Schusswaffen zurück – mit einer Ausnahme: Schweden. Dort ist die Gewalt seit 2005 massiv angestiegen, vor allem wegen der Bandenkriminalität. Die Zahlen sind eindrücklich, im negativen Sinn: Auf eine Million Einwohnerinnen und Einwohner kommen derzeit in Schweden gut vier Opfer von Schusswaffengewalt pro Jahr. Im europäischen Durchschnitt sind es jährlich 1,6.
Das hält ein Bericht des schwedischen Nationalen Rats zur Kriminalitätsprävention vom Mai diesen Jahres fest. Allein im vergangenen Jahr sind demnach 48 Menschen erschossen worden. Etwa 80 Prozent der Schiessereien stehen in Verbindung mit der organisierten Kriminalität.
Spielende Kinder angeschossen
Längst sind in den Vorstädten von Stockholm, Göteborg und Malmö Parallelwelten entstanden, ermöglicht durch eine traditionell grosszügige Einwanderungspolitik bei gleichzeitig fehlender Integration und zunehmender Ghettoisierung. In schwedischen Agglomerationen herrschen Clans vor allem aus dem Nahen Osten, es dominieren Kriminalität und Arbeitslosigkeit.
Die Gewalt zeigt sich mittlerweile beinahe wöchentlich. Letzten Samstag wurden schwedischen Medien zufolge ein fünfjähriges Mädchen und dessen sechsjähriger Bruder von Kugeln getroffen, als sie draussen spielten. Die Polizei geht nicht davon aus, dass die Kinder aus Flemingsberg, etwa 15 Kilometer südlich von Stockholm, gezielt ins Visier genommen worden waren.
Hinrichtung im Herrensalon
Vor drei Wochen wurde ein 30-jähriger Polizist bei seiner Patrouille in einem Vorort von Göteborg erschossen. Ein 17-jähriger Verdächtiger wurde später festgenommen. Der junge Mann stamme aus einem «Konfliktumfeld» und bestreite die Vorwürfe, so die Polizei.
Eine Woche darauf, ebenfalls bei Göteborg: eine regelrechte Hinrichtung in einem Barbershop. Mittlerweile sind Aufnahmen einer Überwachungskamera aus dem Herrensalon «Damas Sax» aufgetaucht, die zeigen, mit welcher Entschlossenheit zwei bewaffnete und maskierte Männer den Laden betreten, sich einem Kunden nähern und den Sitzenden von hinten niedermähen.
Auch hier vermutet die Polizei Verbindungen zur Bandenkriminalität, wie schwedische Medien berichten. Bis heute wurden die zwei Täter nicht geschnappt.
Dabei sind die Gang-Mitglieder aus den Vorstädten nicht nur zunehmend gewalttätig, sie werden auch immer jünger. So rekrutieren Banden bereits 12- und 13-Jährige, da diese wegen ihres Alters rechtlich nicht belangt werden können.
«Sie sind sehr schlecht im Umgang mit Waffen»
In den Worten eines Polizisten geht die Gewalt meist von jungen Männern aus, «die ein psychisches Problem haben und drogensüchtig sind. Sie sind sehr schlecht im Umgang mit Waffen, was das Risiko für Unbeteiligte erhöht.»
Schwedens rot-grüne Regierung verspricht so lange, etwas gegen die Gewalt zu unternehmen. Der sozialdemokratische Innenminister Mikael Damberg (49) hat für mehr Polizistinnen und Polizisten und härtere Strafen gesorgt, in den Vorstädten soll es mehr Schulen geben. Doch die regelmässigen Gewalttaten zeigen, dass das offenbar noch nicht reicht.
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
Agredis, Gewaltberatung von Mann zu Mann, Tel. 078 744 88 88
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147