Tod durch Bloggen
Bloggen ist für viele Schreiber längst kein Spass mehr, sondern knallhartes Business. Im Kampf um Geschwindigkeit und Klicks sind viele Blogger nonstop online - mit schweren gesundheitlichen Folgen.
Für viele ist ihr Blog ein brotloses Hobby. Doch mit einem Blog kann man auch Geld verdienen. Viel Geld. Die erfolgreichsten Schreiber verdienen durch Klicks und Werbung Hunderttausende Dollar pro Monat. Und das ohne je einen Fuss aus der Wohnung setzen zu müssen. Durch Internet und Computer ist es für nicht wenige Schreiber eine neue Form der Heimarbeit geworden.
Doch so viel Geld nimmt nur die Crème de la Crème der Schreiber ein. Insgesamt dürften es Tausende von Schreibern sein, die für Bares bloggen und weit weniger verdienen. Der Weg zum grossen Geld ist lang und steinig und die Konkurrenz ist allgegenwärtig. Nur wer schnell ist, bekommt genug Aufmerksamkeit. Nur wer der erste ist, der einen «Post» publiziert, bekommt die meisten Klicks und damit das meiste Geld.
Die Konkurrenz schläft nicht
Was als Tagebuch im Web 2.0 begann, ist vor allem bei Technik- und News-Blogs bitterer ernst geworden. Der Zeitdruck führt dazu, dass die Schreiber «always on» sein müssen. «Es gibt keine Zeit mehr – selbst im Schlaf nicht -, wo du dir keine Sorgen machst, eine Story zu verpassen», sagt Michael Arrington, Gründer von TechChrunch, einem Gruppenblog zu Technik-Themen. Die Website setzt 240 000 Dollar um – pro Monat.
Im Kampf ums grosse Geld schreiben sich offenbar etliche Blogger in den eigenen vier Wänden um Kopf und Kragen. Die «New York Times» setzt den kürzlichen Tod von zwei Top-Bloggern in Zusammenhang mit diesem Arbeitsdruck.
Am 12. März verstarb Russell Shaw, einer der profiliertesten Technik-Blogger, im Alter von 60 Jahren. Und im Dezember 2007 erlitt Mitstreiter Marc Orchant mit 50 Jahren einen tödlichen Herzinfarkt. Ein Dritter überlebte ebenfalls im Dezember im Alter von nur 41 Jahren eine Herzattacke.
Ob Shaw am Bloggen starb, ist unklar. Doch seine Freundin sagt, der selbstauferlegte Druck, der auf Shaw gelastet habe, sei immens gewesen. Sie hätten oft über einen gesünderen Lebensstil geredet, besonders nach dem Tod von Mitstreiter Orchant.
«Das hält keiner auf Dauer durch»
Gewichtsveränderungen, Schlafstörungen und Erschöpfungszustände sind Symptome, von denen die Schreiber berichten. Es ist die Folge der Furcht, dass einem ein anderer mit einem Artikel zuvor kommen könnte. «Always on», wie das Internet, betreiben nicht wenige der Internetautoren Raubbau an ihrem Körper, um ständig die ersten zu sein.
«Noch bin ich nicht tot», sagt Arrington weiter, «aber irgendwann werde ich einen Nervenzusammenbruch kriegen und im Spital landen.» Er habe in den letzten drei Jahren 15 Kilo zugenommen und eine schwere Schlafstörung entwickelt. Sein Haus und sein Wohnzimmer wurde zum Büro. Nicht nur für ihn, sondern auch für vier Mitarbeiter. «Das hält keiner auf Dauer durch», seufzt Arrington.
Bloggen bis zum Umfallen
Auch der 22-jährige Top-Blogger Matt Buchanan («Gizmodo») weiss ein Lied vom ständigen Wachsein zu singen. Er schläft fünf Stunden pro Nacht. Sein Schlafzimmer in Brooklyn ist gleichzeitig sein Büro. Zeit zum Essen hat er nicht immer. Zeit zum Kochen sowieso nicht. Pizza und Fast-Food stehen fast ständig auf dem Speiseplan – oder Vitaminzusätze, die er sich unter den Kaffee mischt.
Ans Aufhören denkt Matt trotzdem nicht: «Wenn ich daran denke, dass täglich Tausende meine Artikel lesen – das ist cool», sagt er. Und aufreibend. «Manchmal möchte ich einfach umfallen und schlafen», sagt Buchanan. Manchmal schläft er tatsächlich vor Erschöpfung ein – über der Tastatur. Sein Chef, Brian Lam, sagt dazu: «Wenn ich nichts von ihm höre weiss ich, dass er weggetreten ist. Das ist bis jetzt vier bis fünf Mal passiert.»