Das Gelbe vom Eye
Anfang November erscheint das Yello-Album «The Eye». 20 Minuten week hat sich mit Dieter Meier (58) und Boris Blank (50) über ihr Werk unterhalten.
Interview -- Ralph Hennecke - Foto -- Dina Haas
Dieter und Boris, warum habt ihr
euer neues Album ausgerechnet «The Eye» genannt?
Blank: Weil der Zuhörer zu unserem Sound die Augen schliessen kann und dazu Bilder vor seinem inneren Auge erscheinen.
Meier: Ich kam auf den Titel, weil ich mir bei jedem Song eine Figur vorstellen konnte. So entstanden auch die meisten Texte zu unserem neuen Album.
Wie arbeitet ihr zusammen? Dieter lebt doch meistens im Ausland.
Blank: Ich bin jeden Morgen um 9 Uhr im Studio und gehe abends immer schwimmen. Wenn Dieter mich besucht, singen wir die Texte der Songs ein. Das dauert pro Song ein bis maximal zwei Tage.
Meier: Der Philosoph Kant wohnte 40 Jahre an ein und demselben Ort und folgte einem absolut geordneten Tagesablauf. Er lebte in und für sein grosses philosophisches Werk. So gesehen ist Boris der Immanuel Kant der synthetischen Musik.
Spielt Politik in eurer Musik eine Rolle?
Blank: Es gab mal gewisse religiöse Texte, aber Politik spielt für uns in der Musik keine Rolle.
Meier: Gute Musik ist an sich politisch, weil sie ja den Menschen an einem Ort aufstöbert, wo er etwas über sich lernt und sich emanzipiert. Jedes gute Kunstwerk verkörpert Menschlichkeit, Identität und ist in diesem Sinne viel politischer als die so genannte politische Kunst.
Blank: Welcher Partei würdest du denn unsere Musik zuordnen?
Meier: Du hast leider nicht zugehört.
Blank: Stimmt. Aber wo gliederst du denn die Aussage unserer Musik an?
Meier: Ich glaube zum Beispiel, dass unsere Musik während des Faschimus verboten worden wäre. Gute Kunst ist Anarchie. Anarchie in dem Sinne, dass das Individium im Vordergrund steht und nicht eine übergeordnete Staatsidee.
Wie zeigt sich das bei Yello?
Meier: Unsere Musik entsteht ja nicht aus einem akademischen Kompositionsgebäude heraus, sondern durch Boris, der im Grunde genommen ein Anarchist ist. Er widersetzt sich den Zwängen des Rock'n'Roll, der ganz Europa als Kulturimperialismus überfahren hat.
Dann seid ihr als Anarchisten seit 25 Jahren erfolgreich. Habt ihr nie ans Aufhören gedacht?
Blank: Nein. Keine Sekunde. Ich kann mich in meinem Beruf austoben wie ein Kind im Sandkasten. Wenn ich das Studio betrete, ist das wie tägliche Meditation für mich. Meine Faszination für die Klangforschung ist ungebrochen.
Meier: Wenn man erfolgreich sein will, muss man am Puls der Zeit sein. Mein 90-jähriger Vater ist Banker und er verfolgt aus Faszination und Erfolgshunger noch täglich die Aktienkurse.
Bleibt ihr euch also auch optisch treu? Oder anders gefragt: Wann fallen eure Schnäuze?
Meier: Sobald Boris aufhört, seinen zu färben (lacht). Nein, dieser Schnauz gehört einfach zu meinem Gesicht. Er wird bleiben – obwohl mir meine Töchter immer wieder sagen, ich solle ihn abschneiden.
Blank: (grinst) Solange sich Dieter nicht von seinem Toupée trennt, behalte ich meinen Schnauz auf jeden Fall.
Info
Yello «The Eye» (Universal), ab 3. November.