«Gäll, du wählsch mi? - Gäll, du willsch mi?»

Aktualisiert

Wahlwerbung per Video«Gäll, du wählsch mi? - Gäll, du willsch mi?»

Die FDP Reinach gibt alles, um neue Wähler anzulocken. In einem Video wendet sich die Ortspartei singend und tanzend ans Volk.

Lukas Nef
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Lukas Nef

Die FDP-Reinach gibt alles, um neue Wähler anzulocken. Im Hinblick auf die Gemeinderatswahlen vom 11. März hat die Partei ein Video produziert und auf YouTube gestellt. Darin sind 20 Kandidaten zu sehen, die in teils steifer Manier eine Aneinanderreihung dutzender Wahlsprüche von sich zum Besten geben. Beim Refrain folgt zusätzlich eine etwas ungelenke Tanzeinlage in Bolognese-Manier durchs Büro. «Das ist schlechtes politisches Theater», sagt Kommunikationsberater Klaus J. Stöhlker. Ein misslungener Versuch sich in Szene zu setzten. «Die Idee ist zwar gut, aber die Personen wirken unsicher, und der Clip wirkt kontraproduktiv». Auch Kommunikationsexperte Marcus Knill kann dem Video nicht viel abgewinnen. «Die Machart ist dürftig, es fehlt an Professionalität und Glaubwürdigkeit». Die Akteure machen sich lächerlich. Mit dem «Tutti-frutti» an Personen, die künstlich lustig spielen, holt sich die FDP sicher keine zusätzlichen Wähler.

Auch für die Online Community hinterlässt das Video einen komischen Nachgeschmack

Zahlreiche Talkback-Einträge auf 20 Minuten Online bestätigen diesen Eindruck. Laut Leser Max B. ist das der video-gewordene Beweis für die totale Orientierungslosigkeit der Liberalen.

Mehr Explosionen und mehr Photoshop wünscht sich hingegen Musikproduzent Chris von Rohr: «Inhaltlich, politisch gut, aber der Clip kommt wie ein abgestandenes Kelly Family-Video daher».

Die menschliche Seite soll gezeigt werden

Ganz und gar nicht lächerlich findet Gerda Massüger, Präsidentin FDP-Reinach, den Clip: «Es hat auch etwas Ernsthaftes und zeigt unsere menschliche Seite», so Massüger. Die Idee kam bei einem Medientraining: «Dort haben wir definiert, für was unsere Partei einsteht und es war die Grundlage für den Song», so Massüger. Das Video selber wurde von der Kommunikationsagentur fadeout in Reinach gedreht.«Wir wollten die Kandidaten einmal lustig und anders zeigen, weg vom Bild des steifen Politikers in Krawatte», sagt Alexander Meyer, Geschäftsführer von fadeout.

Bei den Produktionskosten kam die Agentur der Partei entgegen. «Wir sprechen hier von einem vierstelligen Betrag», so Meyer.

Auch die FDP-Schweiz steht dem Video positiv entgegen: «Natürlich hat eine Ortspartei nicht das nötige Geld für ein hoch professionelles Wahlvideo. Das ist auch gar nicht nötig: Die Milizpolitiker der FDP-Reinach zeigen mit ihrem Video auf sympathische Art, dass sie sich mit Freude für ihre Gemeinde einsetzen – das zählt», sagt FDP-Sprecher Noé Blancpain.

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«Es brauchte Mut, mitzumachen»

Herr Balsiger, was halten Sie vom Video? Mark Balsiger*: Es brauchte für Laien zweifellos Mut, mitzumachen – das ist ein Plus. Die Produktion ist professionell, allerdings überfordert die grosse Auswahl an Themen, die angeschnitten werden.

Herr Balsiger, was halten Sie vom Video? Mark Balsiger*: Es brauchte für Laien zweifellos Mut, mitzumachen – das ist ein Plus. Die Produktion ist professionell, allerdings überfordert die grosse Auswahl an Themen, die angeschnitten werden.

Was braucht es für ein erfolgreiches Politvideo?

Eine starke Idee, ein Überraschungsmoment oder eine gute Geschichte, die mit wenigen ­Sequenzen erzählt werden kann. Und natürlich braucht es Emotionen.

Was sagt das Video über die FDP aus?

Sie setzt im Wahlkampf auf Social Media und lässt ihre Kandidierenden singen. Das hätte grundsätzlich Absturzpotenzial, weil die FDPler aber mit viel Selbstironie mitwirken, ist das Video durchaus charmant. lun

* Mark Balsiger ist Autor, Politikberater und Wahlkampfexperte

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